Rekordhitze, Sturmtiefs, schwülwarme Temperaturen und Hundskälte: Die Beschreibung des Juli-Klimas deckt sich treffend mit der wechselhaften Wetterlage der Netzwelt – alles war drin und es ging hoch her. Turbulente Tage bei großen Namen der Netzwirtschaft, der Kampf gegen Rassismus und empathielose Fremdenfeindlichkeit, aber natürlich auch reichlich frohe Kunde aus dem Land von Tech, Web und Co.: Unser Monatsrückblick hat mal wieder den informativen Nährwert einer soliden Vorabendunterhaltung. Also, wie gewohnt: Füße hochlegen, Kaltgetränk serviert und viel Spaß – der Juli.

Fuchs gegen Blitz – Bevor wir richtig loslegen: Sollten Sie den Firefox nutzen und noch kein Flash-Update vollzogen haben, wurden Sie sicher schon mehrfach gefragt, ob der Browser Adobe Flash zulassen soll – spätestens, wenn Sie ein Video sehen wollen. Nun ist Flash schon seit längerem umstritten, und auch veraltet, zumal sich in den Anwendungen recht erfolgreich Malware verstecken lässt. Als der zweifelhafte italienische Hersteller für Spionagesoftware Hacker Team (Kunden u.a. das FBI) Anfang Juli selber Hackern zum Opfer fiel und (nicht ganz zu Unrecht) der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, machten interne Papiere des Mailänder Schnüffelspezialisten die Runde. Daraus gingen Informationen über Flash-Lücken hervor, welche nicht mal Adobe kannte – Hacker allerdings schon und die nutzten sie auch. Deshalb blockierte der feurige Fuchs von Mozilla auch Flash-Inhalte. Mittlerweile sollen die Lücken geschlossen worden sein. Für die Videos in unserem Monatsrückblick können Sie aber ruhig die Anwendung zulassen – nach einem Update ist es eh kein Problem mehr. Unsere Inhalte sind nicht kritisch – zumindest nicht für Ihr Betriebssystem.

Schöner wohnen by Bundesregierung –Gut leben in Deutschland“ ist der Titel einer neuen hab mich lieb-Kampagne der Bundesregierung, welche für mehr Bürger-Dialog sorgen soll. Auf diesem politischen Werbemarathon durfte auch LeFloid ran und die Kanzlerin für die Generation Social Media interviewen. Die Reaktionen waren überwiegend kritisch und dokumentierten, dass Journalismus doch etwas schwieriger ist, als Videos drehen oder „einfach mal ’ne Meinung haben“: Die Performance war enttäuschend lasch, Merkel hat ihn mehrfach kalt auflaufen lassen, kein Nachhaken und Fragestellungen der Windrichtung „Gibt’s da was von Ratiopharm?“. Aber wie das bei Experimenten so ist: Kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis. Und das lautet hier: Hohe Reichweite und Gatekeeper für junge Peer-Gruppen zu sein, ist noch kein Qualitätsgarant. LeFloid war ungefähr so lebendig wie der tote Vogel auf seiner Mütze, hatte beim Kanzlerinnen-Interview nur eine Statistenrolle und ist blank instrumentalisiert worden. Schuster, bleib bei deinen Leisten.

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Frösche im Weltall – Mediakraft und die YouTuber: Durch die „prominenten“ Abgänge der Vergangenheit (Unge, LeFloid, ApeCrime), haben wir einiges über Multi-Channel-Netzwerke und deren geschäftliche Gepflogenheiten gelernt. Es war nun längere Zeit still, jedoch geht es offensichtlich mit den Zerwürfnissen zwischen Agentur und YouTubern weiter: Im Juli verabschiedeten sich Space Frogs und Daaruum. Während die Begründung bei Letzterer eher nach „Ich kann grad‘ nicht“ klingt, schließt der Abschiedsgruß der Weltraumfrösche direkt an die Kritik der vorherigen, namenhaften Ex-Mitglieder an. Space Frogs-Mitbegründer Steven Schuto bemängelt: Wir haben den Vertrag vor einer gefühlten Ewigkeit gekündigt und nun ist er ausgelaufen.Und wie auch bereits LeFloid, erklingt die Kritik, der Netzwerk-Gedanke sei verloren gegangen. Multi-Channel-Netzwerke werden wohl weiter eine wichtige Rolle für Newcomer spielen. Aber sie scheinen mit ihrer arbeitsrechtlichen Praxis erfolgreiche Tuber auf Dauer nicht halten zu können.

TaylorSwift_donationDie Spenden-Swift – In diesem Monat hinterlässt Frau Swift ihre nachhaltigen Spuren auf der Crowdfunding-Plattform GoFundMe. Naomi ist ein kleines Mädchen, welches über das Portal versucht, Geld zur Kostendeckung ihrer Krebsbehandlung zu sammeln. Die Kleine scheint auch Taylor Swift-Fan zu sein und weil sie nicht zu ihren Konzerten kann, spendet der Popstar mal eben 50.000 Dollar. Soweit so gut – Swift eben. Nur wäre die Spende beinahe nicht möglich gewesen, denn das Limit für Spenden liegt bei 15.000 Dollar. Frau Swift hat dann einfach mehrfach gespendet und GoFundMe haben die Konsequenzen gezogen: Das Spendenlimit liegt nun bei 50.000 Dollar.

Prince has left the building – Bei Spotify auszusteigen, ist für viele bekannte Künstler gerade en vogue. Nun ist auch Prince bei Spotify, Rdio und Deezer ausgestiegen. Und bei Apple-Music wird er zunächst auch nicht zu hören sein. Der Rockstar-Exot ist in der Vergangenheit bereits häufiger mit seiner anti-industriellen Haltung aufgefallen. Somit könnte man diesen Zug als Prince-typisches Statement interpretieren – wäre er nicht bei einem anderen Streaming-Dienst verfügbar: Tidal. Hier wird es interessant, mal auf die Zahlungsmodalitäten zu schauen. Entgegen allen Lamenti: Spotify zahlen 70% der Einkünfte an Major-Labels zurück, Apple sogar 71,5%. Tidal, als von Musikern gegründeter Dienst, der bereits mehrfach CEOs rausgeschmissen hat, zahlt über 75% aus. Diese Auszahlung hat noch nichts damit zu tun, was wirklich beim Künstler ankommt. Im Falle Prince sind das zu gleichen Teilen die Labels Warner Bros. Music und NPG Records, welches (Achtung, Überraschung) dem singenden Hobbit aus Minneapolis gehört. In other words: Daher weht der Wind. Na ja, wer so oft seine Musik verschenkt, muss auch mal Geld verdienen.

3, 2, 1, Trennung – Ebay spaltet seine Tochter PayPal ab und will sie an die Börse bringen. Damit verabschiedet sich das Auktionshaus von seinem Tafelsilber, war der Bezahldienst doch das Einzige, was im Konzern noch für Wachstum gesorgt hat. Und bei einem geschätzen Wert von 50-60 Mrd. Dollar, dürfen sich Shareholder auf ein wertvolles Papier pro Ebay-Anteil freuen. Frisches Geld, schön und gut. Ebay kommt damit jedoch weiterhin nicht aus dem Quark und muss sich langsam etwas einfallen lassen, denn: Die Umsätze sind hoch, aber die Gewinne klein.

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Digitale Heuchelei – Die CDU entdeckt so langsam das Cyber-Zeitalter: Eine Zukunftskommission der Christdemokraten stellte die Partei vor die Frage, wie man mit der „digitalen Revolution“ umgehen solle. Im Jahre 2015 noch von digitaler Revolution zu sprechen, grenzt bereits an Realsatire. Aber zu den Fakten: Die überwiegenden Punkte scheinen die neue Technik lediglich als administratives Instrument zu verstehen. Was aber besonders überrascht, ist die Forderung nach einem Recht für alle, auf schnelles Internet. Löblich, zumal gerade Unionspolitiker bisher immer die Strategie pflegten, Freiheit zu predigen und Ketten zu verordnen: Während sich Angela Merkel gerne mit den „berechenbaren Qualitätsstandards“ zur Kultivierung moderner digitaler Dienste zitieren lässt, bleibt Günther Oettinger, Parteifreund und seit 2014 EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft (!!!), ein verschlagener Manipulator, der die Netzneutralität durch doppelte Standards torpediert. Und beim Breitbandausbau in Deutschland sieht es auch nicht anders aus: Große Versprechen, wenig Greifbares und freie Hand für die Wirtschaft, die sich selbst aussucht, wo sie ihren subventionierten Netzausbau voran treibt. Die Union und das Cyber-Zeitalter: Eine Geschichte vieler Missverständnisse.

Geladen, entsichert, Uschi frei – Und da wir schon mal bei Unionspolitikern sind: Unsere explizit entschlossene Verteidigungsministerin will jetzt auch Cyber-Krieger haben. Im Detail heißt das: Von der Leyen forder die Aufstockung und Zentralisierung von IT-Ressourcen der Bundeswehr. Die Netzkrieger sollen dann nicht nur zu Verteidigungszwecken herhalten, sondern auch fit für den Angriff im In- und Ausland sein. Mal ehrlich, müssen Sie da nicht auch schmunzeln? Das Netzwerk unseres Parlaments wurde erst jüngst dem Erdboden gleich gemacht; das Militär unserer Bündnisfreunde in Übersee kann Hackern kaum etwas entgegensetzen und Frau Uschi stellt sich in den Wind und feiert die ambitionierte Wehrhaftigkeit. Das kann kein Comedy-Autor erfinden.

Wahlfreiheit – In den USA geht Facebook in puncto News Feed einen Schritt auf seine User zu und gibt ihnen ein Tool an die Hand, um endlich aktiv den Nachrichtenfluss zu gestalten: Mit dem „See first“-Tool der NF-Preferences können Facebooker nun Freunde priorisieren und die Follow/Unfollow-Einstellungen verwalten. Würden wir gerne mal testen, zumal durch diese Einstellungsmöglichkeit viele Detailoptimierungen obsolet würden. Zumindest die „See first“-Option ist bereits unter dem „Folgen“-Button zu wählen. Aber bisher gibt es keine Informationen zu einem kompletten europäischen Roll-Out.

https://vimeo.com/132961281

Freunde-SymbolFrau vor Mann – Es fällt kaum auf: Das Freunde-Symbol des Facebook-Frontends weist nun ein Statement der Gleichberechtigung auf. Während vorher das Mann-Piktoramm vor der Frau stand, ist es nun umgekehrt und die Größen (Mann war früher größer) wurden angeglichen. Zu verdanken haben wir das der deutschen Webdesignerin Caitlin Winner, welche seit 2013 im Hause Zuckerberg die Pixel schwingt. So ganz konsequent wurde die Veränderung jedoch nicht umgesetzt: Geht man auf die eigene Freundesseite, wird weiterhin das alte Symbol angezeigt. Nichts Bahnbrechendes, aber ein wichtiges Detail. Ein anderes interessantes Detail, ist der Umsetzungsprozess, den die Designerin beschreibt: Anscheinend entscheiden die unterschiedlichen Facebook-Abteilungen eigenständig, wie, wann und ob sie eine Veränderung umsetzen.

Trauer auf Kanadisch – Und wieder ein Beispiel für die Geschwindigkeit, mit der Twitter die Menschen verbinden kann: Eines Morgens lag an ein toter Waschbär auf einem Bürgersteig in Toronto. Ein Bürger hatte die Behörden bereits um neun Uhr morgens informiert, via Twitter, inklusive Bild. Die Behörden antworteten, via Twitter, dass die zuständigen Behörden informiert wurden. Und dann dauerte es noch 14 Stunden, bis etwas passierte. Die Toronter haben in der Zwischenzeit große Trauerarbeit geleistet, sogar einen kleinen Gedenkschrein eingerichtet. Ob das nur dem temporären Eventcharakter geschuldet ist oder wirklich die Idee verfolgt, Tiere mitten in der Stadt nicht anonym sterben zu lassen – wer weiß.

shoshana_cnnSpätes Lamento – Shoshana Roberts, das ist die Dame, welche für die Anti-Sexismus-Organisation Hollaback! 10 Stunden durch New York lief und sich bei alltäglichen sexistischen Belästigungen filmen ließ. Wir erinnern uns. Zu unserer Verwunderung verklagt die Frau nun Gott und die Welt: Den Filmemacher, weil er für die Veröffentlichung angeblich keine schriftliche Einwillung von Roberts eingeholt habe; eine Restaurantkette, weil sie eine Parodie von der Aktion produzierte; und Google wie auch Apple, weil sie die Videos verbreitet haben. Vor diesen Informationen stellen sich die Fragen, was ist in die Dame gefahren und welcher Anwalt rät seinem Mandanten zu so einer windigen Klage? Wir erinnern uns, dass Roberts für die Aktion traurigerweise bedroht und angefeindet wurde. Wir erinnern uns aber auch, dass sie sich nach der Aktion, in Interviews im Licht der Aufmerksamkeit sichtlich wohl fühlte. Entweder wird uns hier nicht die ganze Wahrheit erzählt oder es ist wirklich eine mehr als enttäuschende Geschichte.

Lauter Schweiger – Von Til Schweiger sind wir ja einiges an hitzigen Facebook-Battles mit Trollen und Hatern gewohnt. Diesmal setzte sich der Nuschelmime couragiert für Flüchtlinge ein. Und wundert es uns, dass sich die „besorgten Bürger“ sofort auf den Schauspieler stürzten? Nein. Der inflationäre Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft hat sich mittlerweile zu einem ernsthaften sozialen Problem entwickelt – auch wenn Soziale Medien nicht wirklich repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind. Man muss löblich hervorheben, dass Schweiger nicht einknickte, keine Kompromisse suchte und auch keine formal-gespülte PR-Erklärung abgab. Der Zweiohr-Künstler bölkte zurück – und das war, ehrlich gesagt, gar nicht mal schlecht. #Gesichtzeigen (Quelle: tagesschau.de)

Peinliche Courage – Google Maps, genauer My Maps, ist ein praktischer und viel genutzter Kartendienst. So praktisch, dass sich auch das falsche Klientel der Technik bedient: Die rechtsextreme Mini-Partei „Der III. Weg“ hat unter dem Titel „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft“ eine Karte mit allen Asyleinrichtungen in Deutschland veröffentlicht. Und wäre es vor dem Hintergrund der zunehmenden Anschläge auf Heime nicht schon offensichtlich, wird zunächst diskutiert, ob und wie diese Karte (einer zweifelsohne verfassungswidrigen Organisation) gegen Gesetze oder Richtlinien verstoße. Ende vom Lied: Google löschte die Karte nach mehreren Tagen. Grund: Verstoß gegen eine interne Richtlinie. Ein schönes Beispiel, wie regelhöriger Formalismus organisierten Verfassungsfeinden in die Hände spielt. Und leider: Die Karte ist wieder im Umlauf.

Fliegende Pest – Mal ganz ehrlich: Wir sind begeisterte Freunde neuer Technik und neuer Gadgets. Und wer liebt nicht die überwältigenden Möglichkeiten der Kameraführung durch Drohnen. Aber wir brauchen langsam vielleicht ein paar Regeln, wie zwei extreme Beispiele aus den USA zeigen: Feuerwehrleute aus Kalifornien beklagen, dass Einsatzflieger an ihrer Arbeit gehindert werden, weil Drohnen, vermutlich von Nachrichtensendern, über den bewohnten Gebieten zwischen den Waldbränden umherschwirrten. Manche Häuser seien durch diese Behinderung nicht rechtzeitig zu retten gewesen. Und ein amerikanischer Vater machte kurzen Prozess und schoss eine Drohne vom Himmel, welche über seinem Grundstück schwebte und seine sonnenbadenden Töchter filmte. Auch beim Brand des norwegischen Weltkulturerbe Lærdalsøyri, sollen Drohnen im letzten Jahr die Löscharbeiten der Feuerwehr behindert haben. Das sind natürlich Ausnahmebeispiele. Jedoch ist der Einsatz der fliegenden Gadgets auch in weniger extremen Situationen nicht ganz problemfrei. Daher noch einmal ein kleiner Überblick.

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Quelle: Screenshot

Stille Treppe für Nazis – Wer hetzt wird bestraft: Glücklicherweise bestätigt sich diese Rechtssicherheit doch gelegentlich. Und es beruhigt, dass Richter nicht auf Unverfänglichkeiten und die Ausrede der Meinungsfreiheit reinfallen. Ein Mann, der „Duschen öffnen und mehr Ascheplätze“ in einer nationalistischen Facebook-Gruppe forderte, musste 500 Euro zahlen. Ein Bayer, der einem Asylantenheim, via Artikelkommentar, Gas und Handgranaten frei Haus liefern wollte, musste 7.500 Euro zahlen. Und ein Porsche-Lehrling verlor nach einem Hasskommentar seinen Ausbildungsplatz. Und das war sogar arbeitsrechtlich rechtens. Erfreulich, dass es auch noch unerwartete Beispiele gibt: Der Reservistenverband Sachsen hat einen rechtsgesinnten Ex-Soldaten, nach Hetzkommentaren, ausgeschlossen. Vielleicht ist die Lage doch nicht so aussichtslos, wie manchmal befürchtet.

Mit Petz-App gegen Wasser-Nazis – Das ist schon eine neue Dimension von Totalüberwachung – aber eins nach dem anderen. Kalifornien leidet unter einer epischen Dürre und da ist Wasser eine äußerst knappe Ressource. So knapp, dass man schon den vertrockneten Rasen grün lackiert und für Wasserverschwendung empfindliche Strafgebühren zahlen muss. Die Situation ist so dramatisch, dass das Denunzieren des Nachbarn als notwendige Maßnahme angesehen werden könnte. So findet man unter dem Hashtag #DroughtShame (Dürreschande) Zeugenkunde von verschwenderischen Mitbürgern. Wir sind dabei auch auf eine App aufmerksam geworden, welche das Denunzieren noch erleichtert: VizSafe verkauft sich selbst als ‚Crowdsourcing and Communication-App‘, die für eine sichere Nachbarschaft sorgt. Was faktisch passiert: Wer seinen Nachbarn, oder wen auch immer, bei einer Ordnungswidrigkeit beobachtet, kann diese über die App öffentlich machen und die Geopunkte auf einer Karte taggen. Und die Leute lieben es: Explosionsartige Userzunahme und selbst die Polizei arbeitet mit der App. Die Golfplätze und Gated Communities für Superreiche, welche mitten in der Wüste künstlich grüne Oasen bauen, wird man wohl nicht an diesem digitalen Schandpfahl wiederfinden. Andererseits: Man muss sich auch mal anschauen, wie in Kalifornien ganz alltäglich Wasser verschwendet wird. Da wundert dich nichts mehr.

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Krise im Paradies – Bei Google gibt es ein Anreizsystem, wonach jeder Mitarbeiter einem anderen Mitarbeiter einen sogenannten Peer-Bonus von 150 Dollar, für gut erledigte Arbeit, zukommen lassen kann. Einzige Hürde ist der jeweilige Team-Manager, welcher den Bonus gegenzeichnen muss. Erica Baker arbeitete als Software-Ingenieurin bei Google und beobachtete schon lange Zeit argwöhnisch, dass die Einkommen für gleiche Arbeitspositionen sehr unterschiedlich bezahlt werden. Während ihre Kollegen laufend neue Boni bekamen, ging sie leer aus – trotz gleicher Arbeit und zum Teil besserer Resultate. Der einzige Unterschied zu ihren Kollegen: Die Software-Ingenieurin ist schwarz und weiblich. Als dann ein Doodle zum Geburtstag der schwarzen Journalistin, Frauen- und Bürgerrechtlerin Ida B. Wells herauskam, platzte Baker der Kragen: Die Programmiererin erstellte eine Liste, in welcher jeder Kollege sein Gehalt eintragen konnte. Dieses Spreadsheet kam intern gut an – zumindest bei den Mitarbeitern, welche die Liste stetig wachsen ließen. Sieben Kollegen haben ihr sogar einen 150 Dollar-Bonus zugesendet – kein einziger von diesen Boni wurde gegengezeichnet. Und trotzdem verteidigt sich Google mit einer unverschämten Ausrede: Googles Personalchef Laszlo Bock brüstet sich sogar mit der unfairen Bezahlung und begründet den Umstand mit der unterschiedlichen Produktivität der Mitarbeiter – nach seiner Interpretation sind 95% der Google-Mitarbeiter nicht ausreichend produktiv. Wie diese Produktivität jedoch beurteilt wird, liegt in der individuellen Betrachtung der Team-Manager.

Bei Google rumpelt aber noch mehr: Der Netzriese hat mittlerweile sechs Quartale in Folge die Erwartungen der Wall Street weit unterschritten. Das Vertrauen schwindet und Google reagiert: Die Zahl neuer Mitarbeiter ist im Vergleich zu den Vorjahren stark geschrumpft. Dies sei Teil der Maßnahmen, die das Unternehmen effizienter machen sollen – man müsse besser auf die Kosten achten. Das passt auch zu den Bonuszahlungen: Unternehmen versuchen durch variable Lohnformen Personalkosten flexibel zu steuern. In fetten Jahren leben alle gut; in mageren Zeiten bleiben Boni meist aus und der fixe Bestandteil des Gehaltsmusters liegt zumeist weit unter den angemessenen Vergütungen. Merken wir uns: Bei Google werden qualifizierte Techniker und Entwickler wie Vertriebsbeauftragte und Versicherungsvertreter bezahlt, und das noch nicht einmal gerecht – aus Gründen der Effizienz. Na dann: Gut Nacht um acht.

Wie wichtig die Meinung der Börsianer für Google ist: Google+ hat nie die Liebe der Shareholder gewinnen können – auch, weil das Netzwerk an der Wall Street bereits frühzeitig als „virtuelle Geisterstadt“ verspottet wurde. Nun hat Google den g+-Zwang für YouTube und weitere Dienste wieder gecancelt und für viele scheint dies ein Indiz zu sein, dass die Tage von Googles Sozialem Netzwerk gezählt seien.

Zum ernüchternden Schluss: Googles Waffe gegen die Krise liegt nicht in der technischen Weiterentwicklung, geschweige denn der Produktverbesserung. Bereits im März konnte der Gigant Ruth Porat als neue Finanzministerin gewinnen. CFO Porat kommt von Morgan Stanley und gilt als verlässliche Navigatorin durch extreme Finanzkrisen. Und es wirkt: Die Quartalszahlen des zweiten Jahresviertels brachten das Vertrauen der Börsianer wieder zurück und die Aktie schloss am Verkündungstag mit 13 Prozent im Plus.

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Wachstumswehen – Nicht nur bei Google, auch bei Facebook wurden die Quartalserwartungen unterschritten. Ein Gewinnminus von rund 9 % zum Vorjahr ist einem Kostenanstieg von 82 % geschuldet – trotzdem konnte der Umsatz um 39 % gesteigert werden. Zu viele Zahlen? Ganz normal. Facebook verfolgt gerade einen längerfristigen Investionsplan, der noch in der operativen Phase steckt. Einen Zeitpunkt X, wenn alles perfekt zusammengeht, muss man nicht erwarten. Aber Krisenzeichen sehen definitv anders aus.

Mahnung der Vorväter – Wie bewaffnete Drohnen die Kriegsführung verändert haben, ist bereits bekannt. Wenn diese Drohnen eigenständig werden und nach Erkennungsparametern Ziele neutralisieren (aka Menschen töten), sollten wir uns ernsthafte Sorgen machen. Dieses Szenario stammt nicht aus Robocop, sondern wird von einigen der wichtigsten Vordenker der digitalen und wissenschaftlichen Welt gezeichnet: In einem offenen Brief des Future of Life Institute, fordern knapp 18.000 Unterzeichner, darunter klangvolle Namen wie Stephen Hawking, Elon Musik, Noam Chomsky oder Steve Wozniak, ein Verbot eigenständiger Waffensysteme. Mehr als 2.500 der Unterzeichner stammen selbst von der vordersten Front der Forschung und Entwicklung um Künstliche Intelligenz und Robotics. Ein Verbot solcher Waffensysteme klingt zunächst nur nach einem blumigen Vorschlag verträumter Pazifisten. Aber die Forderung stützt sich sehr realistisch auf ähnliche Regelungen, welche mit Blick auf B- und C-Waffen bereits für die biologische und chemische Forschung gelten. Bei den Lobbyisten der Waffenindustrie werden die Worte vermutlich nicht ankommen.

https://youtu.be/X8UCDKdPPfM

Politisches Advertorial – Das Konzept der Huffington Post, Content einfach durch registrierte, freie Autoren liefern zu lassen, haben viele nicht nur aus ökonomischen Gründen für sehr fragwürdig gehalten. Petr Bystron nennt sich Kommunikationsberater und ist so ein Autor, der überwiegend über die AfD geschrieben hat. Was allerdings nicht dazugesagt wurde, ist, dass Bystron Funktionär der AfD ist und dem Flügel der „neuen Rechten“ zugeordnet wird. Im Juli eskalierte der parteiinterne Kampf der AfD, zwischen neuen, rechtskonservativen Populisten und den eurokritischen Gründungsmitgliedern. Das Ende kennen wir mittlerweile: Lucke ist samt seinen Gründungsköpfen raus und die überwiegend nationalistisch-fremdenfeindlich eingestellte „neue Rechte“ hat die Partei gekapert. Im Flügelstreit der AfD hat Bystron seinen Beitrag durch diese Publikationen geleistet. Artikel wie „Lucke nervt“ oder „Luckes Waterloo“ kann man nur als manipulative, mediale Torpedierung bezeichnen und wir lernen: Freier Content ohne gründliche Prüfung der Inhalte und Autoren verwandelt die Idee von HuffPost oder auch BuzzFeed zum frei verfügbaren Transporter für Propaganda. Und das schadet nicht nur dem Journalismus auf solchen Content-Schleudern, sondern sabotiert die Glaubwürdigkeit jeder Form des Journalismus. Gefahr in Verzug.

Ferngesteuerte Autos – Um drei Ecken passt diese Warnung zu dem, was den Fahrern internetfähiger Autos widerfahren ist: Den beiden Hackern Charlie Miller und Chris Valasek ist es gelungen, einen Jeep Cherokee über das Entertainment-System zu hacken und volle Kontrolle über den Wagen zu erlangen. In einem anderen Fall demonstrierte der Sicherheitsexperte Samy Kamkar, wie er über eine App einen Wagen aus der Ferne starten und verriegeln konnte. Diese App gehört zum Fahrzeugsystem OnStar, welches Fahrern von General Motors Modellen beispielsweise erlaubt, gestohlene Fahrzeuge aus der Ferne zu stoppen oder über den Zugang zum Navigationssystem seinen Standort auszumachen. Kamkar musste sich mit seinem Mini-Computer OwnStar nur in der Nähe des Besitzers aufhalten und erhielt sofort Zugang zum System. Fiat Crysler rief als Reaktion auf den Jeep-Hack 1,4 Mio. Fahrzeuge zurück – eine neue Software müsse aufgespielt werden. Irgendwie haben wir den Eindruck, das mit den internetfähigen Autos ist noch nicht so ganz ausgereift.

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Jack Dorsey: Hält sich gerne für einen Punk. Quelle: Screenshot Youtube

Twittergeddon – Jack Dorsey ist Mitbegründer von Twitter und hat kürzlich den Posten des CEO interimsmäßig übernommen. Bei Börsianern ist er ungefähr so beliebt wie Yanis Varoufakis bei europäischen Finanzministern. Und diesem Ruf blieb er nun auf seinem ersten Conference Call an der Wall Street nichts schuldig. Auf der Analystenkonferenz, über den neuen eigenen Service Periscope live übertragen, hielt Dorsey mit seinem Unmut nicht hinterm Berg: Seit 2013 verzeichnet der Zwitscherdienst keine nennenswerten Nutzerzuwächse mehr. Und dass gute, neue Produkte bis dato nichts an dieser Situation zu ändern vermochten, ist für Dorsey „inakzeptabel“. Vor der Konferenz lag Twitter im regulären Handel bei einem 6-%-igen Kursplus und 11 % aus dem nachbörslichen Handel – nach der Konferenz fand sich der Kurs bei minus 12 % wieder. Fünf Mrd. in den Lokus.

Twitter konzentrierte sich jahrelang darauf, Facebook als Konkurrenten zu verstehen. Dabei macht es den Anschein, als wäre der Dienst von Spielern wie Instagram, Snapchat oder WhatsApp förmlich überrumpelt worden. Trotzdem steckt noch viel Musik im Vogelhäuschen: Auch wenn Twitter nicht signifikant wächst, beeinflusst der Nachrichtendienst die Social Media-Kommunikation wie kein anderer. Es wäre eine epochale Enttäuschung, würde man den Wert dieses Dienstes weiter nach dem Gusto von Analysten hoch- oder runterschrauben.

Volksmusik – Und zum Schluss: Foo Fighter Fans aus Italien haben bewiesen, dass virale Videos große Aktionen noch größer machen können. Fabio Zaffagnini bereitete sein Projekt „Rocking1000“ über ein Jahr vor. Das Ziel: Die Foo Fighters zu einem Konzert in die 100.000 Einwohner Stadt Cesena zu holen. 1000 Sänger, Schlagzeuger, Bassisten und Gitarristen spielten „Learn to fly“ – und die Aufnahmen sind ziemlich spektakulär. Herr Grohl von der amerikanischen Rock-Kapelle hat auch schon geantwortet, zugesagt und alle sind happy. Ist aber auch wirklich ein schöner Clip.

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Artikelbild: Quinn Dombrowski (flickr / Nutzungsbedingungen)

 

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