Für manche hilfreich, für andere schädlich – was AdBlocker aber auf jeden Fall sind: ein großartiges Beispiel dafür, dass wir mit manchen Trends und Hypes zu kurzsichtig umgehen. Aber ein Schritt nach dem anderen. Die aktuelle Meldung lautet, dass AdBlocker weiter in der Gunst der Nutzer sinken. Wir haben mal geschaut, ob das stimmt, warum das so sein könnte und lassen bei dieser Gelegenheit auch die doch recht ereignisreiche Historie der streitbaren Software Revue passieren.

Mobile Boom gleich AdBlocker Boom?

Wir sprechen jetzt seit gut fünf Jahren intensiv über Werbeblocker. Wohl nicht zuletzt, weil Werber und Publisher in diesem Zeitraum über die hohen Verluste durch ausgesperrte Anzeigen und fallende Display-Preise klagen. Dabei hätten sie auch vorher Klagelieder singen können, denn Werbeblocker gibt es bereits seit Ende der 90er-Jahre und die aktuellen Bösewichte wie AdBlock Plus bieten ebenfalls seit mehr als zehn Jahren Lösungen an.

Ende 2012 stieg die Zahl der Nutzer von Werbeblockern sprunghaft an. Warum das so ist, lässt sich aus keiner Analyse wirklich abschließend herauslesen. Man darf aber vermuten, dass die meist heruntergeladene Applikation, AdBlock Plus von der Kölner Softwareschmiede eyeo, eine signifikante Rolle in dieser Entwicklung spielte. 2011 gründete Wladimir Palant, der Adblock Plus bereits 2006 unter GPLv3-Lizenz als Open-Source-Produkt entwickelte, mit Till Faida die Firma eyeo GmbH, um ein tragfähiges Produkt voranzutreiben. Seit 2012 stehen Android-Version und Firefox-AddOn zur Verfügung, 2014 kam die Erweiterung für Chrome und seit 2015 ist auch eine Version bei iTunes verfügbar. Eine alleinige Erklärung durch den Mobil-Boom, ist zu kurz gegriffen. Aber der Anteil der mobilen Nutzer hat mittlerweile nicht-mobile Anwender weit übertroffen.

Adblocker Nutzung
Adblocker-Nutzung seit 2010. Quelle: PageFair 2017 Global Adblock Report, Grafik: Socialmediakonzepte.de

Acceptable Ads

Zunehmend nicht ausgespielte Werbung bedeutet faktisch einen Schaden für werbende Unternehmen. PageFair sahen die Verluste durch geblockte Werbung 2015 global bei rund $ 22 Mrd. Ovum errechnen bis 2020 sogar Einbußen von $ 35 Mrd. Eine Alternative zu den Werbeausfällen boten eyeo direkt bei der Gründung: Das Acceptable Ads-Programm ermöglicht es, sich „whitelisten“ zu lassen. Zahlende Werber landen auf der Liste und werden durch die Werbeblockade durchgelassen. Klingt nach Wegelagerei, aber: Die Nutzernachfrage zeigt, dass es ein Bedürfnis für Werbeblocker gibt und ein Prüfprogramm, welches die Werber an einen bestimmten Katalog für akzeptable Werbung bindet, klingt im Sinne der Nutzer nicht schlecht. Wer steht auf der Liste und lässt sich whitelisten? Google, Amazon, Microsoft, aber auch Dienste wie Taboola. Google erklärten bereits 2013, dass ihnen das Whitelisting Verluste um die $ 890 Mio. ersparte. Wer dafür nicht zahlte, aber statt dessen Klagewellen lostrat: Verlags- und Medienunternehmen.

adblock plus addons mozilla
Mozillas hauseigene Statistik zeigt: Auch wenn die Zahl der Downloads rückläufig ist, tendiert die Nutzungsstärke zur Stagnation auf einem Level. Quelle: Screenshot Mozilla Statistics for AddOns

Mit dem Kopf durch die Wand?

Man kann nun weiter über den sinkenden Wert von werbebefreitem Traffic oder die fallenden Display-Preise lamentieren – und die Kritik ist auch berechtigt. Aber während hierzulande noch sehr gerne geklagt wird, haben gerade US-Unternehmen eine andere, zweigleisige Strategie für sich entdeckt. Normale Anzeigen und Displays werden durch AdBlocker immer eliminiert. Was dagegen funktioniert: Native Advertising, in Suchmaschinen wie auch durch Content-Vermarkter wie Taboola oder Outbrain.

Und nach dem guten alten Pay-to-Play-Prinzip zahlen mittlerweile über 700 Unternehmen für das Whitelisting. Und darunter nicht nur die Riesen der Digital Economy, sondern eben auch Agenturen wie Reuters, Content Vermarkter wie Taboola und Outbrain und prominente Publisher wie huffingtonpost.com, independent.co.uk oder techcrunch.com.

Boom oder Abgesang?

Die aktuelle Meldung lautet, die Nutzung von AdBlockern sei rückläufig. Der Online-Vermarkterkreis (OVK) hat seit dem vierten Quartal 2015 einen knapp vierprozentigen Rückgang auf rund 17 Prozent ausgemacht. Laut Oliver von Wersch von Gruner + Jahr Digital dokumentieren diese Zahlen die Maßnahmen, welche Werbetreibende gegen AdBlocker ergriffen haben. Der stetige Austausch mit Nutzern und die qualitative Verbesserung der Werbeinhalte seien hierfür maßgeblich gewesen. Auch, dass sich das Geschäft zunehmend auf den mobilen Bereich verlagere und AdBlocker dort keine Rolle spielten, sei ein Faktor. Und an dieser Stelle werden wir dann skeptisch, denn mit über zehn Mio. Downloads allein auf Androidgeräten kann man nicht von einer Randerscheinung reden. Lobt sich hier ein Berufsverband für Zufallserfolge?

Infografik: AdBlocker-Nutzung ist rückläufig | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Der Boom der Mobilgeräte ist sicher nicht für sinkende Zahlen verantwortlich. Nach welchen Parametern der OVK diese Zahlen ermittelt hat, wissen wir nicht. Aber es gibt auch andere, natürliche Faktoren, die solch einen Abschwung erklären könnten. Beispielsweise veränderte Nutzungspräferenzen: Desktops und selbst Laptop-Computer fallen in der Gunst der Nutzer. Dafür werden immer häufiger Smartphone und Tablet zur primären Online-Gerätschaft. Und was mit der Verbesserung der Werbeinhalte gemeint ist, deutet eher in Richtung Content-Vermarkter und Native Advertising.

Wer hat recht?

Globale Erhebungen sehen hier keinen Einbruch, sondern eher einen steigenden Trend – weltweit um die 30 Prozent. Wir raten trotzdem zur Skepsis gegenüber beiden Interpretationen, zumal es den Anschein hat, die Ergebnisse hingen stark von den jeweiligen Erhebungsmethoden ab. Oder anders gesprochen: Die einen messen, wie viele Leute sich eine Waffe besorgt haben, die anderen messen, wie viele Menschen durch Schussverletzungen ums Leben gekommen sind. Wie viele nun faktisch eine Waffe (AdBlocker) genutzt haben, wird aus beiden Erhebungen nicht vollends ersichtlich.

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Fazit – Haben AdBlocker noch Zukunft?

Die Frage nach der Lebenserwartung von AdBlockern ist wenig zielführend. Denn wir sind schon einen Schritt weiter. Wir sind dort, wo Werbeblocker die Vermarktung von Content und Native Advertising nicht eingeschränkt, sondern beflügelt haben. Des Weiteren sehen wir, dass sich Teile der Branche nicht auf den Kampf gegen, sondern die Koexistenz mit Werbeblockern einstellen: „AdBlock-Traffic funktioniert“ hieß es auf der diesjährigen Online Marketing Rockstars. Gemeint war, dass ausgespielte Werbung auf geblockten Seiten, also über die beschriebenen Content-Vermarkter, signifikant bessere Werte erzielte als normale Werbeanzeigen, die durch AdBlocker verschwinden.

Die Zahl der blockierenden Devices hält sich nun schon seit mehreren Jahren bei 20 bis 25 Prozent, was natürlich nicht wenig ist. Aber die todbringende Welle ist eben auch seit Jahren ausgeblieben. Und trotz temporärer Abgesänge, gibt es keine Anzeichen, dass sich die Stagnation einstellt. AdBlocker werden bleiben und stellen vielleicht sogar eine Art Korrektiv gegen zu aufdringliche Werbung dar. Die Vermarktung von werbebefreitem Inhalt wird sich dagegen mit Sicherheit weiterentwickeln.

 

Artikelbild: Wolk9 (CC0 Public Domain)

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One reply to “AdBlocker – bald auf dem Müllhaufen der Geschichte?”

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