Im August sind uns einige Meldungen aufgefallen, die sich um Lügen und Gerüchte drehen. Jemand, der seine ganze Karriere auf Lügen gestützt hat. Gerüchte mit Todesfolge. Und ein gefaktes Selfie, das einmal mehr den schönen Schein demaskiert. Aber wir haben auch eine inspirierende Geschichte, wie ein Hashtag zu einer neuen Karriere führte und eine ganze Bewegung auslöste. Also, noch mal Kaffee holen und viel Vergnügen – der August.

#PewResearch – Social Media überzeugt nur manchmal

Fake News in den sozialen Netzen gelten gemeinhin als gefährlich. Wie eine Studie des renommierten Pew Research Center zeigt, überschätzen wir da wohl die Überzeugungskraft: Lediglich 14 Prozent der befragten US-Amerikaner bestätigen, ihre Ansichten aufgrund von Informationen in den sozialen Medien geändert zu haben. Die restlichen 86 Prozent sagen dagegen, dass ihnen Social Media zur Informationsgewinnung nicht so wichtig ist. Für die Wechselanfälligen sind sie die wichtigste, wenn nicht sogar die einzige Quelle, gerade für politische Informationen. Wir könnten jetzt suggerieren, wer eher geneigt ist, auf alternative Fakten hereinzufallen. Tun wir aber nicht.

#InfoWars – Ein Nachruf auf den Hass-Messias

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Apropos Lügen: Der Godfather of Hatespeech und Verschwörungstheorie wurde vom Netz genommen. Oder wie man heute sagt: Deplatformed. Alex Jones wurde nach und nach aus allen Social-Media-Kanälen und von allen digitalen Absatzplattformen gekickt. Wer nicht weiß, wer Jones ist und wieso das eine Meldung wert ist: Der Mann ist der Besitzer und Hauptakteur der ultra-rechten Verschwörungsseite Infowars.com. Seine Audio- und Video-Podcasts sind für die weite Verbreitung von Gerüchten wie Pizzagate, ChemTrails, Trinkwasser, das Frösche schwul macht, oder auch alle Lügen über Obama verantwortlich.

Zudem ist er durchaus einflussreich. Unter seinen glühenden Anhängern finden wir Donald Trump, der gerne Posts von Jones teilte, große Teile von Trumps Wählern, Neurechte in Europa und auch bei RT Russia durfte er schon regelmäßig auf Sendung gehen. Was ihm wohl endgültig das Genick gebrochen hat, ist seine Verschwörungstheorie, dass das Sandy Hooks Massaker eine inszenierte Propaganda-Aktion gewesen sei und die Opfer nur Schauspieler waren. Aber: There’s more to the story. Was John Oliver in seinem kleinen Alex Jones Special dokumentiert, findet man auch in Europa immer häufiger. Hate sells!

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#Dril – Der heimliche König von Twitter

Ein Twitter-Account hat ein Buch veröffentlicht. Wieso das eine Meldung wert sein sollte, erschließt sich nicht auf Anhieb. Aber der Account heißt Wint @Dril und ist so etwas wie der heimliche König der Zwitscherbude, dessen Tweets nicht selten weniger als zweistellige tausend Likes bekommen. Man weiß zwar mittlerweile, dass hinter dem Konto ein Autor der Comedy-Website Something Awful steckt. Aber wer ihm folgt, will normalerweise gar nicht wissen, wer er ist. Denn Dril ist einer der wenigen wirklichen Social-Media-Stars, die das Web mit ihrem verschrobenen Humor bereichern, ohne daraus direkt ein Karriere-Projekt zu machen. Das Buch ist übrigens nichts anderes als ein Best Of seiner Tweets, die er seit 2008 ins Netz pumpt. Also, einfach mal bei @Dril vorbeischauen.

#Amerige – Konservative Palastrevolte

Wer sich etwas für Gossip im Silicon Valley interessiert, erinnert sich vielleicht noch an James Damore. Der Entwickler wurde durch ein Memo bekannt, welches er bei seinem Arbeitgeber Google herumschickte und daraufhin gefeuert wurde. In dem Memo beschwerte sich Damore über zu viel Political Correctness und erläuterte, dass Frauen genetisch nicht dazu fähig seien, so wie Männer zu entwickeln. Das Memo gleicht einem Manifest und machte Damore zu einer Art Jeanne D’Arc junger, weißer Männer, die meinen, dass man „das doch wohl noch sagen dürfe“.

Facebook hat nun mit Brian Amerige einen ähnlichen Fall. Der Senior Engineer spricht für eine Gruppe, die sich im Hause Zuckerberg gegründet hat und „FB’ers for Political Diversity“ nennt. Während Damores Memo gegen die googlesche Echokammer noch wie ein pseudowissenschaftlich verschwurbeltes Lamento eines frustrierten weißen Jungen klang, erscheint Ameriges Initiative weitaus differenzierter. Das heißt nicht zwingend, dass nun eine große konservative Vernunftoffensive startet. Es geht in eine andere Richtung.

Amerige stellt sich selbst als weder rechts noch links dar und promotet sich als Objektivist. Eine edle Haltung, die aber leicht zum Feigenblatt für kontroverse Positionen abdriften kann. Genaueres weiß man noch nicht, denn für Interviews oder Kommentare stand er bisher nicht zur Verfügung. Sicher ist zunächst nur: Die Interna des Hauses Zuckerberg werden in naher Zukunft wohl zum Aktionsfeld verschiedener Meinungsanwälte werden. Und es geht noch weiter. Denn Facebook muss sich wohl auch einer Untersuchung stellen, ob bestimmte Meinungen auf der Plattform diskriminiert werden.

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#Beisenherz – Wie privat sind Influencer?

Ein Gericht verhängt eine einstweilige Verfügung gegen ein Facebook-Video, welches Personen ohne deren Zustimmung zeigt. Wäre keine Meldung wert, wenn es nicht ein Video von Moderator und Autor Micky Beisenherz wäre, der Influencerin Carolina Alexandrova bei der Arbeit filmte. Verständlich, dass die Influencerin nicht dabei beobachtet werden will, wie die gestellte Welt von Instagram entsteht. Verständlich aber auch, wenn Herr Beisenherz argumentiert, dass es sich ja um eine Person des öffentlichen Lebens handle und hier Leute bei der Arbeit gefilmt werden.

Der Richter entschied sich dann für die Variante „private Personen ohne Zustimmung gefilmt“. So pathetisch die inszenierte Ästhetik der Influencer auch sein mag: Wenn Herr Beisenherz als bekannter Comedy-Schaffender der Medienbranche so etwas filmt und dann auf seinem Kanal veröffentlicht, ist es nicht mehr Privat gegen Privat.

#SaggyBoobsMatter – Und plötzlich war es eine Bewegung

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Wer die Geschichte noch nicht kennt, sie handelt davon, wie hängende Brüste eine Bewegung weiblichen Selbstbewusstseins gestartet haben. Zum Anfang: Mitte 2017 schrieb die Londoner Fashion-Bloggerin Chidera Eggerue, aka The Slumflower, einen Beitrag über ihre hängenden Brüste, dass sie natürlich sind, hängende Brüste in der Öffentlichkeit unterrepräsentiert seien und Männer sich mit ihrer Meinung bedeckt halten sollten.

Fortan garnierte sie ihre Instagram-Posts mit dem Hashtag #SaggyBoobsMatter. Und das katapultierte ihre Bekanntheit in neue Sphären. Mittlerweile findet man den Hashtag rund 7.300-mal allein auf Instagram. Überwiegend von anderen Frauen genutzt, die damit ein „Ich bin ok, so wie ich bin“-Gefühl klarstellen wollen.

Slumflowers Message und ihr Hashtag haben sich mittlerweile mit reichlich positiver, weiblicher Selbstreflexion angefüllt und #SaggyBoobsMatter ist eine kleine Bewegung geworden. Elle UK nennt sie das Millenial Mastermind, sie wird als Influencer gebucht, hat eine Radio-Show und ist gern gesehener TV-Gast bei großen Sendern. Bei #SaggyBoobsMatter geht es schon lange nicht mehr um hängende Brüste, sondern um ein positives Selbstwertgefühl, was mittlerweile auch zu ihrer ersten Buchveröffentlichung geführt hat. Die Zutaten für diese steile Karriere heißen: Ein Blog-Post, ein Hashtag und das richtige Gespür für ein Thema, das Millionen weltweit anspricht. So geht eine Social Media Karriere.

#Whatsapp – Gerüchte, Mobs und Lynchmorde

Ein gestelltes Video einer Kindesentführung, gepaart mit der Information, dass vermehrt Kinder für Organentnahmen geraubt würden, verbreitet über Whatsapp: Diese Mixtur führte in den letzten sechs Monaten in Indien zu rund zwei Dutzend Lynchmorden von vermeintlichen Entführern durch spontan aufgebrachte Mobs. Unter den Opfern: Nomaden, eine Frau, die nur Süßigkeiten verteilte, ein Software-Entwickler, der bei einem Ausflug Schokolade an Kinder verschenkte und Durchreisende, die nach dem Weg fragten. Für Whatsapp ist Indien ein nicht unwichtiger Markt. Allein in dieser Region hat die Facebook-Tochter rund 200 Mio. Kunden. Bisher reagiert der Kurznachrichtendienst allerdings nur mit einer Einschränkung der Verbreitungsoptionen. Indische Politiker fordern von dem Konzern jedoch mehr. Zumindest die Möglichkeit, schnell den Urheber einer Nachricht ausfindig zu machen.

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Aber die Lynchmorde legen auch offen, dass sich nunmehr auch die Ärmsten der Armen Technologie und Zugang zum Internet leisten können – eigentlich etwas Positives. Was sie dabei jedoch nicht lernen, ist die nötige Internetkompetenz, nicht sofort jedem Netzgerücht auf den Leim zu gehen. Und diese Naivität wird eben auch von politischen Spielern wie der hindu-nationalistischen Regierungspartei BJP ausgenutzt. Diese streut selber immer wieder Gerüchte über Fremde und verbreitet damit Ängste und Stereotype: Ihr habt Angst, wir schützen euch.

So rückständig die indischen Technologieneulinge auch sein mögen, hochentwickelte Westeuropäer sind da nicht wirklich viel medienkompetenter. 2012 wurde in Niedersachsen ein unschuldiger 17-Jähriger im Netz zum Mörder erklärt und ein 50-köpfiger Mob belagerte daraufhin eine Emdener Polizeidienststelle, mit der Forderung „Gebt das Schwein raus“. 2013 stachelte ein rechtsextremer Mob in Gelsenkirchen Anwohner gegen zwei Nachbarn auf. Obwohl die Gerüchte des Kindesmissbrauchs sowohl von Polizei wie auch den vermeintlichen Opfern schnell entkräftet wurden, leiden die beiden Beschuldigten seit dem unter Drohungen und Mobbing.

#Selamat – Glückwunsch, Sie haben überlebt!

Nein, Sprachkompetenz gehört nicht zu Facebooks Stärken. Das nächste Kapitel in der mittlerweile langen Serie von Peinlichkeiten spielte in Indonesien. Nach dem Erdbeben auf der indonesischen Insel Lombok Anfang August schickten sich Facebook-Nutzer in der Region verständlicherweise Nachrichten und Wünsche, dass Freunde überlebt haben. Nun kommt eine Eigenheit der indonesischen Sprache ins Spiel: „Selamat“ heißt „Glückwünsche“, kann aber auch „überleben“ bedeuten. Was macht Facebook? Das Wort Selamat wurde gehighlightet und jedes Update mit Überlebenswünschen wurde mit Luftballons und Konfetti garniert. Bravo, Facebook. Immerhin haben sie sich im Nachgang dafür entschuldigt.

#FakeSelfie – Sauber in den eigenen Fuß geschossen

Smartphones machen heutzutage beeindruckend gute Bilder. Aber wenn man ehrlich ist, die Qualität einer klassischen Spiegelreflex kann auch ein Smartphone nicht erreichen. Und eigentlich überrascht es ja nicht, dass auch die Hersteller für die Werbung angebliche Smartphone-Bilder in Wirklichkeit mit einer Spiegelreflex machen. Peinlich wird es erst, wenn das rauskommt. Im Falle der chinesischen Techno-Schmiede Huawei ist es besonders peinlich, weil ausgerechnet ein Model aus der Werbeaufnahme ein Produktionsbild auf Instagram veröffentlichte und den Fake sehr offen dokumentierte. Vermutlich wird sie nicht mehr für Huawei gebucht werden.

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Artikelbild: Andreas Wulff (CC BY-SA 2.0)

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