Lauschangriffe, türkische Bürgerproteste und Flutkatastrophen beherrschten den Juni so stark, dass wenig Raum für andere Meldungen bliebt. Damit wir den Spätfrühling nicht gänzlich in schlechter Erinnerung behalten – hier noch weitere Highlights aus einem ereignisreichen Juni.

Grüne Schrift mit den Worten "Juni 2013" auf gelbem Grund.

Yes, We sCan – Was mit einer durchschnittlich interessanten Meldung über NSA-Überwachungen begann, weitete sich im Laufe des Montas zu einer ausgewachsenen Orwell-Hysterie aus. Im Zentrum steht der (wohl jetzt Ex)-Geheimdienst Mitarbeiter Edward Snowden und das Abhörprogramm Prism. Und während wir nun sehr viel über die Arbeit von Geheimdiensten lernen, täglich neue Debatten zur Ethik des Datensammelns begrüßen dürfen, Politiker sich über vermeintliche Freunde echauffieren, Datenkraken sich als die Guten stilisieren und das ganze Thema zu unübersichtlich wird, kehrt immer wieder die gleiche Frage zurück: Dachten wir uns das nicht schon immer?

#Neuland – Trifft sich gut, dass Obama dann mal vorbeischaut und etwas Schönwetter macht. Von Merkel konnte Mr.President relativierende Worte erwarten: Laut Angela ist das Internet nämlich immer noch Neuland für uns – und die bunte Mischung an Reaktionen macht es einem schwer, diese Beschreibung gänzlich kopfschüttelnd zu belächeln. Die Wortwahl der gestammelt verschachtelten Passage legt aber vielleicht Neuland in der Interpretation frei: Wer ist genau mit „Feind […] unserer demokratischen Grundordnung“ gemeint und an welche „Art zu Leben“ denkt die First Angela da genau?

Das Internet ist für uns alle Neuland und es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung natürlich, mit völlig neuen Möglichkeiten, mit völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu Leben in Gefahr zu bringen.

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Social Media Flut – Das Hochwasser in Sachsen, Bayern und Teilen Norddeutschlands wurde für die sozialen Netzwerke zu einer bestandenen Reifeprüfung: Evakuierungsmaßnahmen, Pegelstände oder Verkehrsinfos wurden über Twitter verbreitet; auf Facebook eruierten zahlreiche Pages, wo Helfer gebraucht werden und wer welche Hilfe anbieten kann; auf Google Maps wurden viele Krisenzonen kartographiert und mit nützlichen Informationen versehen; und YouTube machte die Katastrophe auch visuell greifbar. Wenn es drauf ankommt, ist die Netzwelt dann scheinbar doch kein #Neuland für seine Bewohner.

Georgina posing at Katastrophen – Hochwasser, die Zweite! Ein kleines Lehrstück aus der Abteilung „Doof auf großer Fahrt!“: Die zurecht geschundene Z-Prominente Georgina Fleur leidet wie viele andere Unbedeutende an Mediarrhoe – einem medial ausgelebten Aufmerksamkeitsdefizit. Wozu das führen kann: Während Flutbetroffene eifrig Säcke befüllen und stapeln, posiert die Minimalrelevante auf selbigen Sandschläuchen – und auf Twitter. Wie gut das ankam, kann man sich denken. Jedenfalls kann sie sich nun über ein eigenes Mem im klassischen Stile freuen: georginaposingatkatastrophen.tumblr.com

Staatsfeind Twitter – Türkeis Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan muss in schrecklicher Angst leben: Soziale Medien sind für ihn die größte Bedrohung der Gesellschaft. Diese Angst führt nicht nur dazu, dass Twitter-User ohne Tatbestand verhaftet werden: Die türkische Regierung arbeitet daran, die Verhaftungen durch neue Regulierungen legitim zu machen und Twitter einer nationalen Kontrolle zu unterwerfen. Und während die türkischen Medien statt der Proteste lieber Pinguin-Dokus zeigten, übernahmen die sozialen Netzwerke deren Arbeit und zeigten, was Papa Erdoğan lieber nur einseitig interpretiert sehen wollte. Ja, das kann einem schon Angst einjagen.

Zwitschern im Überwachungsstadl – Wer autoritäre Meinungskontrolle sucht, muss aber nicht in den fernen Orient reisen – das können wir auch. Weil Sicherheitsstellen wegen eines Tweets einer bayerischen Ärztin befürchteten, dass der Landesjustizministerin Merk auf einer öffentlichen Veranstaltung unangenehme Fragen gestellt werden könnten, schickte man der twitternden Medizinerin die Polizei ins Haus. Die Beamten wussten selbst nicht genau, was sie machen sollen; die Ärztin bot den hilflosen Helfern in Uniform an, den Tweet zu löschen – womit der Fall dann erledigt war. Statt den holperigen Einschüchterungsversuch zu erklären, liefert die Münchner Polizei wilde Ausflüchte. Erdoğan sprach bei Twitterern von Provokateuren – und Bayern zeigt, dass die Türkei vielleicht doch schon reif für Europa ist.

Googles Gedächtnis – Muss Google Links auf Inhalte löschen, weil Menschen durch peinliche Informationen hinter den Links ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sehen? Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verneint dies mit der Begründung, dass Google nicht für die Inhalte der verlinkten Beiträge verantwortlich ist. Die Befürchtung, dass die kürzlichen Erfolge des Persönlichkeitsschutzes (Autocomplete-Urteil) damit wieder geschmälert würden, ist jedoch unbegründet: Falsche, irreführende oder verleumderische Angaben müssen weiterhin vom Suchmaschinen-Primus entfernt werden.

Street-View für alle – Google, die Zweite: Street-View-Aufnahmen von abgelegenen Orten, wo kein Google-Mobil hinkommt! Das ist die Idee hinter dem Kamera-Rucksack Trekker, welchen Google an User verleiht, um eigene Routen aufzunehmen. Das Projekt ist aber nicht nur für Wanderer oder Off-Road-Fans gedacht: Auch Universitäten, Non-Profit-Organisationen und Fremdenverkehrsämter sollen für die Leihrucksäcke begeistert werden (Bewerbungen hier). Was Google übrigens nicht offen bewerben: Dass der 15-Kamera-Rucksack mit knapp 20 Kilo (42 Pfund) ganz gut ins Konditions-Kontor des Trägers schlagen dürfte.

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Instagram goes Vine – Twitters Video-App Vine läuft bemerkenswert gut. Grund genug auf den Zug aufzuspringen, dachten sich wohl die Entwickler bei Facebooks Instagram und veröffentlichten die Video-Funktion für den Bilderdienst. Und obwohl durch Vine bereits Erfahrungen gesammelt werden konnten, fragen sich nun Journalisten, Marketingmenschen und Promis, wie die best practice wohl aussehen kann. Ausgerechnet die trendbewußten Pop-Stars machen dabei zum Teil eine beklemmend peinliche Figur.

Facebook goes Hashtag – Der Netzwerk-Primus holt sich gerne Ideen bei Twitter: Erst Instagram Video, und nun auch das Taggen via Hashtag. Damit ist es nun auch auf Facebook möglich, im Zeichen des Doppelkreuz Stichworte und Suchbegriffe hervorzuheben. Ein weiteres Beispiel dafür, dass das soziale Netzwerk immer recht spät auf Dinge reagiert, die auf anderen Plattformen längst gelebte Realität sind. Bleibt zu hoffen, dass für Marketingzwecke noch nachgearbeitet wird, denn: Die Hashtag-Suche umfasst nicht alle Bereiche von Facebook.

Siegreicher Aufschrei – Auch ohne Facebook-Hashtag hat es die #Aufschrei-Initiative zum Erfolg geschafft. Auch wenn die einlaufenden Posts mittlerweile etwas sehr beliebig werden, ehrt der Grimme Online Award die Kampagne mit seinem Preis. Gratulation!

Uschi Müller-Landflut geht duschen – Und zum Abschluß: Ein bundesweit bekannter TV-Metzger aus Köln hat einen Duschkopf auf den Markt gebracht. Für den YouTube-Werbeclip hat sich Raabs ESC-Zofe Meyer-Landrut nass gemacht. Gossip-gerecht darf die Ex-Europameisterin im Trällern auch noch ihr neues Ink zeigen – klar, die Hannoveranerin ist FC-Fan (#gähn). Am Ende des Clips passiert, was wir vielleicht noch erleben dürfen: Das ganze wird zum Boomerang und gibt ihr kernig Einen von hinten mit. Hooray for douches!!!

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2 Kommentare zu “Staatsfeind Twitter und der große Lauschangriff – Monatsrückblick Juni”

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