„Wie alt warst du 1989?“ Zack, hat so eine sinnfreie Frage als Posting mehr als 4.600 Facebook-Kommentare. Solcherart Comment Baiting flutet gerade durchs Netzwerk. Dahinter stecken sehr häufig religiös-fundamentalistische Gruppierungen. Und das ist gefährlich.

Facebook-Kommentare um jeden Preis

„Wie würde dein Kind heißen, wenn es den Vornahmen deiner Oma hätte?“ „Welche Süßigkeit erinnert dich immer noch an deine Kindheit?“ „Sollten Kinder im Haushalt helfen?“ – Banaler könnten die Fragen nicht sein. Mit denen versuchen Betreiber von Facebook-Gruppen, Kommentare zu provozieren. Je schlichter die Fragen sind, umso erfolgreicher das Comment Baiting, also das „Kommentare-Ködern“. Und dabei kann ein einzelner Beitrag auch schon mal mehrere zehntausend Kommentare einfahren. Die Betreiber solcher Gruppen bleiben so gut wie immer im Dunkeln.
Doch bevor man sich über den Teil des Publikums lustig macht, der auf solche Köder blind reagiert, sollte man in sich gehen. Der Autor dieser Zeilen hat bei „Welches ist eurer Meinung nach die hässlichste Stadt Deutschlands“ stark gezuckt. Und war drauf und dran, als Dortmunder „Gelsenkirchen“ zu kommentieren. Gut, dass er es gelassen hat. Denn: Jeder Kommentar hilft den Betreibern solcher Gruppen. Mit unverfänglichen Namen wie „Schöne Sprüche“ oder „Sprüche für deinen Status“ setzen sie auf aggressive Expansion: Für sie gilt es nur allzu oft, über die so generierte Facebook-Reichweite neue Sekten oder „Kirchen“-Mitglieder einzufangen.

Massive Reichweite für Facebook-Gruppen durch Kommentare

Screenshot eines Facebook-Postings.
Unter harmlos klingenden Gruppennamen wie „Herzlichkeit & Sprüche“ finden sich nur allzu oft obskure religiöse Postings. (Screenshot)

Die bekannte Aufklärungsseite Mimikama hat in einem lesenswerten Beitrag den Ablauf solcher Aktionen skizziert:

  1. Man kommentiert einen der besagten Beiträge. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass der Beitrag im Feed der eigenen Freunde angezeigt wird. Dafür sorgt die Berücksichtigung der Aktivitäten in öffentlichen Gruppen durch den Facebook-Algorithmus.
  2. Durch den Kommentar unter einem Beitrag in der öffentlichen Gruppe „unterstellt“ der Algorithmus auch, dass man an ähnlich gelagerten Gruppen interessiert ist. Die Folge: Auch im eigenen Feed tauchen solche Gruppen-Beiträge immer häufiger auf.
  3. Durch diese Verknüpfungen erhöht sich die Reichweite der Beiträge und der Gruppen und es entsteht der aktuell besonders wahrnehmbare Lawinen-Effekt.

Gruppenbetreiber verfolgen obskure Ziele

So weit, so schlecht und man könnte es Facebook überlassen, mit dem nicht gerade neuem Comment Baiting umzugehen. Nur verfolgen die Betreiber besagter Gruppen abseits der immensen Reichweite auch konkrete Ziele. So kontaktieren sie kurzerhand Kommentierende mittels privater Nachrichten. Dann fackeln sie nicht lange, ihre wahren Absichten darzulegen: „Möge Gott Sie und Ihre Familie segnen!“, zitiert Mimikama einen solchen „Dialog“: „Heute Abend gibt es in der Facebook-Gruppe eine Predigt über Glauben und Leben und wie man die Wiederkunft des Herrn Jesus begrüßen kann. Ich denke, wenn Sie mitmachen, werden Sie eine Antwort bekommen, die Sie noch nie gehört haben. Möchten Sie daran teilnehmen?“

Und schon ist man in einem Gespräch mit Vertretern fragwürdiger religiöser Gruppen oder sonstigen Fundamentalisten. Vielleicht fällt einem auch dann erst auf, dass in einer dieser öffentlichen Gruppen, sagen wir mal bei „Sprüche und Grüße“, weitere, viel eindeutiger benannte Gruppen gefeatured werden. Die Gruppe „Glaubensbotschaften“ zum Beispiel oder die Gruppe „Betet Rosenkranz“. Unmerklich werden Nutzer so in eine Umgebung gelotst und mit einem Feed konfrontiert, in dem es immer stärker um religiöse Inhalte obskurer Herkunft geht.

Phishing-Attacken über private Nachrichten möglich

Das Ziel: Möglichst viele Freundschaftskontakte und Querverbindungen darauf abzuklopfen, ob sich Interessierte für die eigenen religiösen Angebote „abfischen“ lassen. Dabei ist die absehbare Kontaktaufnahme über private Nachrichten nicht ganz so banal wie es zunächst klingt. Gerade hier lauern auch gravierende Phishing-Gefahren. Ein Klick auf einen unverdächtigen Link und das Unheil nimmt seinen Lauf … Massen-Attacken wie „Bist du das in dem Video?“ lassen grüßen.

Unser Tipp: Finger weg von solchen Postings! Man verhilft sonst dubiosen Facebook-Gruppen und ihren Betreibern nicht nur zu einer immensen Reichweite, sondern so womöglich auch religiösen Fundamentalisten oder gar Sekten zum Einzug in Freundeslisten und gefährlichen Kontaktaufnahmen! Und natürlich sollte man auch bei Links, die in diesen Gruppen gepostet werden, allerhöchste Vorsicht walten lassen.
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