Influencer, die negativ auffallen, gehören fast zur täglichen Nachrichtenlage. Medien stürzen sich auch gerne auf solche Meldungen, weil sie wissen wie polarisierend dieses Thema wirken kann. Bildet dieser Eindruck die Realität ab oder liegt das Problem vielleicht ganz woanders? Und brauchen Influencer vielleicht professionelle Standards? Wir haben mal nachgeschaut.
Influencer – Ja, aber…
Im März machte sich Gianluca Casaccia, Hotel-Manager des malerischen White Banana Beach Club auf der philippinischen Insel Siargao, via Facebook Luft: „Wir haben kein Interesse an Kollaborationen mit selbst-ernannten Influencern. Sucht euch eine richtige Arbeit.“ In einem Interview erklärte er, dass sie hunderte dieser Anfragen bekommen haben und viele dieser Personen nicht einmal 2000 Follower an den Tisch bringen.
Seine Ansage selbst war gar nicht so pauschal, sondern definierte bereits das eigentlich Problem. Das ging leider etwas unter, weil der Netz-Mob gleich zum großen Influencer-Bashing blies. Casaccia sah sich veranlasst, seine Kritik zu relativieren und echte Influencer in Schutz zu nehmen. Aber, wie wir an Kommentaren und Shares sahen, interessierte sich der besagte Mob 24 Stunden später nicht mehr für so viel Trennschärfe.
Schnorren nach Schema-F?
Konflikte der Konstellation „Hotel vs. Influencer“ sind nicht neu. 2018 machte sich YouTuberin Ellen Darby lächerlich, als sie zum Valentinstag eine Hotelübernachtung erschnorren wollte. Der Hotelier machte den Fall publik und das Netz hatte seinen Aufreger.
Aber auch größere Medien-Persönchen verstehen ihre Vorteilsnahmen gerne als normales Geschäftsgebaren: Der gar nicht so kleine YouTuber Concrafter wollte kürzlich in einem Düsseldorfer Club feiern und bot an: Tisch für vier Personen, plus Getränke, im VIP-Bereich, und im Gegenzug drei Social-Posts mit einer Reichweite von 120k bis 200k. Der Club lehnte dankend ab, der YouTuber reagierte dünnhäutig mit einem viertelstündigen Mecker-Video (hier). Und am Ende musste er sich dafür entschuldigen.
Spreu und Weizen
Kommen wir jetzt langsam mal zur Versachlichung. Gianluca Casaccia hatte bereits das Wichtigste gesagt, nur haben die meisten nicht richtig hingehört: Das Problem sind Leute, die sich selbst zu relevanten Medienpersönchen erklärt haben und auf diesem Ticket alle erdenklichen Annehmlichkeiten erschnorren wollen. Es sind die Amateure, die für den schlechten Ruf sorgen. Echte Profis sehen anders aus.
Influencing ist kein Lehrberuf
Influencer zu werden, kann kein Primärziel sein. Die meisten Professionellen sind es durch ihre eigentlich Kernkompetenz geworden. Und bei der sollte man zunächst glänzen. Die Profis sind nämlich zunächst einmal
- Blogger und Autoren,
- erfolgreiche Fotografen, die nicht mit dem iPhone knipsen,
- Athleten, die auch ohne Social Media bereits etwas geleistet haben,
- Entrepreneure, die ihre unternehmerische Arbeit social-medial begleiten – was dann als Influencerschaft wahrgenommen wird,
- oder zur Not auch YouTuber/Vlogger, die sich aber ihre Gefolgschaft mit ihrem Kanal auch erst erarbeitet haben.
Influencer-Marketing wirkt
Wenn wir die Amateure und Schnorrer von den Profis getrennt haben, können wir endlich die nötigen Lanzen für echtes Influencer-Marketing brechen. Denn in Zeiten, in denen Leute YouTube für das bessere Fernsehen halten, Print-Medien Leser wie Anzeigenkunden verlieren und Dienste wie Instagram zum Portfolio der täglich genutzten Apps gehören, treten Influencer oftmals an die Stelle der klassischen Markenbotschafter.
Zahlreiche Erhebungen zeigen, dass Influencer-Marketing gerade auf Jugendliche, also die zukünftigen Generationen, wirkt und eine andere Qualität von Authentizität ins Spiel bringt. Aber auch bei älteren Adressaten zeigen diese Kampagnen ihre Wirkung. Auch wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass sich das Gesicht des Influencer-Marketings noch mehrfach ändern wird, die Disziplin an sich ist gekommen, um zu bleiben.
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Nein, diese Marketing-Spielart ist nicht das gleiche wie die prominenten Werbeträger und vertrauten Kunstfiguren der Vergangenheit. Die operativen Felder und Wirkungsbereiche gehen über klassische Maßnahmen hinaus: Nur ein paar Beispiele:
- Influencer-Marketing teilt sich Schnittmengen mit dem Content-Marketing.
- Es hilft Brands, neue mediale Infrastrukturen aufzubauen.
- Neue Communitys können entdeckt und aufgebaut werden.
- Influencer-Marketing kann auch ohne grenzwertiges Targeting ein Kabel von relevanten Kunden zu uns verlegen.
Wir müssen also anfangen anders zu denken, nicht zuletzt, um auch das Potenzial zu erkennen, das in dieser Spielart steckt. Neu ist Influencer-Marketing eindeutig nicht, anders aber schon – sehr anders.
Was nehmen wir mit?
Die nervigen Negativbeispiele der Pseudos geben keinen Anlass, gesonderte Standards einzufordern. Im Idealfall eines seriösen und professionellen Beispiels, wird der Influencer von einer Agentur vertreten. Und das aus gutem Grunde: Die Agentur sollte wissen, welcher Influencer zu welchem Kunden und Produkt passt. Und sie setzt den Dienstleister nach einem taktisch oder strategisch abgestimmten Konzept, innerhalb der unternehmerischen Zielsetzung, ein.
Die Antwort zur Professionalisierung und den Standards nimmt also nicht den Influencer und sein Verhältnis zum Kunden selbst ins Visier, sondern die andere Seite. Wenn die Agenturen diese Spielart seriös als ernst zu nehmendes Marketing-Instrument behandeln und Influencer sich als Dienstleister verstehen, die wissen wo ihr Platz ist, kann man endlich an die Weiterentwicklung denken.
Artikelbild: Edu Carvalho (pexels Lizenz)