Die Präsidentschaftskandidaten stehen noch gar nicht fest, doch der mediale Lärm der US-Vorwahlen ist schon auf dem ganzen Planeten zu hören. Dafür gibt es diverse Erklärungen. Aber es steht außer Frage, dass die Kampagnen der letzten vier Aspiranten dafür mitverantwortlich sind. Selten haben sich die Kandidaten so unterschieden und polarisiert, wie in diesem Wahlkampf. Das spiegelt sich besonders in den Marketingansätzen, die Bernie Sanders, Donald Trump, Hillary Clinton und Ted Cruz verfolgen. Ein kleiner Überblick.

It’s a Brand

elephDer angelsächsische Ansatz politischer Kommunikation orientierte sich immer schon an allgemeinen Grundsätzen der Vermarktung. In einer Gesellschaft, deren Alltag von Strukturen und Gewohnheiten des Konsums durchzogen ist, muss man den Menschen das anbieten, was sie kennen. Und egal worum es sich dabei handelt, es wird wie ein Produkt verkauft. Was liegt da näher, als die Kandidaten zu Brands zu machen. Marken mit Qualitäten und Eigenschaften, für die sie stehen. Marken, die um das Vertrauen des Kunden/Wählers buhlen. Marken, deren Marktwert mit jeder Kommunikation steigen oder fallen kann. Marken, die das Potenzial haben, Kunden, Kritiker und Evangelisten zu kreieren.

donkeyEgal ob Bernie Sanders, Donald Trump, Hillary Clinton oder Ted Cruz: Jeder, der jetzt noch kampfstarken Kandidaten, verfolgt schwerpunktmäßig eine andere Strategie, was sich natürlich auch in den Methoden bemerkbar macht. Interessanterweise spiegeln sich darin auch charakterliche Eigenschaften, die wir nach der jetzigen Erfahrung den verschiedenen Köpfen (mehr oder weniger zurecht) zuschreiben können.

Donald Trump – Mr. Earned Media

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Wann haben Sie das letzte Mal Ihren (beliebigen) Newsfeed durchscrollt oder über die favorisierten Nachrichtenseiten gesurft und keine Meldung zu Donald Trump gefunden? Er ist omnipräsent – und das auch noch für lau: MediaQuant haben berechnet, dass Trump mittlerweile Medienpräsenz im Wert von 1,8 Mrd. Dollar erreicht hat. Mehr als alle anderen. Auf der anderen Seite stehen 10 Mio. Dollar an Werbeausgaben, womit der Mann mit dem blonden Fifi noch weit hinter allen anderen, auch ausgeschiedenen Kandidaten liegt.

Trumps Strategie lautet Earned Media – so lange Randale machen, bis unaufhörlich berichtet wird. Oberflächlich betrachtet ist der orangehäutige Rüpel ein lebendes Plädoyer gegen Populismus in der Politik. Man muss seinem offensiven Medienhabitus jedoch zugestehen, dass er genau weiß, was eine Schlagzeile ausmacht. Leider wird damit auch der Beweis dafür ins Feld geführt, dass der heutige Nachrichtenjournalismus oftmals nur ein pawlowscher Reflex ist. Seine egozentrische Selbstdarstellung, die er bereits seit Jahrzehnten in der Öffentlichkeit zelebriert, ist der lebendige Kern seiner Kampagne. Und das verschaffte ihm bereits mehr Medienminuten, als alle anderen Kandidaten zusammen haben. Das würde nicht funktionieren, wenn er nicht bereits ein Brand wäre. Pompös und viril inszeniert, ohne großen Kontext zitierbar und in großen, goldenen Buchstaben. Aber reicht die maximale, mediale Aufmerksamkeit aus oder übersieht der unsympathische Lautsprecher mögliche Konsequenzen?

Bernie Sanders – Der Crowdsourcer

US-Vorwahlen

Jon Stewart, Legende der politischen Comedy, hat über Sanders treffend gesagt: „Wir haben uns so an bühnen- und mediengeschulte, Zielgruppen-orientierte Kandidaten gewöhnt, dass uns Authentizität wie Geisteskrankheit vorkommt.“ Und hier kommt Sanders treibender Motor ins Spiel: Seine Crowd.

Sein Idealismus und seine Botschaft der sozialen Gerechtigkeit, sind der weiße Gegenentwurf zur rassistisch und größenwahnsinnig geprägten Geisteshaltung eines Donald Trump. Und das produziert nicht bloß Anhänger, sondern Marken-Evangelisten.

Der deutlichste Beweis für seine Legitimation als Underdog des Volkes: Ganz ohne Super PACs, also das Gros der Kampagnenfinanzierung durch Spendengelder aus der Wirtschaft und Lobbygruppen, konnte Sanders mehr Gelder einsammeln, als seine demokratische Kontrahentin Hillary Clinton – und das überwiegend aus Klein- und Kleinstspenden. Clintons größter Spender ist eine Bank – Sandes größter Spender ist eine Gewerkschaft. Das unterstreicht seinen Markenkern, kein käuflicher Liebling der Großbanken zu sein, sondern Politik für das Volk machen zu wollen: This campaign is not about me, it is about you.

US-VorwahlenDass Sanders Earned Media einem verlängerten Arm seiner Kampagne gleicht, ist dem Umstand zu verdanken, dass der Mann aus Brooklyn der Liberale Kandidat ist, den auch die unzähligen bürgerlichen Initiativen, NGOs und linksliberalen Nachrichten- und Infoportale wollen. Hinzu kommen zahlreiche Prominente und bekannte Journalisten, welche nicht nur energischer sind als die gängigen Celebrity Supporter, sondern es schaffen, als Influencer echte Inhalte zu transportieren. Und das Netz seiner Crowdworker endet nicht dort.

Auf Reddit organisierte sich die lose Gruppe Coders for Sanders (Programmierer für Sanders), welche unabhängig von der offiziellen Kampagne verschiedene digitale Info-Angebote herausgeben – darunter auch das Flagschiff FeelTheBern.org. Und Apropos Reddit: Die größte Subcommunity heißt SandersForPresident und umfasst mehr als 230.000 Mitglieder. Und das sind über 230.000 Leute, die mit Spendensammeln, Telefondiensten und Nachrichten-Board eine logistische Arbeit leisten, die kein Politiker zuvor in seinem Kampagnen-Portfolio hatte. Das macht Bernie Sanders zu unserem Mr. Crowdsourcing.

Hillary Clinton – Social Media-Kontrollfreak

US-VorwahlenDonald Trump mag unter den Kandidaten die meisten Follower haben – was vielleicht auch einiges über seinen Unterhaltungswert sagt. Aber Hillary Clinton ist die unangefochtene Social Media-Queen. Ihre Kampagne erinnert manche Beobachter an ein New Media Startup. Eine kleine Armee an Mitarbeitern produziert laufend Content, Meldungen und Videos. Gemanaged wird die Content-Schmiede von einem Team aus Audience Developern – ähnlich dem Konzept von BuzzFeed – das sich um Storyentwicklung, Strategie und Distribution kümmert. Ihr Blog-Team Feed produziert noch mehr Content, stellt Trivia-Quiz‘ ein oder erstellt GIFs von Auftritten in Talk-Shows. Und ein Super PAC eines ehemaligen Attack-Dog kümmert sich sogar gezielt um Trolle – nicht nur der Republikaner, sondern auch der „eigenen“, nicht-trolligen Leute auf Seiten Sanders.

Clintons massives Social Media-Regiment wird geführt von Teddy Goff, der bereits unter Obama die digitale Kommunikation leitete. Goffs Worte erlauben einen kleinen Blick hinter die Kulissen.

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Aber Clinton nutzt Soziale Netzwerke nicht nur zur Distribution von Inhalten. Sie adressiert gezielt hohe Interessenvertreter und Entscheider aus der Business-Welt. Beispielsweise ist sie bis dato die Einzige im Rennen, die auch LinkedIn mit eigenem, originären Content bespielt. Es gibt zwar Beobachter, die sich über ihr Profil lustig machen, weil Clinton dort auch angibt Großmutter, Hundeliebhaberin und Hosenanzug-Trägerin zu sein. Aber diese Leute verkennen die Arbeit ihrer Audience Developer, welche die Interessen der demographischesn Gruppen nachweislich besser kennen. Clintons Kampagne ist schlicht eine perfekt geölte Social Media- und Online-Marketing-Maschine. Kontrollfreak in Chief?

US-VorwahlenTed Cruz – Schnüffel-App und Doppelstrategie

Cruz‘ politische Ansichten scheinen manchmal direkt dem Mittelalter zu entspringen – das passt zur Wertschätzung seiner Anhänger. Bernie Sanders hat seine Programmierer, die zahlreiche Info-Apps erstellen. Ted Cruz ist dagegen der einzige Kandidat im Rennen, der die App als nützliches Instrument für die Kampagne entdeckt hat. Nicht zwingend zum Wohle seiner Anhänger.

US-VorwahlenZwar liefert die App auch eine passive Info-Section mit Newsfeed, welche die Anhänger auf dem Laufenden hält. Aber der aktive Teil soll die Anhäger einspannen: Freunde können um die Wette werben und permanent die eigenen Ratings verfolgen. Die Schattenseite ist eine umfassende Survey-Section, die genaue Daten haben will und auch vor den Freunden der Nutzer nicht halt macht. Hinzu kommt, dass Cruz‘ Team in der Kritik steht, über die App auch auf den Smartphones der Nutzer rumzuschnüffeln, um noch detailliertere Daten zu erhalten.

Aber Cruz‘ Kampagne krankt an einem hausinternen Problem: Der Gegenkandidat der eigenen Partei. Die einzige Frage, die interessiert: Was will Cruz gegen die übermächtige Masse an Trumps Earned Media machen? Kampagnen Manager Chris Wilson beteuert, dass das Augenmerk auf der genauen Zielgruppenanalyse liegt und Content gezielt platziert wird. Das ist zwar keine Antwort auf Trumps Berichterstattung, könnte aber einem höheren Zweck dienen. Denn Cruz ist der einzige Republikaner, der intensives Data-Mining betreibt.

Trumps Rabauken-Strategie, Brand Building für immer mehr Aufmerksamkeit, half ihm wichtige Primaries zu gewinnen. Das heißt, er war primär nach vorne ausgerichtet. Zum Präsidentschaftskandidaten gewählt, wird man jedoch von den Delegierten. Dort hat Cruz die Nase vorn. Und das ist dem Hause Trump wohl so verzweifelt bewußt, dass Donalds Junior vor laufenden Kameras behauptet, Ted Cruz könne nicht gewinnen, ohne Delegierte zu bestechen. Eines ist klar: Unter einem Präsidenten Cruz dürfte sich die NSA über Budget-Erhöhungen freuen.

 

Karikaturen und Titelbild: Donkey Hotey (CC BY-SA 2.0)

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