Willkommen im ersten Monatsrückblick unserer neuen Seite. Und da geht’s direkt gut los: Eine Gefühlsachterbahn von traurigen Meldungen und informativen Updates, bis zu erhellenden Hashtags und hoffnungsvollen Frühbildungen. Die Themen Fake-News und Hass-Kommentare stehen diesmal öfter im Fokus. Es ist einiges los. Also wie immer: Füße hoch und gute Unterhaltung. Der Montasrückblick Mai.
#StudiVZ – Es gruschelt im Karton
Eigentlich dachten 99 Prozent der Weltbevölkerung, StudiVZ sei längst tot. Doch die Meldung heißt: StudiVZ schließt Ende Juni 2020 und heißt danach offiziel –Trommelwirbel– „VZ“. Was ist neu? VZ wirbt mit „Wir lesen keine Nachrichten mit!“ und will sich auf Gruppen spezialisieren. Daher weht der Wind. Da wir schon viele Reaktivierungen von alten Netzwerken gesehen haben, warten wir erstmal ab und wünschen einfach viel Erfolg.
#JayJayJackpot – Nachruf
Bereits Mitte April verstarb die Youtuberin Janina-Dominique Buse überraschend mit nur 32 Jahren an Herzversagen. Den Meisten dürfte sie als „Erklär-Blondine“ mit ihrer Kunstfigur Jay Jay Jackpot bekannt gewesen sein. Eine menschlichen Tragödie und sie wird im Social-Web fehlen. Ihre Rolle war unterhaltsam, polarisierte nie und war trotzdem immer auch so etwas wie eine satirische Selbstreferenz der digitalen Medienbranche.
#Frankreich – Gesetz gegen Hass
Unsere westlichen Nachbarn haben jetzt auch ein Gesetz gegen Hasskommentare in Online-Medien verabschiedet. Vorlage sei dabei unser Netzwerkdurchsetzungsgesetz gewesen. Der Unterschied zu Deutschland: Hasskommentare sind vorher in Frankreich so gut wie gar nicht verfolgt worden. Das heißt, unsere Nachbarn gehen von 0 auf 100. Na da sagen wir mal: Bonchance!
#Blockchain – Europa im Dornröschenschlaf?
Ist die europäische Finanzpolitik zu Scheu vor Entwicklungen? Ein aktuelles Infopapier des bitkom legt das nahe. Während andere Zentralbanken weltweit bereits mit digitalen Währungen und der Blockchain experimentieren, fehlen in Deutschland und Europa noch Konzepte. Überall gäbe es bereits Projekte, nur wir verkennen, welche Position wir einnehmen könnten. Wer tiefer einsteigen möchte, >>hier<< geht’s lang.
#AnneFrank – Video-Tagebuch gegen das Vergessen
Leider ist auch diese Geschichte (verständlicherweise) der Aufmerksamkeit für die Pandemie anheim gefallen. Das müssen wir hiermit nachholen: Am 15. April jährte sich zum 75. Mal die Befreiung des KZs Bergen-Belsen. Zwei Monate zuvor starb eine der bekanntesten Gefangenen: Anne Frank.
Das Anne Frank Haus hat aus diesem Anlass Ende März ein bemerkenswertes Video-Tagebuch auf YouTube gestartet. Und da Antisemitismus auch lange nach der Shoa immer noch ein Alltagsproblem ist, können Projekte wie dieses gar nicht hoch genug geschätzt werden. Teilen. Teilen. Teilen.
#CIBreport – Anatomie der Manipulation
Wen Fake-News und Missbrauch der Social Media-Öffentlichkeit interessieren, dem legen wir die CIB-Reports von Facebook ans Herz (hier). In der Mai-Ausgabe gab es den Rückblick auf den April, und damit auch einen kleinen Rückblick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie. CIB steht für „koordiniertes, nicht authentisches Verhalten“ (coordinated inauthentic behavior) – und davon gibt es reichlich.
Die Ausbeute der im April gelöschten Objekte: 8 Netzwerke, 732 Facebook Accounts, 162 Instagram Accounts, 793 Seiten und 200 Gruppen. Obwohl die Objekte alle vor der Corona-Krise eingerichtet wurden, sollen sie sich alle der Pandemie bedient haben, um fragwürdige Informationen zu verbreiten.
#facetime – Sprich mit dem Aal
Heute lernen wir den Röhrenaal kennen. Und der scheue Bursche hat ein Problem: Durch Corona blieben dem Sumida-Aquarium in Tokyo natürlich die Besucher fern. Dadurch haben die kleinen Fische schlichtweg die Menschen vergessen, wurden wieder scheu und vergruben sich im Sand. So gestaltete sich die Gesundheitskontrolle für die Pfleger besonders schwierig. Also was tun?
Das Aquarium hatte eine geniale Idee und bat Fans und Besucher darum, vom 03. bis 05. Mai mit den Aalen zu facetimen. Richt. Video-Calls. Und das war wohl ein Erfolg: Sumida spricht bei Facebook von 200 Mio. Anrufen und Livezuschauern in den drei Tagen. Und offensichtlich lassen sich die Aale auch wieder blicken. Na ja, mit Hunden und Katzen funktioniert es ja auch.
#ElonMusk – “X Æ A-12, komm’ jetzt essen!”
Der Tesla-Chef ist so beeindruckend wie nervig. Jetzt ist Musk Vater geworden und man will eigentlich gratulieren. Aber dann hört man, wie er sein Kind nennen will: X Æ A-12. Die ähnlich verhaltensoriginelle Mutter schlüsselt den Namen, oder besser Code, auf – was es nicht wirklich besser macht (s.unten). Die kalifornischen Behörden haben sich zwischenzeitlich gemeldet und wenden ein: „Ne ne, José. Das ist kein zulässiger Name.“ Zu früh gefreut: Jetzt heißt das Kind X Æ A-XII, weil (so die Mutter) römische Zahlen cooler aussehen. Na, dann doch besser „Borussia“.
#PummelGegenHass – Gemeinsam gegen Body-Shaming
So sollten Hashtag-Kampagnen immer starten: Eine junge Frau wurde aufgrund ihrer Figur auf Twitter gemobbt. Da sprangen ihr andere Besucher des Vogelhauses bei und solidarisierten sich mit dem Shaming-Opfer. Noch am gleichen Tag setzte jemand ein Zeichen und kreierte mit #PummelGegenHass den Hashtag, unter dem hunderte User sich fraternisierend gegen Fat-Shaming aufstellten und ihre eigene Geschichte erzählten.
Dass es auch Idioten gab, die den Hashtag für weitere Diskriminierungen missbrauchten – geschenkt. Auffällig ist aber, dass der Hashtag bei Instagram kaum bis gar nicht trendete. 5 Postings, und die haben nicht mal was mit Fat-Shaming zu tun. Kann sich jetzt jeder seine eigenen Gedanken zu machen. 😉
#BGH – Kekse auf Planet49
Jetzt wird’s trocken, aber wichtig: 2013 entdeckte der Bundesverband Verbraucherzentrale einen Cookie-Disclaimer auf der Seite des Gewinnspielbetreibers Planet49, der den Haken bei der Zustimmung schon gesetzt hatte. Der Verband beanstandete das und zog dagegen vor das OLG Frankfurt/Main, welches 2015 dem Portal Recht gab. Die Verbraucherzentrale ging dann mit der Klage zum EuGH, welcher sich dann Anfang Oktober 2019 gegen das OLG-Urteil aussprach. Damit ging die Klage wieder zurück an die deutschen Gerichte.
Aufgrund einer Widerspruchslösung im deutschen Telemediengesetz (§ 15 Abs. 3 TMG) hätte es für den Gewinnspielebetreiber noch positiv ausgehen können. Doch Ende Mai folgte der BGH dann endgültig dem EuGH-Urteil, was bedeutet: Wenn wir auf einer Website nach Cookies gefragt werden, darf es keine Opt-out-Lösung geben. Außer dem Haken für die fundamentalen Funktionen, darf keine weitere Einwilligung voreingestellt sein. Nähere Erklärung zum Opt-out gibt’s >>hier<<.
#LanaDelRey – Was ist eine Karen?
Wisst ihr, was eine „Karen“ ist? Das Internet erklärt uns: Als „Karen“ werden vornehmlich weiße Amerikanerinen etikettiert, die sich beim kleinsten Unbehagen sofort den Geschäftsführer kommen lassen, dabei aggressiv auftreten, sich über das schwarze oder etnisch nicht kaukasisch-stämmige Personal auslassen. Natürlich folgt dann auch noch eine negative Bewertungen im Internet. Und wieso lernen wir das?
Lana del Rey, die medium-talentierte Chanteuse mit dem Flair einer 60er Jahr Heroin-Romantik, hat sich beschwert. Im Netz. Auf Instagram. Über Beyonce, Ariana Grande und Nicki Minaj. Warum, ist uns hier erstmal egal. Aber nun fragen sich Kritiker der Kalifornierin hämisch: Ist Del Rey eine Karen?
Und warum erklären wir das? Die „Kausa Karen“ geistert schon länger durchs Netz. Der Disput um Del Rey schaufelte diesen Sturm im Wasserglas lediglich in eine breite Öffentlichkeit. Aber das führt uns auch tief in den Fuchsbau moderner Begriffsdebatten. „Karen“ gilt nämlich mittlerweile auch als pauschales „N-Word“ gegen weiße Frauen. Und da beschweren sich keine stockkonservativen Neurechten. Die Kritik kommt aus der LGBTQ-Community. Und an der Stelle lassen wir euch mal mit der Debatte allein. Denn solche Begriffsdebatten haben allem voran zwei Merkmale: Sie sind lang und endlos. Wer mehr wissen will, findet in den über dreizehntausend Antworten auf den Ursprungstweet sicher etwas.
#Trump – Captain Cheeto erklärt den totalen Krieg
Angefangen hat alles relativ harmlos: Twitter kennzeichnet Falschinformationen. Bei der Meldung ging es noch vornehmlich um gestreut Gerüchte im Dunstkreis der Corona-Hysteriker. Aber dann kennzeichnete der Zwitscherdienst einen Tweet des amerikanischen Präsidenten – zurecht. Aber wir kennen ja sein Ego und so verwundert es nicht, dass er ein Dekret unterzeichnete, um Twitter und andere Dienste an der kurzen Leine zu führen. Wir gehen da mal nicht näher drauf ein, denn das wird sicher nicht der letzte Vorhang in dem Affentheater gewesen sein.
Aber man sollte zwei Sachen hervorheben: Twitter lassen sich nicht einschüchtern, verkünden, die Tweets des Präsidenten bei Falschinformationen weiter zu kennzeichnen, und legten direkt mit weiteren Kennzeichnungen nach. Die andere Sache: In der Zwischenzeit hatte Mark Zuckerberg nichts besseres zu tun, als sich indirekt unterwürfig aus der Affäre zu ziehen. Soziale Medien hätten in der politischen Kommunikation keine Schiedsrichterfunktion. Leider nichts Neues vom Facebook-Chef.
#FakeNews – Früh übt sich
Und zum Abschluss noch etwas, das Hoffnung machen könnte. Fake-News bekämpft man idealerweise dadurch, dass man überhaupt nicht anfällig für Falschmeldungen ist. Finnland zeigt schon länger, wie das gehen könnte. Dort lernen Kinder bereits mit 9 Jahren, dass man nicht alles glauben sollte, was man so hört.
Der Hintergrund ist etwas ernster: Finnland steht seit ewigen Zeiten unter permanenter Attacke durch Manipulationsversuche aus dem angrenzenden Russland. Da gehört es quasi zur Bürgerpflicht, sich mit dem Wahrheitsgehalt von Nachrichten auseinander zu setzen. Daran könnte es auch liegen, dass die rechtskonservative Regierung keine große Zukunft hatte, und die jetzige Regierung aus jungen, überwiegend weiblichen Politikern besteht, die sich durch Kompetenz und nicht durch Egos für den Job qualifizierten.
Artikelbild: Jean-Jacques Abalain (CC BY 2.0)