Im zweiten Teil unseres Content-Marketing-Specials gehen wir in die Praxis und erläutern in Grundzügen die Stationen, vom ersten Gedanken bis zur Messung der Ergebnisse. Blaupausen für erfogreiche Strategien gibt es nicht. Aber es gibt essenzielle Arbeitsschritte, an welchen wir uns entlanghangeln können. Die meisten Aspekte sind keine Unbekannten und bereits gängigen Marketingdisziplinen und Techniken entlehnt. Wir versuchen unsere Erläuterungen hochkomprimiert zu halten, um so viele praktische Details wie möglich vorzustellen und in kürzest möglicher Zeit den tiefst möglichen Einblick zu gewähren.
Back to Basics
Die Realität ist, kaum ein Unternehmen betreibt nicht irgendeine Form von Content Marketing – bewusst oder unbewusst: Angefangen beim Newsletter, dem eigenen Blog oder Whitepapers, bis hin zu festen Service-Angeboten, die dem Kunden mehr als nur das Produkt geben. Die Frage ist nur: Inwiefern nutzt das dem eigenen Business? Antworten können wir nur finden, wenn wir ein Fundament legen, welches uns ermöglicht, unsere Arbeit und unseren Content zu bewerten. Die Strategiebildung sollte daher immer damit beginnen, die Eigenwahrnehmung, die Ziele unserer Unternehmung, unseres Marketings und unserer Projektpläne festzuhalten. Gleich, ob unsere Kommunikation bereits CM-Elemente beinhaltet oder wir absolute Frischlinge sind.
Ein absolutes Muss im gesamten Entwicklungsprozess, sollte die Dokumentation unserer Pläne sein. Ein einfaches „Einigen wir uns auf…“ ist keine Lösung. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Verbriefen von Grundsätzen, Zielsetzungen und Operationsplänen oftmals den Unterschied zwischen erfolgreichem und erfolglosem Content-Marketing macht. Eine Blaupause gibt es nicht und das ist auch gut so, denn unser Plan wird zwangsläufig individuell gestaltet sein.
Wer bin ich? Was mach ich? Wo will ich hin?
Was passiert, wenn sich ein Technologieunternehmen nachhaltiger, ökologischer positionieren möchte und so viel grünen Content verbreitet, dass sich die Frage stellt, ob es sich vielleicht um eine Umweltschutzorganisation handelt? Wir werden uns zwangsläufig fragen müssen: Was hat das alles noch mit unserem Business zu tun? Noch schlimmer, wenn wahllos Umweltthemen aufgegriffen würden, einfach nur, um irgendwie grünen Content unters Volk zu bringen. Und um das Chaos perfekt zu machen, publiziert wird undifferenziert auf allen verfügbaren Kanälen, ohne das Zielpublikum genau zu kennen und ohne die speziellen Eigenheiten der verschiedenen Kanäle zu berücksichtigen.
Dass in diesem (leider nicht wirklich) fiktiven Fall alles falsch gemacht wurde, ist offensichtlich. Aber was wurde genau falsch gemacht? Ein paar Kernfragen, welche die Versäumnisse offenlegen:
- Wie definiert das Unternehmen sein Kerngeschäft und seine Geschäftsziele?
- Welchen Marketingzielen soll das Content Marketing hier helfen?
- Wurden Kunden und ihre Informationsbedürfnisse untersucht?
- Gibt es eine Content Strategie, welche Inhalte und Formate festlegt?
- Gibt es einen Channel Plan, der verfügbare Kanäle listet und bewertet?
Mission und Ziele
Joe Pulizzi empfielt als Einstieg die Formulierung eines Mission Statements. Das sollte ein Unternehmen, unabhängig von jeglichen CM-Absichten, klar für sich definieren können: Was machen wir für welche Zielgruppe und was haben die Kunden dann davon? Verkürzt gesagt, müssen Sie die Essenz dessen finden, was Sie sich auf die Fahne geschrieben haben. Was machen wir für wen und was hat er/sie dann davon? Versuchen wir ein kurzes (fiktives) Statement für das schwedische Einrichtungshaus Ikea:
Ikea, das ist moderne und stilvolle Inneneinrichtung für trend- und preisbewusste Menschen, die offen für Veränderungen in ihrem Zuhause sind. Wir helfen unseren Kunden, ihrem Heim einen individuellen Ausdruck zu geben.
Content-Marketing erfüllt keinen Selbstzweck, sondern muss in klaren Zielsetzungen gedacht werden. Legen Sie deshalb Marketingziele fest, welche wir mit unserer Arbeit unterstützen oder sogar erreichen wollen:
- „Wir wollen mehr Leads generieren.“
- „Wir wollen mehr Traffic auf unsere Seite bringen.“
- „Wir wollen uns als Top-Referenz in einem bestimmten Zweig unserer Branche positionieren.“
- „Wir wollen Kunden während der Customer-Journey präsenter mit passendem Content begleiten.“
Die Definition von Mission und Zielen dient uns als stetige Bewertungsgrundlage, um jederzeit die Konsistenz unseres Contents und die Funktionswertigkeit unserer Aktionen zu prüfen. Wenn diese Grundsatzfragen geklärt wurden, können wir uns den operativeren Aspekten der Planung widmen. Bereits früh wird deutlich, dass wir unsere Konzeption nicht nur aus der eigenen Perspektive planen können.
Framework: Produktion
Was will der Kunde?
Die Wahl des richtigen Contents ist eng mit den adressierten Zielgruppen verbunden. Bevor wir die Topics wählen, um welche sich unsere Inhalte drehen sollen, müssen Personas entworfen werden: Modelle, welche die Charakteristika, Eigenschaften, Motivationen, Interessen und Bedürfnisse verschiedener (relativ homogener) Personen unserer Zielgruppen skizzieren. Natürlich entscheiden wir, mit welchen Informationen unsere Ziele erreicht werden sollen. Die individuellen Informationsbedürfnisse unserer Kunden dürfen dabei jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Wir wollen ja keine Kühlschränke an den Nordpol verkaufen.
Auf welcher Stufe der Customer Journey sprechen wir unsere Zielgruppe an? Wer uns schon kennt, braucht keine Einführungen. Fehlen dem Kunden Entscheidungshilfen, um uns den Vorrang zu geben, oder müssen wir erstmal Basisarbeit leisten? Erstellen Sie ein Mapping, sowohl für den Content als auch für die Personas, um zu wissen, an welcher Haltestelle Sie Ihren Kunden abholen müssen und ob Sie einen Bus brauchen oder ein Fahrrad reicht.
Was können wir produzieren?
Eine Frage, welche wir noch gar nicht angerissen haben: Welche Strukturen und Ressourcen haben wir für unser Projekt überhaupt zur Verfügung? Ein Blog oder ein Newsletter beispielsweise, sollte in regelmäßiger Frequenz erscheinen und erfordert daher minimale redaktionelle Strukturen und Planungen, Workflows und verantwortliche Zuständigkeiten. Bevor Sie also entscheiden, was und vor allem welche Formate (E-Mail, Whitepaper, Podcast, Video, etc.) zum Einsatz kommen, eruieren Sie die Ressourcen, qualitativ wie quantitativ, und entscheiden dann, was Sie produzieren.
Schlecht entworfene Strukturen sind wie ein Kurierfahrer ohne Ortskenntnisse. Jedes Team-Mitglied hat seine Funktionen gemäß seiner Qualifikationen, denkt mit und versteht den übergeordneten Sinn und Zweck der Arbeit. Ihr ideales Team sind nicht die „Avengers“, wo jeder ein Superheld für sich ist – Ihr Team ist „Bob der Baumeister und seine Freunde“, wo wenige den Hut auf haben und viele an einem Strang ziehen.
Framework: Distribution / Social Media
Bei der Sichtung, welche Kanäle uns überhaupt zur Verfügung stehen, können wir zunächst eine Unterteilung in Owned-, Paid- und Earned Media vornehmen. Während Owned Media (eigene Seite, eigener Blog, eigener Social Channel, etc.) und Paid Media (jeder Publikationsraum, für den wir bezahlen) relativ einfach nach Funktion, Nutzen und Kosten bewertbar sind, gilt der Earned Media eine gesonderte Aufmerksamkeit, denn: Es muss zu unseren Zielen gehören, dass unsere Inhalte geteilt und von Adressaten weiterverteilt werden. Ebenso wollen wir, dass Journalisten und Medien unsere Inhalte aufgreifen und sich so am Multiplikationseffekt beteiligen. Und dabei spielt die richtige Nutzung dieser Dreifaltigkeit der Kanäle eine wichtige Rolle. Unsere Aufmerksamkeit soll hier den Sozialen Medien und ihrer funktionalen Nutzung gelten.
Zwischenbemerkung: Die Content-Taktik Native Advertising sparen wir uns bewusst für einen eigenen Artikel auf. Gemeint ist: Paid Media, welche zu Content führt. Dabei ist Native Advertising auch immer wieder Streitpunkt, wie sinnvoll und zielführend Branded Content oder Advertorials sind – nicht zuletzt, weil oftmals die sichtbare Trennung von redaktionellen Inhalten nicht respektiert wird und ehrlich gesagt auch zu Reputationsschäden führen kann. Earned Media ist ein Mehrwert, den wir uns erarbeitet haben und keine Aufmerksamkeit, die wir uns erkaufen.
Social Media
Würden Sie versuchen, mit einem Schraubenzieher einen Nagel in die Wand zu schlagen? Oder sich mit einer Drahtbürste die Zähne zu putzen? Nein, natürlich nicht. Nimmt man Werkzeuge und ihre Funktionen als Analogien für Soziale Medien, so gibt es leider nicht wenige Unternehmen, die jedoch genau das machen.
Soziale Medien erfüllen für uns im Content-Marketing zwei Funktionen: Distribution und Konversation. Dabei dürfen wir nicht nur die spezifischen Nutzungsfeatures der Netzwerke berücksichtigen, sondern auch das Publikum, welches für ein Netzwerk typisch ist.
- Welche Action? Welches Feature? Jedes Netzwerk hat seine Alleinstellungsmerkmale, mit denen es sich in Form und Funktion von anderen sozialen Plattformen unterscheidet. Werden Sie sich also bewusst, welche Actions Sie beim Zielpublikum erreichen wollen und wählen danach das Netzwerk aus.
- Welches Publikum? Welches Toning? Wenn wir Entscheider erreichen wollen, ist Snapchat vermutlich nicht das Mittel der Wahl. Welches spezifische Publikum finde ich in welchem spezifischen Netzwerk? Und noch wichtiger: Wie spreche ich dieses Publikum adäquat an?
- Welche Bedürfnisse? Welche Erwartungen? Katzenvideos sind klasse – auf Facebook, aber nicht auf Xing. Auf Xing erwartet mein Publikum andere Inhalte, weil es seine Informationsbedürfnisse dort zu stillen erwartet. Wählen Sie also Ihren Content in Form und Inhalt nach der Erwartungshaltung des jeweiligen Netzwerks aus.
Und ganz wichtig: Verschießen Sie nicht Ihr Pulver. Wir versuchen, so weit es geht, die Kontrolle über die Kanäle zu behalten. Also geben Sie dem Publikum einen Grund, diese Kanäle in Ihrem Sinne zu nutzen. Wenn Sie mehr Traffic auf Ihre Seite und Ihren Blog bringen wollen, dann veröffentlichen Sie nicht den kompletten Content auf Facebook. Wenn Sie mit Visuals arbeiten wollen, dann eruieren Sie, wo Ihre Ziele mit visuellen Mitteln am effektivsten erreicht werden können.
Erkennen Sie die Stärke der Konversation: Wir können unserem Zielpublikum auf den Social Media-Kanälen zuhören und uns mit ihnen austauschen, erfahren, was sie wollen, was sie gut fanden, welche Aktion erfolgreich angenommen wurde. Unterschätzen Sie nicht, dass man für diesen Kunden-Kontakt kommunikationsstarke Mitarbeiter mit dicker Haut und Feingefühl braucht, die Meinungen und Stimmungen auch „lesen“ können.
SEO
Content-Marketer betonen gerne, dass Suchmaschinenoptimierung nur ein Teil des Puzzles ist. Wieso sagen die das? Einerseits, weil unser Traffic eben nicht nur von Suchmaschinen kommt. Wir sollten erst einmal eruieren, welche Rolle die organische Suche für uns spielt. Wenn wir bedenken, dass Suchmaschinen (nicht nur Google) mittlerweile Social Signals signifikant berücksichtigt, zeigt das den Einfluss, den wir durch eine kluge Social-Strategie ausüben können.
Andererseits fürchten Content-Marketer bestimmte antiquierte SEO-Denkansätze, wie beispielsweise die falsch verstandene Keyword-Besessenheit, welche Content in schlecht lesbare Textmonster verwandeln kann. Daher lautet das Mantra auch: Schreiben Sie für Menschen, nicht für Maschinen. Aber auch wenn Lesbarkeit und spannend komponierte Texte im Vordergrund stehen, sind Keywords und „traditionelle“ SEO-Arbeit natürlich immer noch wichtig. Recherchieren und erarbeiten Sie daher eine Liste mit relevanten und konsistenten Keywords, beachten Sie dabei auch Ihr Zielpublikum und das Toning und überlegen Sie genau, wo diese Keywords dann zum Einsatz kommen.
Und zu guter Letzt: Technik und Logik. Fundamentale Fehler sind nicht so selten, wie sie eigentlich sein sollten: Ein chaotisches Sitemapping oder eine kryptische URL-Struktur vermiest Suchmaschinen die Laune; Keywords gehören in URLs, aber nicht wahllos in jede; optimieren Sie die Ladezeit, da dies mittlerweile auch ein Ranking-Kriterium ist; Copy und Paste-Mentalität füllt zwar Ihre Seite, entäuscht aber die Besucher Ihrer Seite und macht Google skeptisch; usw. usf. Die Liste könnte beliebig weitergeführt werden. Vielleicht können Sie einen Mitarbeiter oder eine Funktion bestimmen, die, ähnlich wie bei Filmproduktionen, Anschlussfehler im Auge behält und eine Liste von NO GOs und DON’T DOs laufend checkt.
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Grafiken: socialmediakonzepte.de