Die Arbeit in der heimischen Selbstverwaltung ist für viele sicher eine neue Lebenserfahrung. Für andere ist die Monetarisierung der eigenen vier Wände ein alter Hut. Sie merken die Krise nicht, denn: Es ist doch alles wie immer. Ich bin einer von denen. Udo Michel, Community- und Social-Media-Manager und Blog-Eule bei Social Media Konzepte – und noch ein paar anderen. Hier ist mein Tag.
26. März: Krise? Welche Krise?
06:00 Uhr: Als geübtes Arbeitsheimchen weiß ich, dass man mit einem lockereren Tagesplan schnell ins Schleudern kommt. Daher, früh raus aus den Federn, ab in die Küche und erstmal ein Tässchen Koffein aus der Bialetti zapfen.
Die ersten Tasks des Tages: Frühstücksfernsehen, parallel Nachrichten lesen, Social-Kanäle durchscrollen, Mails und Messenger checken, groben Tagesplan skizzieren und obligatorisches Temperatur messen. 35,3°C! Gute Güte, ich werde an Unterkühlung sterben.
07:30 Uhr: Der Tag kann lang werden, also erstmal den Kreislauf in Wallung bringen und kräftig Sauerstoff in die Figur pumpen. Der Blick aufs Aussenthermometer entscheidet: 2°C sind viel zu kalt zum Biken, aber die ganzen Winterklamotten verschimmeln sonst im Schrank. Davon ab ist es so früh schon einladend sonnig. Also: Hü, Lotte, ab in die Natur.
09:00 Uhr: Zurück vom Ausritt. Geduscht. Ran ans Werk. Ich schau erstmal, welche Posts heute anstehen. Je mehr ich jetzt schon vorplanen kann, idealerweise über den Tag hinaus, desto besser. Ein Linkpost nachmachen, ein Carousel vorbauen, und nachher noch ein paar freie Sharings suchen.
Bei diesem Kunden machen Linkposts wenig Spaß, weil der Ziel-Link auf so antiquierter Technik basiert, dass man keine ästhetisch ansprechende Linkvorschau bekommt. Und das Auge klickt ja mit. Also schnell ins Creative Hub und etwas Freies gebastelt. Mit geübtem Händchen geht das schnell. Zip, zap, fertig. Abputzen, weiter.
Zen-Meister in der IT
09:30 Uhr: WhatsApp von einem freien Kollegen eines Kunden. Da funktioniert schon wieder was mit der Home-Office-Umgebung nicht. IT ist schon alarmiert – meldet sich dann später.
In den letzten Tagen hat mich das Einrichten des VPN-Netzwerks für die freien Mitarbeiter des Kunden (ein großes Essener Verlagshaus) schon saftig Nerven gekostet. Dabei waren die kooperierenden IT-Heinzelmännchens zwar stets nett, aber IT-Probleme lösen ist halt immer auch Trial and Error.
10:00 Uhr: Bei mir läuft das Netzwerk, also erstmal einwählen, Redaktionssystem geöffnet und Alexa-Texte bearbeiten. Genau, damit Amazon den Leuten tagesaktuelle Nachrichten vorlesen kann. In der Praxis heißt das: achtzehn Artikel auf maximal 600 Zeichen eindampfen. In Zeiten, wo Leute stärker denn je Nachrichten konsumieren, vielleicht sogar eine systemrelevante Aufgabe.
11:30 Uhr: Klingelingeling – „Hallo, Herr … vom HelpDesk. Da hakt noch was im VPN?“ Hach, wunderbar – da ist der strahlende Ritter, der unsere IT-Probleme löst. Diese warme Stimme, die immer klingt, als würde jemand gerade ein Picknick in meiner Ohrmuschel veranstalten. Wie eine Hot-Stone-Massage für mein Trommelfell.
Es folgen knapp 30 Minuten Troubleshooting, die eine auffällig beruhigende Wirkung haben. Die stoische Ruhe des IT-Maestros lässt jeden buddhistischen Mönch wie ein nervöses Eichhörnchen erscheinen. Und so hätte ich auch fast verpasst, dass das Problem gelöst wurde. Fein fein. Wäre das auch aus’m Kreuz. Mein Magen meldet sich. Gut, dann erstmal in die Küche.
12:00 Uhr: Als Freund von disziplinierten Tagesabläufen, kümmere ich mich an High-Noon ums Mittagessen. Es gibt Dim-Sum. Füllung hab ich schon gestern Abend vorbereitet. Bleiben also noch 30 Minuten geübte Bastelarbeit mit Wan-Tan-Blättern und 20 Minuten glückliches Garen im Bambusdämpfer. Wenn man keinen Zen-Garten hat, kann man zur Beruhigung auch mal gefüllte Teigtaschen zärtlich kneten. Rezeptwünsche in die Kommentare. 😉
13:30 Uhr: Zurück an den Schreibtisch. Anja hatte sich während des Lunchs gemeldet: Mailserver beim Kunden zieht um – „Kannst du das machen… Mails sichern…?“. Schon witzig. Das ist innerhalb von fünf Tagen das dritte Mal, dass ich mich um Mailserver und Postfächer kümmere. Jedes Mal eine andere Baustelle. Spooky.
14:00 Uhr: Während ich noch die restlichen Alexa-Texte, die vor dem Mittag liegen geblieben sind, fertig mache, ertönt ein bekanntes „Ding-Dong“ – ich muss schnell noch zwei Advertorials für das Essener Verlagshaus dazwischen schieben.
Schon interessant: Durch Advertorials merkt man auch, welche Branchen durchaus von der Pandemie profitieren und in welchen Unternehmen gerade Schmalhans Küchenmeister ist, sprich zwangsläufig Werbemaßnahmen reduzieren.
15:00 Uhr: Der Monat ist fast rum. Das heißt: Content-Pläne müssen fertig gemacht werden. Mal sehen wie weit ich komme.
15.30 Uhr: Ding-Dong, Anja braucht nochmal eine Hand. Stackfield ist voll. Die Lösung lautet: Lösch‘ was geht, aber vorher sichern.
16:00 Uhr: Nochmal zurück zu den Content-Plänen. In Zeiten abgesagter Veranstaltungen erfordert das doch mehr Kreativität als befürchtet.
Gerade ist noch eine Anfrage reingekommen: Referenten für Webinar gesucht. Hätten Sie Zeit? Schon mal die Antwortmail anfangen – kümmere ich mich später drum.
16:45 Uhr: Spätestens in einer Stunde rollt die letzte große Task des Tages auf den Schreibtisch. Bis dahin wollte ich schon mal anfangen, den Morübli für die nächste Woche vorzubereiten. Werde diesmal nach Meldungen suchen, die nichts mit Corona zu tun haben. Mal sehen.
17:45 Uhr: So, die zweite Tagesladung Alexa-Texte ist eingetroffen. Die nächsten knapp zwei Stunden gehören wieder dem Eindampfen aktueller Nachrichtentexte. Und dann soll’s das für heute gewesen sein.
Noch ein bisschen nacharbeiten und den nächsten Tag vorbereiten. Feddich.
Fazit:
Wie im Titel schon angedeutet: Wenn mir keiner sagt, dass wir aus Krisengründen im heimischen Büro sitzen, ich hätte es nicht gemerkt. Egal ob ich zu Hause oder in einem Büro sitze, an Beschäftigung fehlt es sich nicht. Flexibel zu reagieren ist der Default-Modus und irgendwas bleibt immer liegen. Krise findet woanders statt. Durchhalten!
Artikelbild: Udo Michel / Montage socialmediakonzepte.de / Vector: openClipart-Vectors / pixabay
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