Der Dezember hat es nicht leicht, denn er geht naturgemäß zwischen Jahresrückblicken und neuem Jahr unter. Wir schauen nochmal zurück und würdigen den letzten Monat. Von humorvollen Fluglinien, werbeblinder Medienkompetenz, wieso Netflix das Social Web ins Filmgeschäft bringt und warum Bitcoins schmutzig sein sollen. Ein letzter Blick aufs letzte Jahr – der Dezember.

#NativeAdvertising – Blinde Jugend?

Eine kleine Studie aus der Schweiz offenbart: Nur 40 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren können Native Advertising von echten redaktionellen Beiträgen unterscheiden. Die Studie hätte man sich sparen können, denn diese Tatsache ist bereits seit Jahren bekannt. Und wir sind auch schon weiter. Es stört die Konsumenten nicht. 2016 meldete yougov.com, dass Native Advertising die meisten Leute nicht stört, wenn das nötig sei, um Content weiterhin frei konsumieren zu können. Dabei ist die Toleranz gerade bei den jüngeren Altersgruppen erheblich niedriger als bei älteren, die Werbung in redaktionellem Gewand kritischer sehen. Unterscheiden wir, worum es geht: Für Content Marketer ist das grundsätzlich positiv, beschert es doch effektive Sichtbarkeit. Für den eh schon desolaten Zustand des Journalismus bedeutet dies jedoch einen weiteren Wertverlust.

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Steile Entwicklung in den letzten drei Monaten. Bild: coingecko.com

#Bitcoin – Der ökologische Fußabdruck

Bitcoins haben in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit bekommen. Vor allem, weil sich der Kurs zwischen Oktober und Dezember verdreifacht hat und damit ein neues Allzeithoch erreicht wurde. Wer Bitcoins nicht erst seit gestern verfolgt, wird das mit angemessener Gelassenheit zur Kenntnis nehmen. Passiert nicht zum ersten Mal.

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Hungrige Währung. Mehr Bitcoins heißt mehr Stromverbrauch. Bild: digiconomist.net

Weniger gelassen ist man bei dem nächsten Puzzelteilchen in der Bitcoin-Thematik. Die ökologische Nachhaltigkeit. Wie wir wissen, wird das Volumen an Bitcoins durch Mining vergrößert. Also viele Rechner, die den ganzen Tag nur im Dienste des virtuellen Goldstücks schuften. Mit einem geschätzten Jahresverbrauch von 32,4 Terawattstunden verbrauche die Bitcoin-Produktion knapp so viel wie Dänemark, kritisiert der Datenanalyst Alex de Vries. Und der Meteorologe und Autor Eric Holthaus warnt sogar, dass Bitcoins uns um die Zukunft sauberer Energie bringen könnten. Wir sind da etwas skeptisch. Energieaufwand für das Bitcoin-Mining ist ein Themenzweig, der mittlerweile ein Eigenleben führt, neue Technologien beflügelt (hydromining) und nicht mit analogen Zahlenspielen abgefrühstückt werden kann. Bleiben wir gespannt.

#Flightradar – O Tannebaum

Erfrischend weihnachtlichen Humor bewiesen die Leute von Airbus. Für einen Testflug schickte man Flug AIB232E auf eine fünfstündige Reise mit vielen Kurven und Kreisen. Verfolgte man den Flug auf einem der im Netz verfügbaren Flugradars, ergab die Flugroute die Form eines weihnachtlichen Tannenbaums. Späße dieser Art sind nicht neu, aber Flightradar24 musste dann doch noch mal klarstellen: Ja, das ist echt und diese Testflüge würden auch ungeachtet der normalen Flugroute durchgeführt. Wieder was gelernt.

#Bright – Made By Algorithm

Seit Netflix & Co. hat auch die Filmbranche die algorithmischen Wunder des Social Webs für sich entdeckt. Im Dezember zeigte der Streamingdienst seine lange beworbene Eigenproduktion Bright. Und wer den – bedingt sehenswerten – Film sah, wurde das Gefühl nicht los, dass der Streifen von einem Algorithmus geschrieben wurde. Auch wenn der Streamingdienst dazu bisher keine Stellung bezogen hat, erklären sie recht offen, dass die Art, wie Kunden welche Filme vorgeschlagen bekommen, auf komplexen algorithmischen Auswertungen beruhe. Und damit machen Netflix etwas, das in den Sozialen Medien normal, im Filmgeschäft jedoch neu ist. Content-Distribution nach Targeting und Targeting nach Auswertung des Nutzergeschmacks. Was im Filmgeschäft jedoch absolut nicht neu ist: Auswahl von Filmstoffen, Darstellern und Plots nach komplexen Zuschauerbefragungen. Vor diesem Hintergrund darf also schon gefragt werden: Wurde Bright von Algorithmen geschrieben?

#Twitter – What’s big in Germany?

Dass Obama mal wieder den erfolgreichsten Tweet des Jahres landete, überrascht nicht. Aber welche Tweets waren denn hierzulande besonders erfolgreich? Nun, zunächst müssen wir festhalten: Während die Likes bei den großen Twitter-Playern wie Obama oder Ariana Grande zwischen 2 und 4 Mio. rangieren, müssen wir uns in der deutschen Spitzengruppe mit Likes zwischen 18.000 und 24.000 zufrieden geben. Und unter diesen Tweets spielen politische Dispute, allem voran mit der AfD, eine große Rolle. Wir konzentrieren uns daher auf die positiveren Vertreter, wie beispielsweise die Hamburger Müllabfuhr (Oranger Block) nach dem G20 Gipfel oder Edekas Kampagne für gesellschaftliche Vielfalt. Zeigen wollen wir aber lieber das Posting der BVB-Fans, die unter den Hashtags #bedforawayfans und #tableforawayfans Anhängern der gegnerischen Mannschaft nach dem Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus eine Unterkunft für die Nacht boten.

#Messenger – Gutes Jahr

Kleine Wasserstandsmeldung. Facebook zieht Jahresbilanz und der Messenger konnte anscheinend noch mal richtig zulegen: Videochats haben sich auf 17 Mrd. verdoppelt, Gruppenchats sind mittlerweile so normal wie Direktkontakte und Emojis und GIFs werden mehr denn je genutzt. So erfreulich wie nicht überraschend diese Meldung ist, stellt sich langsam die Frage, ob Facebook noch andere Pläne für WhatsApp hat. Und wenn schon ein Konzern die beiden Marktführer beheimatet – gibt es keine Regulierungsansätze für dieses Monopol?

#Rooftopper – Tödliche Videos

Junge Menschen, die ungesichert auf die Spitzen und Dächer hoher Gebäude klettern, um schwindelerregende Videos zu produzieren: Rooftopper. Wu Yongning war solch ein Gefahrenjunkie mit hunderten von Videos und Live-Feeds auf Weibo und Houshan.com, Millionen Followern und einem für chinesische Verhältnisse beachtlichen Werbe-Einkommen. Anfang Dezember wurde bekannt, dass er bei seinem Versuch, den Huayuan Center in Kangsha zu besteigen, aus 62-stöckiger Höhe abstürzte. Wäre das nicht schon tragisch genug, filmte Wu unfreiwillig seinen eigenen Absturz. Der eigentliche Skandal ist, dass wir überhaupt davon wissen. Denn das ist nur möglich, weil diese Art der Videos auch ein legales Geschäft in Fernost ist. Roofer gibt es auch im Westen. Und russische Roofer sind nicht minder lebensmüde. Doch der unglaubliche Boom und Hunger der chinesischen Video-Industrie macht es dort zu einem lukrativen Geschäft. Wir verzichten darauf, das Video vom Absturz auch noch zu zeigen. Wer das sehen will: Es kursiert immer noch auf allen Plattformen.

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#Netflix – Sensibles Publikum

Eine kleine Randmeldung zur allgemeinen Publikums-Sensibilität: Es gibt offensichtlich 53 Leute, die sich auf Netflix 18 Tage in Folge den Feelgood-Kitsch „A Christmas Prince“ angeschaut haben. Der Streamingdienst wollte anscheinend etwas modernen Humor beweisen und fragte: „Wer hat euch so verletzt?“ Was unter normalen Bedingungen maximal ein Schmunzeln wert ist, genügt auf Twitter für eine Debatte. Nicht nur, dass Netflix damit ein eigenes Produkt schlecht rede und Abonnenten beleidige; was sei das für ein Umgang mit sensiblen Kundendaten?! Ein klassischer Fall von Sturm im Wasserglas.

#SteveJobs – Jeanswear ohne Apfel

Bild: Business Insider Italia

Die Brüder Vincenzo und Giacomo Barbato haben früher Mode und Accessoires für Modehäuser kreiert. 2012 haben sie sich entschieden, eine eigene Jeansmarke zu gründen. Bei der Suche nach einem Namen fiel den beiden auf, dass der Name Steve Jobs nicht markenrechtlich geschützt ist. Die Folge war ein markenrechtlicher Streit mit Apple. Und den haben die beiden italienischen Brüder gewonnen. Geziert wird das Logo von einem angebissenen „J“, welches auch noch, wie der Apfel aus Cupertino, von einem Blatt gekrönt wird. Auch das geht laut Richterspruch in Ordnung. Die Brüder haben mit Technologie eigentlich nichts am Hut und wollen nur jugendlich-moderne Jeans produzieren. Aber jetzt überlegen sie, ein Smartphone zu produzieren, welches natürlich auf Android laufen soll. Wenn man sich überlegt, wie sich Apple in der Vergangenheit an Kleinstunternehmern vergriffen hat – weiter so.

#TripAdvisor – Schön alle veräppelt

Und zum Abschluß noch eine Meldung, die wir schon im Jahresrückblick hatten, aber einfach zu schön ist. Wenn es das Metier des Prank-Journalisten gäbe, Oobah Butler wäre ein Star. Der junge Londoner schreibt seit einiger Zeit als Gastautor für Vice. Wie wir jetzt wissen, schrieb er auch viele Fake-Rezensionen für Restaurants auf Trip-Advisory. Zehn Pfund gab es für jede erfundene Bewertung. Da dachte er sich eines Tages: Wenn auf Trip-Advisory Fakes über Erfolg und Misserfolg entscheiden können, warum mache ich meine Gartenlaube nicht zur Top-Adresse in London? Kurzum: Hat er gemacht – hat funktioniert. Seine Gartenlaube wurde zum beliebtesten Restaurant Londons auf Trip-Advisory, ohne dass je ein Gast dort gegessen hat. Die ganze Geschichte hat er, natürlich für Vice, aufgeschrieben (>>hier). So sehr wir auch schadenfreudig über diesen Coup lachen konnten, so bleibt doch ein ziemliches Geschmäckle.

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Artikelbild: pexels (CC0)

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