Am späten Abend des 13. Februar 2019 haben das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat der Mitgliedsstaaten eine finale Einigung über die Reform des EU-Urheberrechts gefunden. Auch wenn dieses Papier noch einer weiteren Bestätigung durch die Institutionen bedarf, laufen jetzt schon die Köpfe heiß, was auf uns zukommen wird. Die EU-Kommission hat eine Q&A veröffentlicht, um die wichtigsten Fragen schnell zu beantworten. Und weil sich niemand gerne durch lange, juristisch verklausulierte Texte in englischer Sprache quält, haben wir dieses Dokument schnell für euch übersetzt.
Die Urheberrechtsreform der EU
Die nächsten Tage und Wochen werden uns viele Interpretationen des ersten Entwurfs bringen, welcher gestern in Brüssel beschlossen wurde. Für den Einstieg ist es erstmal hilfreich, die wichtigsten Themen der Reform erläutert zu bekommen. Das Q&A-Dokument der EU-Kommission ist natürlich etwas abstrakt gehalten, ist aber nicht nur für Google, Facebook und Amazon relevant. Auch Endverbraucher, kleine Unternehmen, kleine Publisher, Künstler und Kreativschaffende, wie auch Menschen aus Bildung und Forschung sind angesprochen.
Im Folgenden haben wir die wichtigsten Teile der Q&A übersetzt und in originalem Wortlaut aufgeschrieben. Das Dokument der EU-Kommission findet ihr >>hier<<. Die komplette Übersetzung des Dokuments haben wir >>hier<< als PDF hinterlegt.
Originaltexte aus dem Englischen:
Worum geht es in der neuen Urheberrechtsrichtlinie?
[…] Mit der Richtlinie soll ein umfassender Rahmen geschaffen werden, in dem urheberrechtlich geschütztes Material, Urheberrechtsinhaber, Verleger, Anbieter und Nutzer von klareren, an das digitale Zeitalter angepassten Regeln profitieren können.
Um dieses Ziel zu erreichen, konzentriert sich die Urheberrechtsrichtlinie auf drei Hauptziele:
- Größere Möglichkeiten der Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials für Bildung, Forschung und Erhaltung des kulturellen Erbes: Die Ausnahmen, die diese Nutzung zulassen, wurden modernisiert und an den technologischen Wandel angepasst, um eine Online- und grenzüberschreitende Nutzung zu ermöglichen.
- Mehr grenzüberschreitender und Online-Zugang für die Bürger zu urheberrechtlich geschützten Inhalten: Die Richtlinie wird dazu beitragen, die Verfügbarkeit audiovisueller Werke auf Video-on-Demand-Plattformen zu erhöhen, die Digitalisierung und Verbreitung von Werken zu erleichtern, die nicht dem Handel unterliegen, und dafür sorgen, dass alle Nutzer in der Lage sind, online mit voller Rechtssicherheit Kopien von Kunstwerken, die öffentlich zugänglich sind, zu verbreiten.
- Faire Spielregeln für einen besser funktionierenden Urheberrechtsmarktplatz, der die Schaffung hochwertiger Inhalte fördert: ein neues Recht für Presseverlage in Bezug auf die Nutzung ihrer Inhalte durch Online-Dienstleister, eine verstärkte Position der Rechteinhaber bei Verhandlungen und Vergütungen für die Online-Verwertung ihrer Inhalte durch nutzeraufgeladene Content-Plattformen sowie Transparenzregeln für die Vergütung von Autoren und Künstlern.
Wie wird die neue Richtlinie die Presse und den Qualitätsjournalismus unterstützen?
[…] (Und) Um sicherzustellen, dass die Journalisten wirtschaftlich vom Recht der Presseverleger profitieren, sieht die Richtlinie vor, dass sie einen angemessenen Anteil an den von ihr erwirtschafteten Einnahmen erhalten. Durch die Gewährleistung der Nachhaltigkeit des Pressebereichs wird das neue Recht die Pluralität, Unabhängigkeit und Qualität der Medien fördern, die für die Meinungsfreiheit und das Recht auf Information in unserer demokratischen Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung sind.
Deckt das neuen Presseverlags-Recht auch Teile von Presseveröffentlichungen ab (sog.’Snippets‘)?
Nach dem heute angenommenen Text fällt die Verwendung einzelner Wörter und sehr kurzer Auszüge aus Presseveröffentlichungen nicht in den Anwendungsbereich des neuen Rechts. Dies bedeutet, dass es den Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft freisteht, solche Teile einer Presseveröffentlichung zu nutzen, ohne dass eine Genehmigung der Presseverlage erforderlich ist. Bei der Beurteilung der sehr kurzen Extrakte werden die Auswirkungen auf die Wirksamkeit des neuen Rechts berücksichtigt.
Beeinflusst das neue Presseverlags-Recht einzelne Nutzer?
Die Richtlinie richtet sich nicht an einzelne Nutzer, sondern an die Online-Nutzung von Presseveröffentlichungen durch große Online-Plattformen und -Dienste, wie beispielsweise Nachrichtenaggregatoren. Internetnutzer werden weiterhin in der Lage sein, Inhalte auf Social Media zu teilen und Links zu Websites und Zeitungen zu erstellen (Hyperlinking), wie es heute der Fall ist.
Darüber hinaus werden Hyperlinking und die Wiederverwendung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge durch Online-Plattformen und -Dienste vom Anwendungsbereich des neuen Rechts ausgeschlossen, das den Presseverlegern von Presseveröffentlichungen eingeräumt wird.
Wie werden die neuen Regeln die so genannte „Wertdifferenz“ (Value Gap) zwischen den Urhebern und den Online-Plattformen angehen?
[…] Nach der heutigen politischen Einigung führen die in Artikel 13 genannten Plattformen urheberrechtlich geschützte Handlungen aus (d.h. Kommunikationsmaßnahmen oder öffentliche Zugänglichmachung), für die sie eine Genehmigung der betroffenen Rechtsinhaber einholen müssen.
In Situationen, in denen es keine Lizenzvereinbarungen mit Rechteinhabern gibt, müssen die Plattformen bestimmte Maßnahmen ergreifen, wenn sie eine Haftung vermeiden wollen. Insbesondere müssen sie (i) alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine Genehmigung zu erhalten, (ii) alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Nichtverfügbarkeit unbefugter Inhalte zu gewährleisten, über die die Rechtsinhaber die notwendigen und relevanten Informationen zur Verfügung gestellt haben, und (iii) unverzüglich handeln, um unbefugte Inhalte nach einer erhaltenen Mitteilung zu entfernen und auch ihr Bestes zu tun, um zukünftige Uploads zu verhindern.
Wie sieht die Sonderregelung für kleinere Unternehmen in Bezug auf die Wertdifferenz aus?
Neue kleine Plattformen werden von einer vereinfachten Regelung profitieren, wenn es keine Genehmigung der Rechteinhaber gibt.
Dies betrifft Online-Dienstleister, die in der Union seit weniger als drei Jahren bestehen und einen Umsatz von weniger als 10 Millionen Euro und weniger als 5 Millionen monatliche Nutzer haben. Um die Haftung für unbefugte Arbeiten zu vermeiden, müssen diese neuen kleinen Unternehmen nur nachweisen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um eine Genehmigung zu erhalten, und dass sie unverzüglich gehandelt haben, um die von den Rechteinhabern gemeldeten unbefugten Arbeiten von ihrer Plattform zu entfernen.
Wenn das Publikum dieser kleinen Unternehmen jedoch höher als 5 Millionen monatliche Unique Viewer ist, müssen sie auch nachweisen, dass sie ihr Bestes getan haben, um sicherzustellen, dass Werke, die von Rechtsinhabern gemeldet wurden, nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf der Plattform erscheinen.
Wie gewährleistet die Richtlinie eine angemessene Vergütung von Autoren und Künstlern?
[…] Die endgültige Richtlinie enthält fünf verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Position von Autoren und Interpreten:
- Ein Grundsatz einer angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung für Autoren und Interpreten;
- Eine Transparenzverpflichtung, um Autoren und Interpreten den Zugang zu mehr Informationen über die Verwertung ihrer Werke und Aufführungen zu erleichtern;
- Ein Vertragsanpassungsmechanismus, der es Autoren und Künstlern ermöglicht, einen fairen Anteil zu erhalten, wenn die ursprünglich vereinbarte Vergütung im Vergleich zum Erfolg ihrer Arbeit oder Leistung unverhältnismäßig niedrig wird;
- Ein Mechanismus für den Widerruf von Rechten, der es Schöpfern ermöglicht, ihre Rechte zurückzunehmen, wenn ihre Werke nicht verwertet werden; und
- Ein Streitbeilegungsverfahren für Autoren und Interpreten.
Welche Ausnahmen von den Urheberrechtsbestimmungen gibt es in der Richtlinie?
[…] Mit der neuen Richtlinie wird der EU-Rahmen für Ausnahmen an die digitale Nutzung in bestimmten Bereichen wie Bildung, Forschung und Kulturerbe angepasst. Sie führt vier verbindliche Ausnahmen ein für:
- Text and Data Mining (TDM) für Forschungszwecke;
- Eine allgemeine TDM-Ausnahme für andere Zwecke;
- Lehr- und Ausbildungszwecke;
- Erhaltung des Kulturerbes.
[…]
Was ist die neue Bestimmung über das öffentliche Eigentum an Kunstwerken?
Wenn ein Kunstwerk nicht mehr urheberrechtlich geschützt ist, z.B. ein altes Gemälde, fällt es in den öffentlichen Bereich. In dieser Situation sollte es jedem freistehen, Kopien dieses Werkes anzufertigen, zu verwenden und weiterzugeben. Dies ist heute nicht immer der Fall, da einige Mitgliedstaaten Kopien dieser Kunstwerke schützen.
Die neue Richtlinie wird sicherstellen, dass niemand den Urheberrechtsschutz für Werke im Bereich der bildenden Kunst in Anspruch nehmen kann, die bereits gemeinfrei sind. Dank dieser Bestimmung können alle Nutzer mit voller Rechtssicherheit Kopien von Kunstwerken im öffentlichen Bereich online verbreiten. So kann beispielsweise jeder Online-Fotos von Gemälden, Skulpturen und Kunstwerken, die öffentlich zugänglich sind, kopieren, verwenden und weitergeben, wenn er sie im Internet findet, und sie wiederverwenden, auch für kommerzielle Zwecke oder zum Hochladen in Wikipedia.
Worum geht es bei der Bereitstellung der Out-of-Commerce-Arbeiten?
Mit der Richtlinie wird ein neuer Lizenzmechanismus für Werke außerhalb des Handels eingeführt: Bücher, Filme und andere Werke, die noch urheberrechtlich geschützt sind, aber nicht mehr kommerziell gefunden werden können. Dies wird es für Institutionen des Kulturerbes, wie Archive und Museen, wesentlich einfacher machen, die erforderlichen Lizenzen zu erhalten, um das in ihren Sammlungen aufbewahrte Erbe, insbesondere online und grenzüberschreitend, an die Öffentlichkeit zu bringen. Dieses System erleichtert es den Kulturerbeeinrichtungen erheblich, Lizenzen zu erhalten, die mit den Verwertungsgesellschaften ausgehandelt wurden, die die jeweiligen Rechteinhaber vertreten.
Die neuen Regeln sehen auch eine neue verbindliche Ausnahme vom Urheberrecht vor, wenn es keine repräsentative kollektive Verwaltungsorganisation gibt, die die Rechteinhaber in einem bestimmten Bereich vertritt, und daher haben die Institutionen des Kulturerbes kein Gegenstück, mit dem sie eine Lizenz aushandeln können. Diese so genannte „Fallback“-Ausnahme erlaubt es Kulturerbeeinrichtungen, die Werke außerhalb des Handels auf nicht-kommerziellen Websites zur Verfügung zu stellen.
[…]
Wie sieht der Verhandlungsmechanismus für Video-on-Demand-Plattformen aus? Wie werden die neuen Regeln funktionieren?
Trotz der wachsenden Popularität von On-Demand-Diensten (wie Netflix, Amazon Video, Universcine, Filmin, Maxdome, ChiliTV) sind relativ wenige audiovisuelle Werke aus der EU auf Video-on-Demand-Plattformen (VoD) verfügbar. Weniger als die Hälfte (47%) der zwischen 2005 und 2014 in den Kinos gezeigten EU-Filme sind über mindestens einen VoD-Dienst verfügbar. Außerdem sind audiovisuelle Werke aus der EU oft nicht auf Plattformen außerhalb ihres Heimatlandes verfügbar; rund die Hälfte der EU-Filme sind nur in einem Land verfügbar und 80% der EU-Filme sind in drei europäischen Ländern oder weniger auf VoD-Diensten verfügbar. Dies ist zum Teil auf Schwierigkeiten, auch vertraglicher Art, beim Erwerb der Rechte zurückzuführen.
Die Richtlinie sieht einen neuen Verhandlungsmechanismus vor, um die Verfügbarkeit, Sichtbarkeit und Verbreitung audiovisueller Werke, insbesondere europäischer, zu fördern. Es wurde darüber nachgedacht, vertragliche Vereinbarungen zu treffen und Schwierigkeiten bei der Lizenzierung der notwendigen Rechte zur Bereitstellung von Filmen und Serien auf VoD-Plattformen zu beseitigen. Mehr Lizenzen bedeutet, dass mehr europäische audiovisuelle Werke in VoD-Plattformen verfügbar sein werden und sich auch positiv auf die Art und Vielfalt der auf VoD-Plattformen verfügbaren Werke auswirken werden.
Artikelbild: Socialmediakonzepte.de
[…] um Artikel 13 (nun Artikel 17) bestimmt. Zur gesamten Urheberrechtsreform haben wir bereits ein ausgedehntes Q&A gemacht. Vor allem nach der Entscheidung wurde Twitter von Befürwortern und Gegner der Reform […]