Das neue Jahr ist bereits zwei Wochen alt, aber so schnell wollen wir uns noch nicht von 2016 verabschieden. Denn im Dezember war nicht viel von Jahresabschlussstimmung zu merken – im Gegenteil: Viele Veränderungen in Unternehmen und juristische Unsicherheiten. Von falschen Rezensionen, über hellhörige Smart-Devices, dummen Bots, veralteten Algorithmen bis hin zu den unterwürfigen CEOs des Silicon Valley. Bitte schön, das letzte Stück 2016 – der Dezember.

#Amazon – Frühjahrsputz im Winter

Ausgerechnet vor dem großen Weihnachtsgeschäft, geht Amazon dem eigenen Bewertungssystem an den Kragen – aus gutem Grund. Wie eine Analyse der Bewertungen ergab, wären viele Kundenkommentare „anreizbasiert“, das heißt: Kunden geben, im Gegenzug für Boni und Rabatte, positive Bewertungen. Amazon habe daher bereits an die 500k Rezensionen gelöscht und stellt klar, dass dieser Duktus gegen die Richtlinien verstoße – außer natürlich bei eigenen Produkten, die beispielsweise bei „Amazon Vine“ kostenfrei zum Test angeboten werden.

screenshot-{domain}-{date}-{time}#Twitter – Live aus dem Vogelhaus

Der Streaming-Trend ist kein neuer Gast im Twitterversum. Eigentlich war der Kurznachrichtendienst sogar der erst Anbieter eines echten, viralen Live-Streaming-Features: Als Twitter Periscope Anfang 2015 einkaufte, versuchte man jedoch, so wie Facebook mit Instagram, die App eigenständig zu lassen. Das ging daneben, denn mittlerweile ist die Streaming-App in den Charts nicht mal mehr unter den 400 relevantesten Anwendungen. Das Vogelhaus machte im Dezember dann aus einer Not eine Tugend und integrierte Periscope in die Twitter-App, was bedeutet: Ab jetzt kann man auch auf dem Zwitscherdienst Live-Videos tweeten, was unter dem Druck von Facebooks Streaming-Erfolg auch bitter nötig ist. Und das nächste Bonbon folgte direkt oben drauf: Die Live-Option gibt es direkt auch für 360° Videos. Und so wie wir das sehen, wird das auch schon ganz gut angenommen, von Privaten wie Werbetreibenden.

#Trumpistan – Mach schön Männchen, lieber CEO

Der neu gewählte Monarch der Vereinigten Staaten, König Donald der I., macht auf gütig-konstruktiven Herrscher und ludt die ganze Aristokratie der digitalen Ökonomie ein: Apples Tim Cook, Amazons Jeff Bezos, Microsofts Satya Nadella, Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk und Facebooks Sheryl Sandberg wohnten der güldenen Audienz bei und huldigtem dem neuen König. Wer nicht vertreten war: Twitter. Und das, wo es sich um König Donalds liebstes Spielzeug handelt – was wäre die royale Goldlocke ohne den Zwitscherdienst. Trumps Erklärung: Am Tisch war kein Platz mehr – für den Nachwuchs des Gold-Donald war allerdings Platz. Politico interpretieren die Situation allerdings so, dass Twitter im 5 Mio.-Werbepaket für Trumps Wahlkampagne es nicht zuließ, dass Schmäh-Emojis von Hillary Clinton installiert werden. Unglaublich, dass darüber wirklich ein Streit ausgebrochen ist, der im Übrigen auch noch nicht zuende ist – die Trump-Leute bleiben penetrant. Aber über die restlichen Rockstars des Silicon Valley wissen wir zumindest jetzt: Die können ganz toll Männchen machen.

#Microsoft – Bot oder Schrott?

Vielleicht erinnert sich noch jemand an Tay, Microsofts Chatbot-Testballon. Der KI wurde zum Verhängnis, dass sie allein aus Konversationen mit Menschen lernen wollte. Am Ende wurde Tay zum Rassisten und Sexisten. Viel scheint Microsoft nicht daraus gelernt zu haben, denn der neuer Chatbot, genannt Zo, ist auch nicht viel besser – zumindest nicht kompetenter. Es muss was mit der Sprache zu tun haben: Zo ist der zweite englischsprachige Bot und hat gerade mal 100k Follower. Zwei weitere Chatbot-Projekte des Hauses, Xiaoice und Rinna in China und Japan, sind da etwas erfolgreicher, haben 40 Mio. bzw. 25 Mio. Follower und sind bereits seit 2014 bzw. 2015 im Dauereinsatz. Vielleicht sind Menschen im Westen auch einfach zu grob und unzivilisiert für so eine zarte KI.

#AmazonEcho – Der digitale Kronzeuge

Ein Mord sorgt im Moment für eine Datenschutzdebatte der anderen Art: Im aktuellen Fall soll Amazon zur Aufklärung beitragen, in dem Übertragungsprotokolle von der Mordnacht offengelegt werden. Die smarte Lautsprecher-Device Echo könne, durch seine Alexa-Einheit, etwaige Beweismittel aufgezeichnet haben. In einem vergleichbaren Fall haben bereits diverse Smart-Devices geholfen, ein Verbrechen aufzuklären. Wenn jedoch offengelegt wird, was eventuell zur Aufklärung beitragen kann, wird auch offengelegt, was Amazon (und natürlich vergleichbare Anbieter) mit ihren Geräten alles speichern und verschicken. Amazon sagen bisher, dass nur Schnipsel durch die Spracherkennung wahrgenommen werden und man solle sich davon nichts erhoffen. Im aktuellen Fall kommt jedoch noch hinzu, dass AmazonEcho nicht die einzige IoT-Device im Haus war und dadurch noch mehr Kommunikationsdaten eine Rolle spielen können. The future is now.

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#imgur – Trolle suchen ein Zuhause

Der Bilder-„Dienst“ imgur ist allem voran ein Sammelbecken für Bilder. Keine High-Quality Aufnahmen wie bei flickr, sondern für gewöhnlich Memes, Gifs und trollige Texte – sozusagen eine Deponie für kurzweilige Lacheffekte. Hauptsächlich als Werkzeug von Nutzer solcher Plattformen wie 4chan oder reddit genutzt. Der Dienst will jetzt anscheinend wissen, wie stark seine Community wirklich ist und macht den ersten Schritt in Richtung Netzwerk: Nutzer können sich jetzt gegenseitig folgen und über neueste Uploads informieren. Dazu wird die Chat-Funktion auf die App ausgeweitet. Und selbst das Blockieren von unerwünschten Followern ist dabei. Dass sich dadurch etwas an der generellen Bedeutung von imgur verändert – unwahrscheinlich.

#reddit – Facelift für den Algorithmus

Bei reddit werden die beliebtesten Postings durch hoch- und runtervoten ermittelt. Dabei geht es nicht zwingend um die Menge der Votes. Es ist aber auch nicht nur die Differenz zwischen Up- und Down-Votes – es ist ungefähr so kompliziert wie dieses Gif rechts zeigt. Wie einer der Mitbegründer Christopher Slowe erklärte, wurde nun dieses Systems optimiert – indem der alte Algorithmus entrümpelt wurde. Denn wie es aussieht, sind einige der eigenen Regeln dafür verantwortlich, dass die Bewertungen verfälscht werden. Ein schönes Beispiel dafür, wie ein Soziales Netzwerk offen und transparent mit dem eigenen Funktionsapparat umgeht und sich eigene Fehler, in konstruktiver Weise, eingesteht. Das wäre woanders auch wünschenswert.

screenshot-www.studivz.net-2017-01-12-15-50-15#StudiVZ – Das Leben der Toten

Als StudiVZ 2007, vor dem großen Facebook-Boom, an den Holtzbrinck-Verlag ging, war dieser Verkauf noch 85 Mio. Euro wert. Studi-, Schüler- und MeinVZ wurden in jener Zeit zur Poolworks-Holding zusammengeschlossen. 2012 ging die Holding dann an den US-Investor Vert Capital, der auch andere „Kundennetzwerke“ im Portfolio hält. Nun geht Poolworks für 10 Mio. Dollar an das US-Unterhaltungsunternehmen MEG. Angeblich soll StudiVZ pro Monat noch etwas über eine Millionen Besuche verzeichnen. Äußerlich hat sich zumindest nichts geändert. Das Portal sieht immer noch nach Web 1.0 aus und wir fragen uns, wie lange man die Mumie noch beleben will, bevor ihre Einzelteile monetarisiert werden.

#Linkhaftung – Das Ende des Internets

Der Klagefall lautet so: A verlinkt auf B – auf B befindet sich ein urheberrechtswidrig verwendetes Bild – Urheber klagt nicht nur erfolgreich gegen B, sondern auch gegen A – Hamburger Gericht entscheidet, dass sich A ebenfalls eines Urheberrechtsbruchs schuldig gemacht hat. Die Netzgemeinde spricht bereits vom Ende des Internets – und da ist leider was dran. Das Hamburger Gericht bezog sich auf einen anderen Fall, in welchem der Linksetzer auf eine Seite verwies, wo offenkundig Urheberrechtsbruch begangen wurde. So, als ob man bewusst auf einen illegalen Download verlinkt. Nur war es in diesem Fall A nicht nachweisbar bewusst, noch möglich, zu sehen, dass ein kleines Element auf B nicht urheberrechtlich einwandfrei war. Und das ist der signifikante Unterschied. Auf Basis dieses Urteils müssten Google, Facebook und Twitter (ganz zu schweigen von den News-Aggregatoren) zukünftig milliardenfach auf Urheberrechtsbruch verklagt werden. Dass private Nutzer von Sozialen Netzen ausgenommen sind, ist nur ein schwacher trost. Wenn man eine gewerbliche Facebook-Seite betreibt, wird jede Aktion als werblich bewertet. Kein Fortschritt in Sachen Rechtssicherheit.

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#Jugendschutz – Britische Porno-Barriere

In Großbritannien diskutieren Politiker gerade einen neuen Gesetzentwurf für die Digitalwirtschaft. Danach bestehen ernste Pläne, Seiten, die pornografischen Content nicht in Gänze ausschließen können, eine Altersprüfung aufzuerlegen. Das betrifft unter den Major-Networks vor allem Twitter. Von Facebook und Instagram wissen wir ja, dass die bloße Andeutung von Nippeln zu Weltkriegs-ähnlichen Zuständen führen kann. Also dürfen sich die schützenswerten Minderjährigen in Zukunft weiter auf Hasskommentare, diskriminierende Darstellungen und Gewaltdokumentationen freuen – das ist kein Problem. Menschen im Urzustand, bei der Fortpflanzung spaßeshalber – schlecht, böse, pfui.

binoculars-1026425_1920#Botswatch – Gute Vorsätze

Mit dem Projekt botswatch hat ein Netzwerk aus Journalisten, Web-Entwicklern und Digitalstrategen einen guten Anfang gemacht: Die Seite dokumentiert zu bestimmten Events, wieviel Social-Media-Content von Bots stammt und wieviele künstliche Personen gerade in einer Debatte unterwegs sind. Dazu gibt es auch noch die Vergleichsansicht, wie es ohne aussähe. Leider, leider, leider ist das Projekt gerade mal etwas mehr als zwei Wochen im Einsatz gewesen, bevor es wieder still wurde. Wie es aussieht, geht auch dieser gute Ansatz, ähnlich algorithmwatch.org, bereits nach kurzer Zeit den Weg alles Irdischen. Vielleicht sollte man vor solchen Vorhaben auch mal durchkalkulieren, wer wie oft an diesem Projekt auch faktisch arbeiten kann. Mit Spenden ist es da nicht getan. Und vielleicht sollten solche Projekte auch vorher abklopfen, ob Partnerschaften mit öffentlichen Stellen möglich sind, damit eine gewisse Kontinuität gewährleistet wird.

#Filterblase – Nee, danke. Ich hab schon’ne Meinung.

Zum Abschluss noch ein Dankeschön an die Macher von Extra3, die mal wieder einen all zu treffenden Clip über ein Alltagsproblem unserer Netzwelt gemacht haben. Der fruchtbare Acker für Fake-News – die Filterblase.

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Artikelbild: Gratisography (CC0 License)

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