Wenn es um Web-Videos geht, scheinen sich die Marketing-Prediger einig zu sein: Bewegtbilder sollen jetzt vertikal sein. Die Begründung liegt offensichtlich im Handling der Smartphones. Und die Zahlen bestätigen den Trend. Aber ist es wirklich so einfach oder gibt es auch einen Haken an der Sache? Wir haben den neuen Standard mal grob abgeklopft.

Vertikal – Trend aus gutem Grund

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Sparen wir uns die großen Vorreden und kommen gleich zu den Fakten, die uns überzeugen sollen: Web Videos haben heute einen höheren Stellenwert als je zuvor. 85 Prozent des mobilen Traffics wird durch Videos bestritten. Über 60 Prozent des social Traffics, Tendenz steigend, wird durch Smartphones bestritten, die ja sozusagen der natürliche Lebensraum von Bewegtbildern im Portrait Modus sind. Und letztlich haben A/B-Tests gezeigt, dass vertikale Videos ebenfalls bessere Ergebnisse bei Anzeigen erbringen als ihre horizontalen Geschwister: Mehr Impressions und längere Viewzeiten.

Für das Hochkantformat war 2017 zweifelsohne das Jahr des endgültigen Durchbruchs:

Wirklich neuer Standard?

Anzeigen-Clips, nachrichtliche Informationen und sogar Musikvideos: Sieht ganz so aus, als wäre ein neuer Standard für Bewegtbilder in sozialen Netzen gesetzt. Falsch! Wir sind der Meinung, dass man diesen Hype trotz aller Euphorie recht differenziert betrachten sollte. Schauen wir uns ein paar Daten zu Facebook-Videos an:

  • 85 Prozent aller Facebook-Videos werden ohne Ton geschaut.
  • 65 Prozent der Nutzer, die 3 Sekunden gesehen haben, werden ein Video mindestens 10 Sekunden anschauen.
  • 45 Prozent schauen sich Facebook-Videos 30 Sekunden lang an.
  • 70 Prozent der vertikalen Videos sind nicht länger als 15 Sekunden.

Fakt ist: Der Großteil der vertikalen Videos sind Ads und hier entspringen eben auch die durchaus sehr erfolgreichen Beispiele für das Hochkantformat. Aber es scheint uns zunächst noch wichtiger darauf hinzuweisen, dass man die wirklich starke Performance von Web Videos nicht automatisch als Beweis für die Stärke des Portrait-Modus verstehen darf. Wir werden den Eindruck nicht los, dass in den statistischen Beweisen für die Zugkraft vertikaler Videos zu viel unterschiedlicher Content in einen Topf geworfen wird und hinterher Äpfel mit Birnen verglichen werden.

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Realistisch bleiben

Was wir sicher sagen können: Vertikale Clips eignen sich hervorragend für Video-Ads und sie erzielen gute Ergebnisse, wenn sie kurz bleiben. Ob sie damit auch automatisch für andere Zwecke sinnvoll eingesetzt werden können, ist von vielen Faktoren und vor allem den Erkenntnissen weiterer Erfahrungen abhängig. Es wird sicher noch weitere Pop-Stars geben, die Experimente mit vertikalen Videos machen werden. Aber sie werden sicher nicht alle Clips der Zukunft hochkant produzieren.

Vertikal wird horizontal weder ablösen, noch ein allgemeingültiger Standard für Bewegtbilder werden. Das Beispiel des Produkttests von The Verge (siehe rechts) zeigt deutlich, dass das klassische Erzählen in Bewegtbildern eben immer „für vertikal“ aufgearbeitet werden muss. Und so bleibt es nicht aus, dass der Beitrag im Portrait-Modus am Ende auf seine normalformatige Version verweist.

Perspektive

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Edition #109 11:28:16 from Vertical Networks on Vimeo.

Das heißt aber nicht, dass wir es lediglich mit einem Hype zu tun haben. Vertikal konnte sich in einigen Bereichen bereits etablieren. Aber die Grenzen sind sicherlich noch nicht erreicht. Zunächst wäre es gut, die funktionale Ästhetik für den Content in den Vordergrund zu stellen. Die Mashable Reels (s.o.) sind im Grunde das, wofür auch das Story-Format genutzt werden kann und sollte:

Wer auf den Instagram-Accounts von Washington Post und New York Times stöbert, wird einige gute Beispiele entdecken. Leider findet diese Praxis noch nicht all zu viele Nachahmer oder wird nur analog kopiert.

Weitere gute Beispiele findet man bei Studios wie Vertical Networks (siehe rechts), die nicht nur am Produktionsdesign arbeiten, sondern gerade auf tägliches Publishing, beispielsweise für Serien, abzielen.

Fazit

Ob man nun die Produktion vertikaler Videos forcieren will, hängt vom gesamten Digitalkonzept eines Unternehmens ab. Wer gerade seine Social-Kanäle stark einbeziehen möchte, wird schnell merken, dass vertikale Elemente überall ihren Einsatz finden. Als Video im Newsfeed oder Story-Format; als tägliche Show auf Snapchat oder Instagram; nicht nur allein als Ad, sondern auch als Element in Canvas-Ads.

Wer sich für mehr Vertikales entscheidet, sollte jedoch die vorausgehende Konzeptarbeit nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die gezeigten Beispiele verdeutlichen, dass man durch den Portrait-Modus schon eine neue Spielfläche für Kreativität hat. Wer diese Möglichkeiten nicht nutzt, wird auch im vertikalen Format nur durchschnittliche Erfolge erzielen.

 

Artikelbild: socialmediakonzepte.de / Vorlage: mohamed_hassan (CC0)

 

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