Die Ankündigung eines großen algorithmischen Umbaus kam genauso wenig überraschend wie die Reaktionen, welche von Panik und Nebelkerzen bis zu konstruktiven Beiträgen bereits alles Erwartbare geliefert haben. Uns beschleicht trotzdem das Gefühl, dass in den Köpfen noch nicht angekommen ist, was hinter den Änderungen am Newsfeed steckt. Seitenbetreiber wollen neue Antworten, stellen aber immer noch die alten Fragen. Wir werfen einen Blick auf die Aspekte, die wichtig für den Mentalitätswechsel sind.

Closer Together

Während Mark Zuckerberg auf Facebook das Hauptprogramm bestritt, informierte der News Feed-Chef Adam Mosseri auf der Sachebene über die Details der Updates. Nach der brachialen Reichweitensense klingen seine Worte nicht. Denn die Performance von Beiträgen im Newsfeed werde stark von der Art und Qualität des Contents abhängen. Und alles, was Engagement zwischen Freunden anfacht, solle weiterhin gute Chancen haben: “Pages whose posts prompt conversations between friends will see less of an effect.”

Das klingt zunächst nach den algorithmischen Mechanismen, die wir bereits kennen. Diese werden von Facebook immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass die Interaktion zwischen Freunden eine noch stärkere Gewichtung erhält. Das kann in der Praxis bedeuten, dass Engagement nicht gleich Engagement ist. Sondern im Detail sogar von der Länge eines Kommentars abhängt.

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Kampf gegen die Passivität im Newsfeed

Die Zielsetzung lautet: Der Nutzer soll das Gefühl haben, Zeit auf Facebook sei wertvoll verbrachte Zeit. Dies schließt nahtlos an eine Hard Questions vom Dezember 2017 an, welche die Frage aufwarf: Ist es schlecht für uns, Zeit in Social Media zu verbringen? Der altruistische Zungenschlag des Erklärstücks fokusiert den Einfluss sozialer Medien auf unser soziales Leben. Und natürlich wie Facebook hier einen positiven Impact leisten kann. Dafür hat Herr Zuckerberg schon vor längerer Zeit eine Forschungsabteilung mit Soziologen und Psychologen eingerichtet.

Die etwas pragmatischere Seite stellte klar, dass Updates auch den passiven Konsum niederwertigeren Contents im Newsfeed reduzieren sollen. Auch, wenn man damit rechnet, dass sich zunächst Engagement-Rückgänge einstellen werden. Somit wurde eigentlich bereits im Dezember erklärt, was der Chef im Januar verkündete.

  We’ve made several changes to Newsfeed to provide more opportunities for meaningful interactions and reduce passive consumption of low-quality content — even if it decreases some of our engagement metrics in the short term.

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Ist das die Quittung?

Hat nicht zur positiven Entwicklung beigetragen: Social Media im US-Wahlkampf. Bild: Mike MacKenzie
Hat nicht zur positiven Entwicklung beigetragen: Social Media im US-Wahlkampf. Bild: Mike MacKenzie

Aus Facebooks News Feed FYIs und Hard Questions des letzten Jahres kann man herauslesen, dass das Netzwerk an politischen Kampagnen und negativen Entwicklungen schwer zu knabbern hat. Filterblasen, Fake-News-Verbreitung, immer neue Formen von Click- und Engagement-Baiting im Newsfeed der Nutzer. Hate Speech, russische Auftraggeber – die Liste kann problemlos weitergeführt werden. Und hier wurde nicht nur organische Reichweite forciert, missbraucht und ergaunert. Auch Anzeigenbudgets wurden für wenig edle Ziele verwendet.

Einer der Effekte dieses Overkills an immer eifrigerem Content scheint zu sein, dass eine beunruhigende Zahl an Nutzern passiver wurde. Sie kamen seltener online, verbrachte weniger Zeit auf Facebook und sich letztlich nur noch sporadisch einloggte. Es sollte keinen verwundern, wenn die Leine für freie Reichweite deshalb gestrafft wird. Und nicht nur die: Wir sind recht überzeugt, dass sich nicht nur im Newsfeed, sondern auch im Anzeigenbereich einiges tun wird.

Mentalitätswechsel

Natürlich stecken auch klare monetäre Beweggründe hinter den angekündigten Veränderungen. Michael Stelzner von Social Media Examiner schätz, dass gerade einmal 5 Prozent der nicht-privaten Seiten für Sichtbarkeit zahlen. Publisher und Business-Seiten werden wohl oder übel lernen müssen, dass organische Sichtbarkeit gleichbedeutend mit kostenlosen Werbeflächen ist. Alle Businesses müssen sich mal die Frage stellen: Für Ihre Flyer, Zeitungsanzeigen, Display-Werbung, etc. geben Sie ganz selbstverständlich Geld aus, aber auf Facebook wollen Sie das alles gratis haben?

Aber genau das reflektiert das Mentalitätsproblem: Die größten Sorgen gelten ja anscheinend nicht den Anzeigenkosten, die auch steigen werden. Das meiste Kopfzerbrechen bereitet mangelnde organische Sichtbarkeit im Newsfeed der Zielgruppen. Und das sollte sie nicht, denn freie Reichweite ist und bleibt ein Geschenk, welches man nicht planbar einkalkulieren kann.

check_listWie kann man sich vorbereiten?

Best Practices zu Veränderungen, die noch gar nicht umgesetzt wurden, sind sehr beliebt und wiederholen oftmals, was bereits bekannt war. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, denn an bestimmte Grundsätze muss anscheinend regelmäßig erinnert werden:

Wachsam bleiben

Was Gegenstand der Updates sein wird, wissen wir noch nicht. Wir können uns allerdings darauf einstellen, dass sich alle Änderungen am Algorithmus häppchenweise über einen längeren Zeitraum erstrecken werden. Das große Ziel wird nicht über Nacht umgesetzt. Und die Updates werden auch nicht in Stein gemeißelt sein. Facebook wird die Auswirkungen beobachten und sehr wahrscheinlich nachbessern. Es ist somit ratsam, ebenfalls alle Neuerung im Auge zu behalten und im eigenen Interesse zu versuchen, ihre Dynamik zu verstehen.

Facebook in Schuss bringen

Was immer auch im Detail passieren wird, die Marschlinie Facebooks ist bekannt. Und nach diesen Ankündigungen dürfte auch keiner mehr am Umsetzungswillen zweifeln. Prüfen Sie Ihre konzeptionellen Ansätze und ob ihre Strategie nicht vielleicht immer noch mit dem Kopf durch die Wand will. Oder wie es Thomas Hutter kürzlich in einem lesenswerten Stück ausdrückte: Please Stop Fucking Around!

Back To Basics

Die Zeit der Ungewissheit ist auch eine gute Gelegenheit, die Fundamente der gesamten Digitalstrategie zu überprüfen: Optimierungen der eigenen Seite (SEO, Pagespeed, Responsive, etc.), mobile Strategie, Einbinden weiterer Social Media-Kanäle, usw.. Denn der Umbruch auf Facebook ist auch ein guter Reminder: Machen Sie ihren Erfolg nicht von einer Social Media-Plattform abhängig. Erst recht nicht, wenn diese ihre ganz eigenen Ziele verfolgt.

Lernen Sie Paid Social

Es steht außer Frage, dass die Veränderungen auch das Anzeigengeschäft betreffen werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die nächste Mitteilung der Macher vom Zuckerberg Veränderungen im Anzeigenbereich betreffen. Und hier ist zu erwarten, dass es zwar schwerer wird, sich einfach nur Reichweite zu erkaufen, die Palette der Möglichkeiten jedoch ausgebaut wird. Bleiben Sie hier am Ball, beschäftigen Sie sich mit dem Anzeigen-Manager und dem Creative Hub, und lernen Sie Methoden, die über einfaches Targeting und automatische Bietverfahren hinaus gehen.

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Mentalitätswechsel durch Abschied vom Alten. Adidas auf Facebook. Foto: Screenshot

Große Aufgaben

Die Veränderungen betreffen nicht alle Spieler im selben Maß. Brands wie Adidas haben den Mentalitätswechsel dadurch geschafft, dass sie sich von traditionellen Werbemaßnahmen verabschiedet haben und nun die Freiheit besitzen, Facebooks Instrumentarium kreativer für Kampagnen zu nutzen. Aber Adidas verkauft Produkte und nicht den Content einer Website.

Publisher und News Seiten haben es da schwerer und werden auch damit nicht weiterkommen, die Masse an lieblos verteilten Link-Posts mit anderen Formaten anzureichern. Hier sollte es, als ersten Schritt richtung Mentalitätswechsel, keine Denkverbote geben. Auch eine temporäre Abkehr vom Prinzip „Referral von Facebook“ dürfte hilfreich sein, neue Wege zu finden.

Fazit

Ja, Facebook will mehr Geld verdienen. Aber wir nehmen Mark Zuckerberg wirklich ab, dass er seine frisch und freundliche Social-Blumenwiese, zu der er Facebook früher machen wollte, zurück haben will. Für alle Seitenbetreiber gilt: Keine Panik aufkommen lassen. Viel beobachten und verstehen. Und finden Sie sich damit ab, dass es weniger gratis geben wird.

 

Artikelbild: geralt (CC0)

Blog Business Netzwelt

One reply to “Facebook Newsfeed 2018 – Gelegenheit für einen Mentalitätswechsel”

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