Apps gehören heute so sehr zum täglichen Leben, dass wir ihnen immer häufiger die persönlichsten Sachen anvertrauen. Zyklus-Apps sind da ein besonders illustres wie auch fragwürdiges Beispiel: Digitale Menstruationskalender sollen dabei helfen, den individuellen Zyklus in all seinen Details zu dokumentieren. Dabei sind diese Apps ziemlich neugierig, bieten nur bedingte Datensicherheit und kosten Gynäkologinnen und Gynäkologen den letzten Nerv.

Zyklus-Apps: Die falsche Gewissheit?

Wem die Errungenschaft der Zyklus-App oder auch Fertilitäts-App noch kein Begriff ist – wahrscheinlich dem männlichen Leser: Die digitalen Helferlein machen im Grunde nur das, was Frau schon seit der Erfindung des beschriftbaren Kalenders macht. Sie dokumentieren die Zeiträume der Menstruation und berücksichtigen für eine Auswertung Notizen zum Verlauf, zu Auffälligkeiten und persönlichem Verhalten.

Der Mehrwert soll sein, die fruchtbaren Tage trennscharf bestimmen zu können. Das birgt vor allem zwei große Gefahren: Da es eine App ist, steht einerseits die Datensicherheit zur Debatte. Und zum anderen beobachten gerade Frauenärzt*innen, dass es einen Trend gibt, die Pille durch Fertilitäts-Apps zu ersetzen.

Neugierde und fragwürdige Datensicherheit

Die Wissenschaftlerinnen Dr. Maryam Mehrnezhad und Dr. Teresa Almeida haben kürzlich 30 der beliebtesten Fertilitäts-Apps getestet und kamen wenig überraschend zu einem ernüchternden Resultat. Die meisten Anwendungen hielten sich nicht an die DSGVO, spähten via Trackern direkt ihre Nutzer aus und die zum Teil sehr intimen Informationen würden so gut wie immer auch an Dritte weitergegeben, ohne die Nutzer darüber zu informieren.

Dabei stufe die DSGVO die Angaben der Nutzerinnen dieser Apps aufgrund der Sensibilität der Informationen als „besondere Kategoriedaten“ ein, was eine gesonderte Handhabung erfordere. Da viele der Zyklus-Apps in den App-Stores aber falsch kategorisiert würden, möglicherweise auch vorsätzlich, fielen die mangelnden Schutzanforderungen gar nicht oder nur zufällig auf.

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Weibliche Daten sind ein gutes Geschäft

Die Offenherzigkeit dieser Apps ist leider keine Neuigkeit, sondern mittlerweile schon der Standard. Verschiedene Recherchen und Analysen haben in den vergangenen Jahren dokumentiert, dass Daten unmittelbar an Facebook weitergeleitet werden. Und wenn sie vorher noch nicht mit Dritten geteilt wurden, passiert dies dann im Zuckerberg-Netzwerk.

Offensichtlich sind diese Daten auch besonders begehrt und bringen dem Dealer einen hohen Preis. Bereits 2014 zeigte die Princeton Soziologin Janet Vertesi, dass die Marketing-Datensätze schwangerer Frauen 15-mal so teuer sind, wie gängige Daten.

Zyklus-Apps: Qualität mangelhaft und medizinisch unbrauchbar

Die Stiftung Warentest hat sich bereits 2017 intensiv mit 23 populären und kostenlosen Apps beschäftigt und der Test hat offensichtlich nichts an Aktualität verloren: Nur zwei Android-Apps und eine iOS-Anwendung haben es zu einer Note „gut“ geschafft. Das Gros der Testkandidaten schneidet dagegen mit „mangelhaft“ ab. Zu ungenau, schlechte Methodik und unnötig neugierig.

Damit wird auch deutlich, dass die Anwendungen aus gynäkologischer Sicht keine Kontrollsicherheit geben. Die Apps klinken sich in den irreführenden Trend ein, natürliche Methoden wie die Basaltemperaturmessung als verlässliche Verhütungsmethode zu promoten. Gynäkologen sind also alarmiert.

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Zyklus-Apps – grundsätzlich schlecht?

Die Idee hinter den Fertilitätsrechnern ist zunächst praktisch oder zumindest eine Alternative zu Stift und Papier. Dass die Anbieter der Freemium-Produkte diese Idee als Mittel zum fragwürdigen Zweck missbrauchen, tut dem guten Grundgedanken keinen Abbruch. Es deutet nur darauf hin, dass man etwas genauer aussuchen sollte, welcher App man vertraut. Das unten stehende Video stellt zwei ernst zu nehmende Service-Apps vor.

Die aktuelle Studie von Mehrnezhad und Almeida sollte den Schützern der DSGVO eigentlich ein Alarmsignal sein. Es wäre folgerichtig, wenn die Hersteller dieser Apps nun unter stärkere Beobachtung gestellt und Konsequenzen angedroht würden. Warten wir es ab – sehr wahrscheinlich ist es leider nicht.

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Artikelbild: Socialmediakonzepte.de

 

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