Wer von einem neuen Trend auf TikTok hört, vermutet oft sofort Lebensgefährliches. Davon ist die aktuell auffälligste Bewegung zwar weit entfernt: Deinfluencing stellt einige Creators aber trotzdem vor existenzielle Fragen.

Deinfluencing-Hashtag: Vom Kauf wird abgeraten

In den letzten Wochen haben immer mehr Influencer:innen Clips unter dem Hashtag Deinfluencing gepostet. In den Videos wird dann explizit vom Kauf bestimmter Produkte abgeraten. Hauptsächlich geht es dabei um Kosmetik- oder Gesundheitsprodukte. Diese wurden zuvor – wer hätte das gedacht – von anderen Influencer:innen auf TikTok noch lautstark angepriesen. Für viele Nutzer offenbar zu laut und unbegründet. Jetzt wird einem an jeder Ecke erzählt, was man nicht kaufen soll.

Beim #Deinfluencing wird der Spieß also einfach umgedreht. „Zu teuer“, „Miserable Qualität für den Preis“ oder „Kann man woanders billiger haben“, heißt es da. Die entsprechend getaggten Clips, in denen neben dem Kauf von Lockenstäben, von ausgesuchten Büchern und anderen Objekten abgeraten wird, haben besagten Trend kreiert. Die unter dem Hashtag veröffentlichten Videos wurden bis jetzt: über 223 Millionen Mal abgerufen (Stand 23. Februar 2023). Das ist selbst für TikTok, der Trend-Maschine schlechthin, bemerkenswert.

Die TikTokerin Alyssa Kromelis erreichte mit diesem Deinfluencing-Video knackige 5,5 Millionen Aufrufe und über 800.000 Likes. Quelle: TikTok)

Auslöser für Deinfluencing war Influencer-„Skandal“

Ausgelöst wurde der neue Trend vom sogenannten „Mascara Gate“. Der Influencerin Mikayla Nogueira wurde vorgeworfen, in einem Video ein Mascara beworben zu haben, während sie falsche Wimpern trug. Sie habe so ihre Follower unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Kauf des Produkts animiert, hieß es. Seitdem gibt es kein Halten mehr. Die TikTokerin Alyssa Kromelis erreichte zuletzt mit einem Deinfluencing-Video, in dem sie günstige und lohnenswerte Alternativen zu einigen Luxus-Produkten vorstellte, knackige 5,5 Millionen Aufrufe und über 800.000 Likes (Stand 23 Februar 2023).

Während Influencer also versuchen, Produkte als ein Must-have zu präsentieren, haben es sich die „Deinfluencer“ zur Aufgabe gemacht, die vielfach beworbenen Artikel auf Schwachstellen abzuklopfen. Es liegt auf der Hand, dass sich viele Creators davon nicht nur neue oder erhöhte Aufmerksamkeit versprechen. Es geht vor allem auch um Authentizität. Wer sich traut, „zuzugeben“, dass einem dieses oder jenes Produkt nicht gefällt, wird zunächst als ehrlich wahrgenommen. Ehrlicher als der Standard-Influencer jedenfalls. Ein paar konsum- und luxuskritische Zeilen zum Video und schon ist man Teil des Trends, der sich nur allzu gerne über prätentiöse Aufklärung profiliert.

Mögliche Gefahr für etablierte Marken

Bei dem einen oder anderen Unternehmen der Lifestyle-, Beauty- und Gesundheitsbranchen dürften aufgrund der hohen Abrufzahlen von Deinfluencer-Videos die Alarmglocken geläutet haben. Es ist sicher zu früh für eine belastbare Einschätzung, aber eine mögliche Gefahr für etablierte Marken, die zuletzt verstärkt auf die Influencer-Werbung gesetzt haben, ist nicht auszuschließen.

„Kaufe nicht alles, was du hier siehst“. empfiehlt Valeria Fride in ihrem Deinfluencing-Video. Rund 1,4 Mio. mal wurde es bis jetzt abgerufen (Stand: 23. Februar 2023; Quelle: TikTok)

Das ironische Dilemma ist jedenfalls offensichtlich. Ob sich jemand als Influencer oder Deinfluencer präsentiert – immer geht es um Beeinflussung. Letztendlich kann ein Video, in dem ein Produkt als lohnenswert angepriesen wird, für genauso viel Empörung sorgen wie eines, in dem über ein Produkt hergezogen wird. Das ungehemmte Bashing eines Lidschattens kann genauso oberflächlich sein wie die völlig kritiklose Lobpreisung einer Gesichtscreme. Eines bleibt: Die Zuschauer sollen zu bestimmten Handlungen motiviert, also beeinflusst werden.

To influence or to deinfluence – that is the question

Und so hat der neue Trend für Influencer seine Tücken: Sollte ich zugunsten größerer Sichtbarkeit und (angeblicher) Authentizität auf den Trend aufspringen und dadurch riskieren, zahlende Markenpartner zu vergraulen? Oder belasse ich lieber alles beim Alten und hoffe, dass sich der Trend bald totläuft? TikTok selbst hält sich da jedenfalls raus. Hier kann man von einem Clip, der vom Kauf eines Plüschstirnbands abrät, zufällig direkt zum nächsten Video scrollen, in dem einer auf Plüschstirnbänder schwört. Und so müssen User und Influencer jeweils für sich selbst entscheiden, was sie aus diesem Trend machen.

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