Wenn es im April an einer Sache nicht mangelte, dann waren es kreative Beiträge. Traditionell aufwendige Aprilscherze, überraschende Brotbeläge, aber auch ein exzellentes Beispiel, wie Instagram lehrreichen Content transportieren kann. Garniert mit zwei Facepalm-Darbietungen von Influencern und einigen interessanten, politischen Entscheidungen. Wir wünschen viel Vergnügen mit diesem unterhaltsamen Monat. Also Füße hoch und viel Spaß – der April.
#facebook – Einfach mal was fordern
War das ein Aprilscherz? Wohl nicht. Mark Zuckerberg wandte sich zum Monatsanfang an die Welt und forderte eine globale und einheitliche Regulierung des Internets. Für Standards in Sachen Datenschutz, Menschenrechte und digitalem Austausch. So was fordert man wohl nur, wenn man weiß wie illusorisch und unerreichbar solch eine Zielsetzung ist. Apropos: Auffällig, dass das Facebook-Livestreaming des Christchurch-Massakers mit nicht einer Silbe von Zuckerberg erwähnt wurde. Wir fragen uns ernsthaft, was sollen nur immer diese bedeutungslosen Selbstinszenierungen?
#MusikgeschichteAlsBrotbelag – Historische Wurst und Marmelade
Diese Challenge ist der Beweis: Auch deutsche Netzlinge können kreative Challenges produzieren. Unter #MusikgeschichteAlsBrotbelag belegten Twitter-Nutzer ihre Brote mit legendären Platten-Covern der Musikgeschichte. Und wir müssen sagen, da steckt zuweilen schon ganz schön viel Zeit und Passion in der Kreation der süß-pikanten Werke. Also, vorbeischauen. Ganz große Frühstückskunst.
#KI – Zukunft mit gutem Gewissen
Der April war ein wenig Feature-Monat für Künstliche Intelligenz. Und keiner hat es mitbekommen. Erst hörte man von der industrierelevanten Hannover Messe, wie man die KI zur Treibkraft der nächsten industriellen Revolution erklärte. Von der High-Level-Gruppe für Künstliche Intelligenz der EU-Kommission haben wir fürs gute Gewissen Ethikleitlinien geliefert bekommen. Und auf dem Big-DataAI Summit in Berlin wurde KI als wichtigste Zukunftstechnologie gelabelt. Na, mit den Lippenbekenntnissen klappt’s ja schon mal.
#Influencer1 – Spektakulär um jeden Preis
Vielleicht wurden Postings wie das von Kelly + Kody, a.k.a. @positravelty, früher einfach nur bestaunt und geliket. Aber es gibt mittlerweile zu viele Geschichten, in denen Influencer den Bogen des Spektakulären überspannt haben und mit ihrem Leben zahlen mussten. So drehte sich die Debatte in den Kommentatoren auch weitestgehend darum, ob so eine Aufnahme unverantwortlich ist oder die Leute überreagieren.
Ob der Instapost auch werblich war, nur weil das Resort getagged wurde, wissen wir nicht. Aber dass andere Influencer mit dem gleichen Motiv, nur in weniger gefährlich, von dem Resort getagged wurden, kann man auf der Insta-Seite des Kayon Jungle Resort sehen. Entweder fanden die das Bild etwas zu anbiedernd spektakulär oder sie hatten keine Lust auf Debatten in den Kommentaren. So oder so – Fail.
#Twitter – Dumme Algorithmen und unbequeme Wahrheiten
Eine Internet-Challenge, die Hass und Hetze pflegt, ist keine Challenge, sondern konzentrierter Rassismus. Und genau das haben die kollektiven Rechtsträger von AfD bis NPD im April mit ihrer #AbschiebeChallenge getrieben: Jemanden taggen, den man abschieben möchte, den besagten Hashtag hinzufügen und verkommenerweise das Ganze auch noch lustig finden. Die Twitter-Gemeinde fand das im Gros mehr als geschmacklos. Und natürlich auch, dass Twitter das einfach so durchgehen lässt.
Das führt uns automatisch zur angeschlossenen Debatte in den USA, wieso Twitter es schafft, islamistische Terror-Propaganda per Filter zu verbannen, vor White-Power-Rassisten aber kapituliert. Die Antwort kam von Twitters Programmier-Wichteln: Bei allen Filtern gibt es einen gewissen Verlust. So beispielsweise mit einigen unschuldigen, aber arabisch verfassten Tweets, wenn es um den Anti-ISIS-Filter geht. Bei rassistischen Posts wäre das gerade in den USA schwieriger, weil die involvierten Accounts republikanische Politiker sein könnten. Aha! So viel Offenheit lassen wir uns dann nochmal im O-Ton auf der Zunge zergehen:
With every sort of content filter, there is a tradeoff, he explained. When a platform aggressively enforces against ISIS content, for instance, it can also flag innocent accounts as well, such as Arabic language broadcasters. Society, in general, accepts the benefit of banning ISIS for inconveniencing some others, he said.
In separate discussions verified by Motherboard, that employee said Twitter hasn’t taken the same aggressive approach to white supremacist content because the collateral accounts that are impacted can, in some instances, be Republican politicians. – Motherboard, 25.04.2019
#Influencer2 – Zertifizierter Hinterschinken
Und immer, wenn du denkst „dümmer geht nimmer“, kommt ein Influencer daher. Heute: Daisy Keech, die sich gegen Gerüchte wehren wollte, ihr Hintern sei chirurgisch verschönert worden. Fehlte nur noch ein Doktor, der sich nicht zu doof für den Stunt war. Und Voilà, der erste zertifiziert echte Hintern auf Instagram. Und das Fräulein Influencerin hat sich den Titel „First certified real booty“ auch noch als Trademark eintragen lassen. Na, da kann man doch mal mit Fug und Recht sagen: Dieses Zertifikat ist was für den Arsch! (Pardon)
#Holocaust – Instagram goes Geschichtsunterricht
What if a girl in the holocaust had Instagram? Unter dieser Leitfrage steht ein Projekt, das der israelische Milliardär Mati Kochavi im April startete. Die Instagram-Seite erzählt die Geschichte der Éva Heyman, einem 13-jährigen ungarischen Mädchen, welches durch ihre Tagebücher bekannt wurde und 1944 in Ausschwitz-Birkenau von den Nazis ermordet wurde. Das Projekt startete etwas früher, um mit der kompletten Geschichte zu Jom hoSho’a, dem jüdischen Holocaust-Gedenktag am 1. Mai, online zu sein.
In einzelnen Storys spielt eva.stories ganze Tage ab dem 13. Februar bis zu ihrer Deportation durch. Und so bedrückend der Content ist: Das Projekt ist das perfekte Beispiel dafür, wie Storytelling mit Social-Media-Mitteln auszusehen hat. Wir können jedem einen Besuch dieses Accounts nur dringendst ans Herz legen. Und vielleicht ist dies ein gutes Beispiel, wie Bildungsprogramme heutzutage angereichert werden. In Anbetracht des steigenden Antisemitismus‘ vielleicht auch ein Tipp für Schulbehörden und Lehrer.
#Russland – Geschlossene Gesellschaft
Die Russen wollen unter sich bleiben. Genauer gesagt, mit ihrem Internet. Na ja, und noch genauer gesagt: nicht DIE Russen, sondern die Regierung. Ein neues Gesetz schreibt vor, dass jeglicher Internet-Verkehr in Russland nur noch über einheimische Server laufen darf. Damit wolle man die Technologie vor ausländischen Einflüssen schützen. Und so möchte man die Funktionsfähigkeit im Land gewährleisten.
Wir sparen uns jetzt mal naheliegende Mutmaßungen, was damit wirklich bezweckt werden soll. Aber ironischerweise könnte man damit auch russische Serverbetreiber leichter für Rechtsverstöße haftbar machen. Also, wenn es Russland wirklich ernst meinen würde. Bevor wir einen Lachkrampf bekommen, beenden wir den Absatz mal besser.
#AprilApril – Der jährliche Humoranfall
Da hätten wir doch fast vergessen, dass der letzte Monat mit dem 1. April und somit einer traditionellen Aprilscherz-Parade anfing. Wie auch in den letzten Jahren finden wir im Social-Web überwiegend „Guck mal, ich bin lustig“-Darbietungen mit eher mäßig originellen Einfällen. Aber gerade in unserer Branche ist auf manche Spieler einfach Verlass.
Beispielsweise Google, wo April Fool’s jedes Jahr wie eine interne Kreativitäts-Challenge zelebriert wird (hier). Oder viele Tech-Unternehmen, die mit viel Humor so gute Einfälle haben, dass die Scherze manchmal für echte Produktankündigungen gehalten werden (hier). Wir haben ein paar Beispiele:
#OnlineHarms – Samariter und die großen Vier
Content, der Selbstverletzung fördert, ist eines der großen, aber kaum beachteten Probleme sozialer Netzwerke. Ende April haben sich Vertreter von Facebook, Google, Instagram und Snapchat mit Vertretern der englischen Regierung und der universellen Hilfsorganisation Samaritans getroffen. Die Allianz versucht Wege zu finden, diesen Content zu bekämpfen.
Bei dem Meeting ging es aber nicht um die Menschenliebe der Silicon Valley Riesen. Anfang April hat die (Regierungs-)Abteilung für Digital, Kultur, Medien und Sport (DCMS) einen Gesetzesvorschlag publiziert, welcher die Betreiber digitaler Angebote stärker in die Verantwortung bei „Online Harms“ nehmen soll. Ob sich die Digital-Größen auf diese Weise, wie so oft, aus der Verantwortung stehlen können – wir werden sehen. Jedenfalls ist die englische Gesetzesinitiative offensiver als alles, was wir bisher in Deutschland gesehen haben.
#KloTube – Alternative Fakten vom lustigen Erklärbär
Und zum erheiternden Abschluss: Wenn Sie mal wieder eine Pause brauchen, schauen Sie doch einfach mal bei den Humor-Facharbeitern von KloTube vorbei. Dort erfahren Sie beispielsweise, wieso Kühe Eier legen und manche bissigen Meeresbewohner Hainz und Haike heißen.
Artikelbild: Mike McKay (CC BY-SA 2.0)