Der November hat im Netz wieder den bunten Themenstrauß ausgepackt: Machtdemonstrationen der Großen, lehrreiche Crash-Videos und verünglückte Hashtag-Kampagnen, ergreifende Trauerbekundungen und der Fall einer Legende. Ein Wunder, dass es da noch Platz für Politik und Wirtschaft gab. Bitte schön – der November.

tb_Monatsrueckblick_01November2014 copyBlaue Haken und Kundenächtung – Das neue WhatsApp-Update (ja, schon wieder eins) sieht vor, dass man durch zwei blau Häkchen erkennen kann, ob die Nachricht nicht nur empfangen, sondern auch gelesen (und wann gelesen) wurde. Auf die verständlichen Proteste der gesamten Netzgemeinde, reagierte WhatsApp gleich mehrfach: Die Haken bleiben, aber man kann sie optional auch deaktivieren. Obwohl der Kunden-Aufschrei nachvollziehbar groß war, enttäuscht es etwas, dass eine andere WhatsApp-Aktion völlig unbeachtet blieb: Wer neben WhatsApp noch einen anderen Nachrichtendienst nutzt, muss damit rechnen, von Zuckerbergs Messenger ausgeschlossen zu werden.

Geister der Vergangenheit – Im November mussten Zeitzeugen der 80er beobachten, wie der Kindheitsheld und Saubermann-Comedian Bill Cosby von dunklen Geheimnissen seiner Vergangenheit komplett demontiert wurde. Die Vergewaltigungsvorwürfe waren nicht neu und kommen schon fast turnusmäßig auf. Doch diesmal hat eine Aktion von Cosby selbst für noch mehr Multiplikation gesorgt: Mit dem Cosby Meme Generator sollte wieder etwas positive Stimmung gemacht werden. Was unter #cosbymeme zurückkam, waren Meme-Kreationen, die vor allem seine Vergewaltigungsvorwürfe noch weiter befeuerten. Wir verstehen nicht, wie man das nicht vorhersehen konnte.

Ansage vom Chef – Obama hat eine kurze, aber vielbeachtete Rede zur Netzneutralität gehalten. Wir müssen feststellen: Natürlich sind das vor allem große Worte. Vielleicht auch nur Lippenbekenntnisse. Doch er ist das erste Staatsoberhaupt weltweit, welches überhaupt mal eine klare Stellung zum allgemeinen Geschwindigkeitsrecht bezogen hat. Staatliche Regulierungsvorhaben sind dagegen nicht neu, haben aber noch nie Früchte getragen. Obamas Ansprache ist trotz aller Skepsis nicht unwichtig: Das Thema Netzneutralität genießt eine stiefmütterliche Behandlung in den politischen Arenen. Darüber hinaus sind Lobbyisten der betroffenen Branchen gern gesehene Gäste in den Büros der Parlamentarier. Solange sich kein Staatsoberhaupt für solche ein Thema „accountable“ macht, steuern wir weiterhin stark auf den 2-Klassen-Netzmarkt zu.

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Ausgestreamt – Taylor Swift, bzw. ihr Label, hat ihr gesamtes Programm von Spotify entfernt. Keine Fußnote, sondern ein Ereignis, welches allein aufgrund Swifts-Umsatzstärke für moderne, digitale Absatzwege relevant ist. Die Reaktionen auf diesen Schritt bewegen sich zwischen Neiddebatte und Propaganda-Feldzug: Spotify zahle doch bereits genug an die Musikindustrie und Taylor Swift habe bereits genug verdient. Labelchef Scott Borchetta argumentiert allerdings sehr nachvollziehbar, dass mit dem Spotify-Vertrag die Verwertung völlig außer Kontrolle gerät. Swift befindet sich da übrigens mit AC/DC, den Beatles oder in Deutschland den Toten Hosen und den Ärzten in guter Gesellschaft. Bei Rammstein ging es diesen Monat übrigens vice versa, denn nach langer Verweigerungshaltung sind die Ost-Berliner nun auch auf dem Streamingdienst zugegen. Vielleicht auch, weil ihr Label Anteilseigner von Spotify ist.

Zurück zu normal – War der Streit um das Leistungsschutzrecht nur ein Sturm im Wasserglas? Rekapitulieren wir: Nachdem Google seine Muskeln hat spielen lassen, sind alle Verlage eingeknickt und haben Google eine Gratisnutzung zugesagt. Jetzt ist noch der größte Streiter eingeknickt: Auch Springer erlaubt Google nun die freie Nutzung der Snippets und Bilder. Allerdings nicht still und hörig, sondern mit einer dramatischen Stellungsnahme: Springer legte auf dem eigenen Blog die Verluste durch das Google-Emargo offen und spricht von Marktmissbrauch und Diskriminierung.

Volkstanz – Menschen sind zu unsagbaren Gräueltaten fähig. Wir wollen das gar nicht groß kommentieren. Aber wir würden gerne wissen, warum ein altgedientes, seriöses Unternehmen wie Hans Grohe glaubt, dass dieses Video eine gute Idee war?

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Twitfahrzentrale – Wir haben gesehen, wie sich die Twitter-Gemeinde qua fiktiver Filmtitel über den GDL-Streik lustig machte. Der Zwitscherdienst kann aber auch funktional: Unter dem Hashtag #Twitfahrzentrale fanden sich Suchende und Bietende zu spontanen Fahrgemeinschaften ein, um dem streikbedingten Verkehrsdefizit ein Schnippchen zu schlagen. Man kann langsam behaupten, Twitter sei systemrelevant.

Anfängerfehler – Faustregel: Wer eine Hashtag-Kampagne starten möchte, sollte auf selbstreferenzielle Themen verzichten. Das geht fast immer nach hinten los. Die Frauenzeitschrift Emma wollte nun mit einer Testimonial-Kampagne Twitter für sich arbeiten lassen – und (Überraschung) es ging nach hinten los: Unter dem Hashtag #EMMAistfürmich versammelten sich nicht nur die modern gewordenen Feminismus-Basher, sondern auch die Emma-Hasser aus dem feministischen Lager. Und davon gibt es nicht wenige – darunter auch „prominente“ Partizipanten wie die #Aufschrei-Initiatorin Anne Wizorek. Hätte man voraussehen können.

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Alte Petze – Darf man Hitler für einen Sketch zur Lachnummer machen? Ja natürlich. Vor allem, wenn man es so unpolitisch wie Jan Böhmermann macht (Video hier). Wir wissen nicht, was Bild-Oberpetze Kai Diekmann geritten hat, diese Harmlosigkeit als Skandal an israelische Medien zu melden. Die Kollegen aus Israel haben erst gar nicht reagiert – dafür aber ein anderer aufmerksamer Freund Israels. Der drehte den Spieß um und dokumentierte, wie man auf Bild.de israelfeindlichen Stimmungen freien Lauf lässt. Bei der Gelegenheit: Beim bekanntermaßen hochqualifizierten Klientel von Bild.de sollte man sich das mit diesen dämlichen Kategorien nach Stimmungslage sparen. Mal drüber nachdenken.

Digitale Narrenkappe – Mit der Aktion „Social jeck – kunterbunt vernetzt“ soll die neue Session des Kölner Karnevals nun auch im Netz gesteuert dokumentiert werden. Dabei ist das Motto nicht mal primär medial gemeint, sondern spielt auf das soziale Bewußtsein der Karnevalisten und den multikulturellen Mix der Rheinmetropole an. Ob das nötig ist, sei mal dahingestellt. Aber auch digital: Menschen teilen ihr halbes Leben im SocialWeb und wer Karnevalist ist, wird seine Facebook- oder Twitter-Aktivitäten dabei nicht ausschließen. Unter dem zwangslustig verordneten Hashtag #alaafselfie hat sich jedenfalls kurz nach dem 11.11. nicht mehr viel getan.

Spaltet den Kraken – Seit 2010 läuft ein Wettbewerbsverfahren gegen Google, welches kartellrechtliche Verstöße untersuchen soll. Nun hat das EU-Parlament eine Resolution abgesegnet, welches Suchmaschinendienste von anderen Unternehmungen abspalten soll. Obwohl Google explizit nicht genannt wurde, sollte der Adressat der Entscheidung klar sein. Reaktionen kommen vornehmlich aus Washington, welche einen Trend in der EU wittern, ausländische Unternehmen der Digitalwirtschaft zu diskriminieren. Die Ärmsten, werden einfach am unternehmerisch gewissenlosen Aushölen gleicher Marktchancen gehindert.

Letzte Ehre – Anna van Keulen wusste mit ihren 13 Jahren schon, dass sie eine bekannte Musikerin werden will. Anfang des Monats kam die junge Pianistin bei einem Fahrradunfall auf dem Schulweg ums Leben. Annas Vater wollte ihr den Wunsch eine bekannte Musikerin zu werden noch postum erfüllen und lud ein Video seiner klavierspielenden Tochter hoch. Wenn man weiß, wer das anonyme Opfer aus der schrecklichen Nachrichtenmeldung ist, wird Trauer greifbarer – und das war der Netzgemeinde bis dato 3,5 Millionen Views wert.

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Muttis Knochen – Wir wissen, dass die Kanzlerin ihr abhörsicheres Smartphone von Secusmart, einem deutschen Spezialisten für Verschlüsselungstechnik, bezieht. Secusmart werden nun von Blackberry übernommen. Der Verkauf wurde vom Wirtschaftsministerium zunächst gestoppt, später unter Auflagen jedoch freigegeben: Die deutsche Regierung hat nun ein No-Spy-Abkommen mit Blackberry abgeschlossen. So viel zur heutigen Verhandlungsposition von Tech-Unternehmen.

Spionage, die Zweite – Und weil wir schon mal bei Themen der Schattenwelt sind: Ein ehmaliger Jurist des Bundesnachrichtendiensts hat im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags interessante Details über die Ausdehnung der Befugnisrahmen zum Besten gegeben. Demnach hat der BND seit dem 11.September 2001 seine Befugnisse immer wieder, Stück für Stück, erweitert – ohne parlamentarische Zustimmung, aber mit Wissen und Segen von oben. Kontrollen? Fehlanzeige. Wir wollten’s nur mal gesagt haben.  

Bruchpilot – Die Hagener Polizei ist vorbildlich im Umgang mit Social Media, was sie mit dieser Aktion wieder einmal beweist: Mit Einwilligung des Besitzers, veröffentlichten die Ordnungshüter das Video einer Action-Cam, welche die wilde Fahrt eines Motorrad-Fahrers dokumentiert – die Fahrt endet mit einem Crash. Der Clip ist sehr amateurhaft editiert, erfüllt aber seinen Zweck: Im Bewegbild zeigen sich zahlreiche, gedankenlose Verstöße während der Fahrt. Das Posting erfuhr knapp 5.000 Likes, jedoch über 10.000 Shares. Respekt!

 

So nicht, mein Lieber – Facebook verpassen ihren AGB ein Facelifting. Was dahinter steckt, können wir an einer Hand abzählen: Noch mehr Daten sammeln für noch optimalere Werbebedingungen – und verkauft wird es als Schutz der Privatsphäre. Die gesenkte Datenschutzgrenze ist allerdings nicht der primäre Aufreger: Facebook legt fest: Wer ab dem 01. Januar 2015 weiter auf Facebook surft, stimmt automatisch den neuen AGB zu. Und das ist in Deutschland rechtswidrig. Als Reaktion posten nun viele User ein Bild einer Widerspruchserklärung an die Pinwand. Dies ist im Übrigen genauso unwirksam wie die AGB-Änderung selbst.

Social Kondolenzen – Der Tod des australischen Cricket-Stars Phillip Hughes macht die Anhänger des englischen Sports tief betroffen, vornehmlich natürlich in Ländern des ehemaligen Commonwealth. Als Zeichen der Trauer stellen Australier ihre Cricket-Schläger vor die Tür und machen unter dem Hashtag #putoutyourbats die Social-Walls zu großen Kondolenzbüchern. Das zeigt uns: Trotz aller Shitstorms, ist die Netzgemeinde auch immer wieder zu ergreifenden Symbolhandlungen fähig – das macht Hoffnung.

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Kurs geklärt – Der Börsenstart von Rocket Internet wurde von harscher Kritik und einer Bauchlandung begleitet. Das Papier entwickelte sich dagegen jedoch ganz gut und konnte sich sogar über eine Empfehlung des Bankhaus Goldman Sachs freuen. Das sahen J.P.Morgan einige Tag später etwas gelassener, stuften die Aktie eher neutral ein und drückten damit wieder das Wachstum. Enttäuschend sind dagegen die Medienmeldungen, RI ginge jetzt durch die Decke. Unsachliches Hochjazzen von Börsenwerten – das ist ja noch nie schief gegangen. Erkenntnis: Börsenhandel ist wie Zickenkrieg.

Abgebrannt? – Aus dem Ressort „Was macht eigentlich…“ erreicht uns das Gerücht, der chronisch unsympathische Kim Schmitz aka Kim Dotcom sei pleite. Bekanntgegeben hat Schmitz das bei einer Skype-Konferenz. Schuld an der Pleite seien all die Prozesse gegen ihn und die Kosten der anwaltlichen Manpower, denn: Nachdem seine liquiden Ressourcen aufgebraucht waren, sollen die Rechtsvertretungen laut Schmitz einfach ihre Mandate niedergelegt haben. Einerseits kann man davon ausgehen, dass dem Gauner wieder was einfällt, um an Liquides zu kommen. Andererseits wird er dies wohl nie auf gänzlich legalem Wege schaffen. Wie ermüdent.

Rotzlöffel – Und zum Abschluß noch ein Best-Practice-Beispiel für kleine Jungs, die sich im Netz daneben benehmen: Die australische Journalistin Alanah Pearce bewegt sich mit ihrem Arbeitssujet Games auf einem von Jungs (nicht Männern) dominierten Terrain. So kommt es leider vor, dass der Dame via Facebook Vergewaltigungsdrohungen zukommen. Und was macht man da am besten? Man erzählt es den Müttern der Jungs. Es scheint zu wirken und sollte Schule machen.

 

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