Haben Sie ein Glück, dass wir nochmal den Oktober aufarbeiten. Sonst würden Ihnen einige Sachen entgehen, die gar nicht so viel Aufmerksamkeit in deutschsprachigen Medien bekommen haben. So wie beispielsweise die fragwürdige #fallingstars-Challenge. Oder wer die Meinungsmedien versteckt zu infiltrieren versucht. Nicht zu vergessen, ein geheimer Verschwörungsguru aus den Tiefen des Netzes. Wir wünschen gute Unterhaltung. Bitte schön – der Monatsrückblick Oktober.
#Google – Good Bye, Loneliness
#Facebook – Hack von der Stange
Es scheint mittlerweile zum guten Ton großer Netze zu gehören, dass hinter Hacks immer irgendetwas Größeres steckt. Sonst wäre der Hack gar nicht möglich gewesen. Bei Facebooks letztem Datenverlust, der gut 29 Mio. User betraf, gibt sich der Mutterkonzern verschlossen und verweist auf das ermittelnde FBI, keinerlei Details preiszugeben. Pustekuchen! Dem Wall Street Journal haben Insider verraten, dass ganz normale Spammer hinter dem Hack stünden. Und deren Motivation ist nicht die politische Manipulation, sondern die Datengewinnung zwecks Werbeterror. Sollte dieser Vorfall etwas Skandalöses haben, dann lediglich, dass man keine Elitehacker im Dienste feindlicher Staaten braucht. Facebook & Co. scheinen auch weiterhin von jedem findigen Hinz und Kunz hackbar zu sein.
#SalifLaSource – Moonwalk, Peng, berühmt
Von 9.000 Followern zu über einer Mio. Followern. Und das mit nur einem Video? Kann klappen, wenn es von den richtigen Leuten geteilt wird. Strassentänzer Salif Gueye, aka. Salif LaSource, hat eine kleine Michael Jackson inspirierte Performance auf Instagram geteilt. Vermutlich ist es den Shares von Dwayne Johnson (The Rock) und Lebron James zu verdanken, dass er seit dem Posting von 9.000 Followern auf mittlerweile 1,4 Mio. Follower angewachsen ist. Und das nahezu über Nacht. Kürzlich hat er bei Ellen DeGeneres auch schon im Interview-Sessel Platz nehmen dürfen. Wir würden sagen: Läuft.
#Redfish – Multidirektionale Propaganda
Die Frage, wer einen Medien- und Nachrichtenanbieter finanziert, ist keine Formalität. Wer rechtspopulistische Propagandisten unterstützt und gleichzeitig die andere, eher linksthematische Seite bespielt, kann sich kaum mit einem Interesse an ausgleichender Informationsgerechtigkeit herausreden. Das wäre so, als würde man Feuerwehr und Brandstifter gleichzeitig fördern. Seit einiger Zeit mischt ein neuer Spieler im digitalen Informationszirkus mit: Redfish. Bisher mit einem Augenzeugenvideo von vermeintlicher Polizeigewalt aufgefallen. Sonstige Themen und Standpunkte gehören in die Zuständigkeiten linker bis linksextremistischer, antiauthoritärer bis ökologischer Themenfelder. Auf den ersten Blick also eher Content für jene Klientel, die von bestimmten Leuten im Lande gerne als Gutmenschen verramscht wird.
Wie t-online recherchieren konnte, ist Redfish eine 100-prozentige Tochter von Ruptly. Also die Firma, welche sonst mit RT Deutsch die andere Seite des Anti-Merkel-, Pegida-, AfD-, pro-russischen und anti-BRD-Horizonts bespielt. Dass Journalisten hier der Transparenz etwas auf die Sprünge helfen mussten, wird vom Unternehmen selbst als Angriff und Fake-News deklariert. Und das dann wieder mit dem typischen Ruptly-Zungenschlag der großen Verschwörer von Hillary Clinton bis Rupert Murdoch. Es ist mehr als offensichtlich, dass hier ein Financier Interesse daran hat, alle Seiten meinungsbildend zu infiltrieren. Und dass dieser Geldgeber staatlich gebunden ist, sollte beunruhigen. Also: Augen auf im Internetverkehr.
#FallingStars – Dekadenz Challenge
Aber wir wären nicht die Schlauschweinchen, die wir nunmal sind, wenn wir nicht erklären würden, dass die Idee geklaut ist. Seit 2015 inszeniert der italienische Künstler Sandro Giordano unter dem Titel IN EXTREMIS (bodies with no regret) diese Bilder. Und wenn man diese Installationen sieht, kann man sich kaum vorstellen, dass der #Fallingstars-Hype einiger Überschuss-Reicher zufällig auf die gleiche Idee gekommen ist. Zudem ist das Original auch noch witziger.
#FreedomHouse – Wo die Freiheit noch digital ist
Das neue Freedom-House-Ranking zur digitalen Freiheit ist da und die Ergebnisse überraschen nicht. Zu den freien Staaten gehört der Großteil der westlichen Regionen, plus Japan. Als teilweise frei gehen der Großteil süd- und mittelamerikanischer Länder so wie (südost-) asiatische Staaten, inklusive Indien und Südkorea durch. Und als unfrei gilt im groben der gesamte eurasische, osteuropäische Raum, plus verschiedene arabische und nordafrikanische Staaten – und natürlich Venezuela.
Während die Mankos von Ländern wie Russland, China oder der Türkei voraussehbar in die Kategorie digitaler Authoritarismus fallen, scheitern westliche Nationen an einer ganz anderen Mischung: Produzenten von Fake-News beschuldigen sauber arbeitende Journalisten der Fake-News und versuchen ihre Arbeitsbedingungen zu erschweren. Die Netzneutralität wird, mit Hilfe der Politik, immer weiter eingeschränkt. Der Datenschutz leidet weiter. Also, trotz guter Rankings kann sich keiner mit eitlem Sonnenschein brüsten. Außer Estland und Island. Da ist zwar das Wetter bescheiden, aber das Internet ist frei und unbelastet.
#QAnon – Gefährlicher Mumpitz aus den Tiefen des Netzes
Wenn wir uns einer Verschwörungstheorie widmen, muss da schon richtig Musik drin sein. Bei Q oder QAnon, Anon steht für anonym, ist das der Fall. Der Buchstabe ‚Q‘ ist offiziell eine der höchsten Sicherheitsfreigaben in der US-Administration. Auf 4chan und anderen Imageboards verbirgt sich dahinter das Pseudonym eines Users oder einer Gruppe, die wilde Theorien über den Staat verbreitet. Laut Q sei Donald Trump nur im Amt, um eine geheime Schattenregierung namens „Deep State“ aufzudecken. Tippfehler in seinen Tweets seien so etwas wie geheime Botschaften. Hillary Clinton trage bereits eine elektronische Fußfessel und werde bald irgendwohin ausgeliefert. Und Trump habe die Kooperation mit den Russen nur vorgetäuscht.
Der unsagbare Quatsch, der dort verbreitet wird, ist die eine Seite. Aber diese Bewegung schafft es, die viel breiter aufgestellte Meinung, Trump sei eine Art Robin Hood, der das Establishment aufmischt, zu stärken. Und mittlerweile tauchen in fast jeder Berichterstattung über Trump, auch durch seine Kritiker bei CNN oder MSNBC, Plakate der Anhänger des Q-Kultes auf. Sie haben es also gewissermaßen in den Mainstream geschafft. Und damit wir uns nicht vertun: Diese Bewegung hat auch zahlreiche Anhänger bei den europäischen Aluhut-Trägern. Quatsch verkauft sich halt gut.
Wie auch immer: Wir können Sie nicht ohne eine enttarnende Performance der Q-Jünger entlassen. Der australische Comedian Jim Jeffries traf sich mit Anhängern und bekam Unglaubliches zu hören: Die Eliten tränken das Blut von speziell gezüchteten Babys, weil sich eine lebensverlängernde Droge darin befände. Michelle Obama sei eigentlich ein Mann. Alles, was die Nasa zeigt, sei in Wirklichkeit CGI. Und Trump sei der intelligenteste Mensch der Gegenwartsgeschichte. Na dann, gut‘ Nacht um Acht.
#Hellboy – Bezahl mich in Retweets
David Harbour, bekannt als Elfies Ersatz-Papa in Stranger Things, hat eine forsche Bitte erhalten. Ein Film-Journalist fragte beim zukünftigen Hellboy-Darsteller via Twitter an, ob der seine Hochzeit moderieren könnte – in voller Hellboy-Montur. Und der antwortete prompt mit ‚Ja‘ – vorausgesetzt der Tweet würde 666K-mal retweetet. Er ging sogar um 500k Retweets runter, sollte der Hellboy-Erfinder Mike Mignola mitkommen und ein Gedicht vortragen. Ob das hilft? Der Tweet ist noch sehr weit davon entfernt, den Wunsch zu erfüllen. An David Harbour wird’s nicht liegen. Der steht nämlich im Ruf, Fans gerne mal einen Gefallen zu tun. So wie bei einer anderer Hochzeit, welche er als Chief Hopper aus Stranger Things moderierte.
Hey internet. I know it’s been awhile. I retreated. Needed some space. You probably get it. But I’ve been thinking about ya in the interim. And all your retweets. And so me and some fun folks in Springfield, Illinois made good on our promise we made all those months ago. pic.twitter.com/fZK8zNMQSi
— David Harbour (@DavidKHarbour) 16. September 2018
#YouTubeDown – Amouröse Ersatzhandlungen
Am 16. Oktober, zwischen 21:30 Uhr und 22:45 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit, fiel YouTube aus. Ein Tweet der Polizei von Philadelphia lässt vermuten, dass für viele Netzlinge der Notstand ausgebrochen sein muss: „No, please don’t call 911 – we can’t fix it.“. Für andere Netzlinge war das wohl eher eine Gelegenheit, eine andere Art von „Notstand“ zu beheben. Der YouTube-Ausfall lässt sich nämlich auch in der Statistik von PornHub verfolgen: Um 22:00 Uhr erfuhr das fleischgewordene Fachportal für Verkehrsdokumentationen einen Trafficanstieg von 21 Prozent.
Sehen Sie, und das ist wieder der Beweis, dass das Internet das Ende der Menschheit sein wird. Wenn früher der Strom ausgefallen ist, konnte man das neun Monate später in den Geburtenraten nachzeichnen. Wenn heute YouTube ausfällt, dann merkt man das höchstens an hysterischen Notrufen bei der Polizei und am Verbrauch von Hygieneartikeln aus Papier. So wird das nichts mit der Arterhaltung.
#PayPal – Kein Geld für Tommy und die stolzen Jungs
PayPal hat die Konten verschiedener populärer Rechtsextremer aufgelöst: Ex-Vice-Mitgründer und rassistisch-chauvinistischer Hass-Hipster Gavin McInnes, seine organisierte Bande von Strassenschlägern, Proud Boys, so wie die rechtsextreme pseudo Freiheitsikone Tommy Robinson müssen zukünftig auf den digitalen Finanzservice verzichten. PayPal erklärt den Schritt pragmatisch mit der Begründung, dass ihr Dienst nicht für die Verbreitung von Hass und Aufrufen zu Gewalt herhalten wolle. Im gleichen Zug wurden auch Konten von Antifa-Gruppen gesperrt. Was richtig und nachvollziehbar gewesen wäre, wenn es dafür eine ebenso sachliche Begründung gegeben hätte. Die gab es aber nicht. Die Policy von PayPal sei hier informell, wenn man Rechte sperre, müssten auch der Gleichbehandlung halber ein paar Linke dran glauben – auch wenn es dafür keinen Anlass gibt.
Gavin McInnes und seine Proud Boys wurden bereits in der jüngeren Vergangenheit deplattformed. Mit der Verbannung von Twitter und Facebook wird solchen Organisationen ein relevantes Instrument der Rekrutierung entzogen, zumal sie auch erst durch soziale Medien bekannt und größer wurden. Social Media ist halt oftmals wie eine Petrischale im Inkubator.
#davidcyril – Erfolgreiche Diät
Und zum Ende noch etwas Erhellendes: Der 85-jährige David Crookson aus Lancashire muss 19 Kilo verlieren. Da schlagen seine Töchter ihm vor, als eine Form von Selbstmotivation einen Tagebuch-Blog auf Instagram zu starten. Vermutlich war dem älteren Herren nicht so richtig bewusst, was er damit anzettelte. Ende September ging die Seite online und der Oktober brachte ein konstantes Wachstum auf nunmehr fast 100.000 Follower. Das Schöne an David Crooksons Seite ist, dass es das absolute Anti-Konzept zum Glitter & Glamour der gängigen Style- und Food-Celebrities auf Instagram ist. Crookson hat mit seinem Instagram-Blog mittlerweile internationale Bekanntheit erlangt, was @davidcyril wohl weiter wachsen lassen wird. Go David!
Artikelbild: Kārlis Dambrāns (CC BY 2.0)