Die zweite Woche im von Corona erzwungenen Home-Office beginnt. Noch sind alle gesund. Die jüngsten, ausdrücklich sinnvollen Ausgangsbeschränkungen erzeugen eine leicht apokalyptische Atmosphäre auf den Straßen. Im achten Teil unserer Home-Office-Chroniken berichtet René von seinen Abenteuern am heimischen Schreibtisch.
Wie jeden Morgen starte ich mit Buch und Kaffee in den Tag. Erst heute fällt mir auf, dass die Wahl meiner derzeitigen Lektüre in Anbetracht der aktuellen Situation etwas merkwürdig anmutet. Metro 2033 von Dmitry Glokhovsky. Die Welt liegt nach einem Krieg in Schutt und Asche. Auch Moskau ist eine Geisterstadt und die letzten überlebenden Menschen haben sich in die Tiefen des Metro-Netzes zurückgezogen. Na ja, wenigstens geht es nicht um ein Killervirus.
Der Tag startet hektischer, als gedacht
Mit dem zweiten Kaffee im Gepäck will ich noch etwas mit Anja im Wohnzimmer plaudern, bevor es richtig los geht. Sie ist aber bereits hyperaktiv und drückt mir direkt ihr Laptop in die Hand. „Hier, lies!“ Ich lese ihren Home-Office-Blog, den sie am Wochenende verfasst hat. Lieblingsstelle: „…mal sehen wie der Soundtrack des Tages ist. Der Shuffle-Modus startet mit Don’t fear the Reaper. Okay. Etwas gruselig.“ Später ist bestimmt immer noch Zeit, ein wenig zu plaudern.
Inzwischen ist es 10 Uhr, offizieller Arbeitsbeginn. Der obligatorische Blick in die E-Mails und das Projektmanagement-Tool offenbart ein überschaubares Bild. Jetzt zahlt sich aus, dass ich etwas Arbeit mit ins Wochenende genommen habe. Ein abgesagter Call. Sehr gut, damit bleibt mir mehr Zeit für unsere neue Webseite. Anja koordiniert derweil unser Team und übernimmt anschließend die erste Runde mit dem Hund.
Gedanken an Tee aus unterirdischen U-Bahn-Pilzen
10.30 Uhr: Mist, die erste Kanne Kaffee ist schon leer. Wann ist das nur passiert? Ich sorge für Nachschub. Während der Kaffee durchläuft, muss ich an den jungen Protagonisten Artjom aus meinem morgendlichen Roman denken. In seiner postapokalyptischen U-Bahn-Gesellschaft gibt es nahezu keinen Kaffee mehr. Stattdessen trinken die Menschen Tee, der aus unterirdisch wachsenden Pilzen gewonnen wird. Klingt nicht gerade lecker. Ich schaue zur letzten Kaffee-Packung im offenen Küchenregal. Zum Glück können wir trotz Ausgangsbeschränkungen immer noch in den Supermarkt gehen und müssen uns nicht mit Tee aus unterirdischen U-Bahn-Pilzen behelfen.
11.30 Uhr: Volontärin beschwert sich, dass Facebook mal wieder ärgert. Einige der Mehrsprachenfunktionen wurden verändert. Und das nicht zum Guten. Hoffen wir mal, dass das nur vorübergehend so bleibt, wie es gerade ist. Wenigstens war es kein unlösbares Problem. Es hat aber meine gewonnene Zeit vom Wochenende um eine halbe Stunde schrumpfen lassen. Manche Dinge ändern sich auch im von Corona erzwungenen Home-Office nicht.
Arbeiten für die Zeit nach Corona
Ab 12 Uhr geht es endlich an die neue Webseite. Da ich bereits seit einigen Tagen daran arbeite und ich mich schon ganz gut in unser neues WordPress-Theme eingefunden habe – das übrigens wirklich super ist – freue ich mich richtig darauf. Wenn sich die Lage erst wieder normalisiert hat, soll die Internetseite in neuem Glanze erstrahlen.
Während ich alte Fotos für unser neues Projekt-Portfolio durchforste, bleibe ich bei den Fotos von unseren Rock-Hard-Festival-Einsätzen hängen. Ich muss an meine Freunde denken, die im Musik- und Event-Bereich ihren Lebensunterhalt bestreiten. Für sie sind das gerade sehr schwere Zeiten. Ich hoffe, alle überstehen das unbeschadet.
Um 15 Uhr fällt mir auf, dass ich vergessen habe zu frühstücken. Ok, Zeit für eine Pause und das aufgeschobene Pläuschchen mit Anja.
Ganz im Trend: Teamabsprachen per Videokonferenz
Wieder am Schreibtisch widme ich mich erst einmal dem Thema Videokonferenz. Nach einer Woche Home-Office wird der Nachteil fehlender Absprachen von Angesicht zu Angesicht immer deutlicher. Anja und ich wollen das per Videochat auffangen. Also Skype-Account aktiviert und eine Testkonferenz gestartet. Alles klar, das sollte funktionieren. Das Team wird per WhatsApp informiert. Dort scheint die größte Sorge zu sein, dass es per Video stattfinden soll. So lange es nur das ist…
Was würden wir gerade nur ohne all diese Online-Dienste anfangen? Kurz muss ich an die postapokalyptische U-Bahn-Gesellschaft denken. Je nach Station ist dort nicht einmal elektrisches Licht vorhanden, von Internet ganz zu schweigen. Der Hund holt mich ins Hier und Jetzt zurück. Es ist Gassi-Zeit.
Es ist fast geschafft
Zurück in den heimischen vier Wänden, den Gefahren der Pandemie getrotzt, geht es noch einmal kurz an den Schreibtisch. Als ich den Laptop schließe, überlege ich, ob ich den Tag nicht mit einem Bad ausklingen lassen soll. Das wäre die ideale Gelegenheit, weiterzulesen. Was wohl den jungen Artjom erwartet, wenn er zum ersten Mal in seinem Leben hinaus an die Oberfläche des zerstörten Moskaus geht? Gefährlicher als mein Gassi-Gang wird es sicher.
Fotos: Marina Chigheliman, René Bogdanski
Teaserfoto: Getmilitaryphotos/Adobe Stock
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WICHTIG!
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