Aktuell kursiert in Musikerkreisen ein Artikel, in dem behauptet wird, Facebook mache Bands kaputt. Der Autor scheint da aber irgendetwas nicht verstanden zu haben. Eines vorweg: Dieser Beitrag soll kein unreflektierter Pro-Facebook-Artikel sein. Dass das soziale Netzwerk mit Werbung Geld, auch sehr viel Geld, verdient, steht außer Frage. Dennoch bedürfen die Behauptungen des Artikels einer Korrektur.

Im Artikel „Wie Facebook Bands kaputt macht“ wird behauptet, eine Band mit 5.000 Fans würde bei einem Posting auf Facebook nur 100 bis 200 User erreichen. Dann, lieber Autor, liebe Bands, macht ihr etwas grundlegend falsch.

Als Gegenbeispiel führe ich die Band-Seite von The Very End ins Rennen. Da bin ich Admin und habe Einblick in die Statistiken. Danke an die Band für die Offenheit. Mit rund 3.500 Fans sollte ein Posting, laut Kalkulation im Artikel, also zirka 70 – 150 Leute erreichen. Schauen wir in die Statistik:

Top-Posts

The Very End - Statistik - Top-Posts

 

Flop-Posts

The Very End - Statistik - Flop-Posts

 

Wir sehen: Es sind deutlich mehr User, die erreicht werden, als behauptet. Selbst bei den Flops liegt die niedrigste Reichweite bei 346 Usern, was immerhin 10 Prozent der Fans entspricht.

Der Top-Post, mit einer Reichweite von rund 9.000 Fans, wurde tatsächlich mit einem kleinen Budget beworben. So wurden organisch 5.408 User erreicht, und durch das Mediabudget weitere 3.572. Die Kosten dafür: Exakt 10 Euro.

Was in dem Artikel als „Geldverbrennung“ kritisiert wurde, entpuppt sich hier als ziemlich gute Marketing-Maßnahme, die im Falle der oben genannten Band Kosten von 2 Euro pro Musiker ausmacht und beim Finanzamt auch noch als Marketingkosten angegeben werden kann.

Der Werbewert der Seite, also wie teuer wäre es gewesen, diese Anzahl der User mit anderen Online-Werbemitteln zu erreichen, liegt laut Fanpagekarma in den vergangenen Monaten bei knapp 1.000 Euro. Ausgaben der Band waren, wie gesagt, 10 Euro und natürlich die investierte Zeit in die Betreuung der Facebook-Seite. Teuer sieht anders aus.

Zurück zum Artikel. Nachdem der Autor den Facebook-Algorithmus vollkommen korrekt erklärt – mehr Likes = hohe Relevanz, wenige Likes = niedrige Relevanz – beschreibt er „das Problem“: Die „menschliche Spezies“ sei zu „medialen Konsumzombies mutiert“, die nur noch über Katzenvideos lachen könne und Texte mit mehr als fünf Wörtern verwirrend fände. Und natürlich auch nur mit diesen seichten Beiträgen interagiere.

Ein Gegenbeispiel:

Hier wurden mit einem Posting, bestehend aus 83(!) Wörtern, rund 2.500 User erreicht, von denen 14 kommentiert und 30 auf „gefällt mir“ gedrückt haben. Hinzu kommen hunderte weitere Interaktionen wie Klicks, Linkaufrufe, andere Klicks.

Warum das Ergebnis so positiv ausfällt, ist schnell aus Werbersicht erklärt: Zunächst wird eine Frage gestellt, das weckt die Aufmerksamkeit der Fans. Dann werden andere Seiten mit einer Verlinkung erwähnt, Personen im Foto verlinkt und es werden weiterführende Links angeboten. Es wird also „social“ gehandelt. Zudem ist es ein Foto-Posting, was Facebooks Algorithmus in der Regel auch lieber hat, als Statusupdates oder externe Links.

Quatschnachrichten und Spaßvideos – ja, die werden auch gemocht

Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass in Social Media auch gerne und viel Quatschnachrichten und Spaßvideos konsumiert werden. Wer sich allerdings ernsthaft damit beschäftigt, der weiß, dass auch qualitativ hochwertige Beiträge durchaus Beachtung finden. Aus der täglichen Arbeit weiß ich, dass besonders dann allerdings eine höhere Kreativität gefragt ist.

Der eigentliche Knackpunkt sind die Administratoren

Das Problem liegt also nicht unbedingt bei Facebook, sondern vielmehr bei den Bands bzw. ihren Marketingpraktiken. Mein ganz persönlicher Eindruck bei den meisten Bandseiten: Die Seiten werden von Admins betreut, die häufig keinerlei Medienkompetenz besitzen und peinliche Anfängerfehler begehen: Sich gerne selber liken, von fragwürdigen Quellen Inhalte teilen, langweilige Texte schreiben oder lustig sein wollen, was den wenigstens in der Schriftsprache gelingt. Hinzu kommt die Abwesenheit von Rechtschreib- und Grammatik-Kenntnissen, Nichtwissen um die richtigen Grafikgrößen und keinerlei soziale Interaktionen mit den Fans.

Bitte beachtet also: Eine Facebook-Seite ist kein privates Profil, sondern euer Marketing- und Kommunikations-Instrument, um mit euren Fans in Kontakt zu treten. Bands sollten sich mit den Mechanismen von Social Media befassen. Und: Lasst euch eine gute Webseite erstellen, wenn ihr es nicht selber hinbekommt. Eine, die auch mobil funktioniert und sinnvolle Sharing-Funktionen beinhaltet. Neben Facebook gibt es übrigens unzählige andere Netzwerke, in denen User und Werbetreibende nicht von einer Filterung, wie sie auf Facebook stattfindet, betroffen sind.

Lost in Myspace

Es scheint, als wären die meisten Bands in den Myspace-Zeiten stecken geblieben. Apropos Myspace: Hier hat letztendlich die fehlende Filterung zu einer totalen Vermüllung durch irrelevante, aggressive Marketingmaßnahmen der Bands zum Niedergang des Netzwerkes beigetragen. Selbstverständlich haben sich die Betreiber die letzten Sargnägel selber ins Holz geschlagen.

So haben die meisten Bands inzwischen zwar eine Facebook-Seite, einen guten Webauftritt haben aber die wenigsten. Und wie sieht es aus mit Twitter, Instagram, Youtube, Bandcamp und den ganzen anderen wichtigen Netzwerken, die für Erfolge im Online-Marketing wichtig sind? Bei deutschen Bands zumindest sieht die Sache meist mau aus.

Warum Facebook teuer werden kann

Facebook kann tatsächlich teuer werden. Nämlich dann, wenn ihr eure Fans über einen gewissen Zeitraum gelangweilt habt. Wenn eure Admins auch noch die oben beschriebenen Unfähigkeiten besitzen, ja, dann müsst ihr zahlen, genauso wie jedes andere Unternehmen, dass auf Facebook Klicks und Likes haben will, aber niemanden mit den langweiligen Postings erreicht.

Nun könnten hier diverse weitere Punkte bezüglich Facebook und Bands aufgeführt werden, aber das Wichtigste, denke ich, ist gesagt.

Schaue ich meinen heutigen Newsstream an zeigt sich: Obwohl mir einige Bands gefallen, wird mir nur eine einzige angezeigt. Und das liegt nicht daran, dass ich gestern ein Kängurubaby-Video gut fand, sondern weil ich selten bei Bands auf „gefällt mir“ drücke oder einen Kommentar abgebe. Das ist für die Bands natürlich ärgerlich, doch mit gutem Content hätten sie es verhindern können.

Blog Netzwelt

3 Kommentare zu “Warum Facebook Bands nicht kaputt macht – ein Erklärbär”

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