Wieso halluziniert ChatGPT und warum kann KI Menschen retten? Wie kann man mit einem Ladekabel ein Auto klauen und wieso macht Markus den Bildschirm schwarz? Antworten auf diese Fragen und viele weitere Meldungen gibt es natürlich wieder in unserem Monatsrückblick. Noch mal Kaffee holen, Füße hochlegen und dann gute Unterhaltung: Der Mai!
#Twitter – Sturer Lügenvogel
2018 schloss sich Twitter dem freiwilligen EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation an. Wer schon mal auf Twitter unterwegs war, weiß, dass da auch weiterhin Handlungsbedarf besteht. Nun tritt das Vogelhaus unter Elon Musk allerdings wieder aus diesem Pakt aus.
Natürlich ist es eh nur eine Bekundung der freiwilligen Selbstkontrolle gewesen. Aber wenn man selbst die Symbolpolitik ablehnt, will man offensichtlich ein klares Zeichen setzen, was man von Faktentreue und Fake News hält.
Das wird aber nicht viel bringen – zumindest nicht in Europa. Denn im Rahmen des Digitale-Dienste-Gesetzes der EU werden Maßnahmen gegen Desinformation noch in diesem Jahr verpflichtend. Sturer Vogel.
#ChatGPT – Die kreativen Wahrheiten der KI
ChatGPT ist im Mai direkt zweimal als Schummel-Hilfe aufgefallen: Bei einer Abi-Prüfung in Hamburg ist die Arbeit der KI durch ihre Inkonsistenz in den Fokus gerückt. Teile der auffälligen Klausuren seien mangelhaft gewesen, andere Passagen hingegen ungewöhnlich fehlerfrei. Das weckte den Verdacht der Lehrkräfte und liegt nun zur juristischen Prüfung in der Rechtsabteilung der Schulbehörde.
In einem anderen kurioseren Fall versuchte wohl ein Anwalt ChatGPT als juristische Suchmaschine zu nutzen. Für seine Anklageschrift zitierte er zahlreiche Präzedenzfälle, welche allerdings von der Gegenseite nicht gefunden werden konnten. Wie sich herausstellte, verließ sich der Jurist auf die Recherche von ChatGPT, welches jedoch alle Präzedenzfälle frei erfunden hat.
Dieses Verhalten nennt man in der KI-Fachsprache treffenderweise „Halluzination“ und beschreibt, dass sich diese Programme auch Geschichten als angeblich real zusammenreimen können, die von der KI einfach aus dem Zusammenhang heraus als plausibel erachtet werden.
#Youtuber – Folgenreiche Inszenierung
Der YouTuber und Extremsportler Trevor Jacob machte Ende 2021 von sich reden, weil er seinen eigenen (vermeintlichen) Flugzeugabsturz filmte. Die Flugaufsicht witterte relativ schnell, dass es sich um einen Fake handeln könnte und mittlerweile hat der aufmerksamkeitshungrige YouTuber auch vieles zugegeben: Dass er den Flieger vorsätzlich crashte, dass er Beweismittel verschwinden ließ und dass er die Behörden bei ihren Untersuchungen behinderte.
Bei der Summe der Vergehen haben wir irgendwie überhaupt kein Mitleid, dass das nun in einer satten Maximalstrafe von 20 Jahren Haft enden könnte. Vielleicht ist das eine Warnung für viele Content Creator, die für solch einen Stunt durchaus Verständnis aufbringen.
#KiaChallenge – Von Air Tags und USB-Steckern
Dass die New Yorker Polizei empfiehlt, zur Verfolgung gestohlener Fahrzeuge Apple Air Tags zu verwenden und selbst sogar 500 dieser Gadgets verschenkt, ist eine Meldung, aber keine spektakuläre. Wenn man aber hinzufügt, dass einer der Gründe dieser Maßnahme ein knapp 900-prozentiger Anstieg an Diebstählen von KIAs und rund 800 Prozent mehr gestohlene Hyundais ist, wird es interessanter.
Und es wird noch besser: Der eigentliche Hintergrund ist ein TikTok-Hype namens KIA-Challenge. Die Fahrzeuge der beiden genannten Marken seien nämlich relativ leicht zu stehlen. Ist man erst einmal ins Auto gelangt, könne das Zündschloss recht einfach mit einem USB-A-Stecker gestartet werden. In den ganzen USA wurden bisher Zigtausende Kias und Hyundais gestohlen, was dann häufig auf TikTok landet. So langsam ist es aber nicht mehr lustig, falls es das je war, denn es ist sogar schon zu tödlichen Unfällen gekommen.
Sollte sich jemand fragen, wieso der Trend noch nicht über die Landesgrenzen der USA geschwappt ist: Die Vereinigten Staaten gehören zu den ganz wenigen Ländern weltweit, wo Wegfahrsperren gesetzlich nicht vorgeschrieben sind. Und mit Wegfahrsperre klappt der Trick nicht.
#MRSA – Wenn Mensch und KI kooperieren
Bei allen skurrilen und enttäuschenden Meldungen zu KIs sollte man die positiven Meldungen nicht unterschlagen: In Kanada hat eine künstliche Intelligenz ein Antibiotikum gegen ein gefährliches, multiresistentes Bakterium gefunden. Das ist einerseits wichtig, weil Antibiotika-resistente Krankheitserreger laut WHO zu den häufigsten Todesursachen unserer Zeit gehören. Und andererseits, weil die meisten heutigen Antibiotika aufgrund ihrer schlechten Verträglichkeit eher suboptimale Lösungen darstellen.
Was KIs für uns in der Medikamentenforschung tun können? Sie senken Entwicklungskosten und können so Medikamente schneller verfügbar machen. Sie verkürzen Forschungszeiten und wir können Krankheiten also früher bekämpfen. Und sie können Krankheiten bekämpfen, die aus ökonomischem Desinteresse überhaupt nicht bekämpft werden.
#Ikea – Markus macht den Bildschirm schwarz
Der Programmierer Felix Häcker hatte ein Problem: Ein toller neuer 4k-Monitor, der allerdings ohne ersichtlichen Grund immer wieder ausging. Es lag nicht an den Kabeln und es gab auch keine defekten Bauteile. Nach etwas Recherche erfuhr er, dass das Problem gar nicht so selten war. Es lag an „Markus“, einem Büro-Drehstuhl von IKEA. Dieser lud sich statisch auf und wenn Häcker das Kabel anfasste, entlud sich die Spannung und verdunkelte den Bildschirm.
Das Phänomen betrifft nicht nur das IKEA-Produkt, sondern eigentlich jeden Bürostuhl mit synthetischem Fasermaterial und einer hydraulischen Federung – also fast jeden Bürostuhl. Es taucht aber nur bei einer sehr passenden Kombination von Nutzer, Monitor und Stuhl auf. Leider liegt die Lösung nicht so nahe, denn eine helfende Erdung des Stuhls wäre durchaus eine aufwendige Bastelarbeit. Wer ein ähnliches Problem hat, findet vielleicht eine Lösung in diesem Computerbase-Chat (hier).
#Wargames – Finnisches Eigentor?
Am dritten Mai war der internationale Tag der Pressefreiheit. Die finnische Zeitung „Helsingin Sanomat“ hat dem Tag ein besonderes Denkmal gesetzt: In dem Computerspiel „Counter Strike“ platzierte die Zeitung Nachrichten über die russische Invasion der Ukraine. Die Aktion richtete sich natürlich an russische CS-Spieler, die auf diese Art mit Informationen konfrontiert und versorgt werden sollten, die eigentlich in ihrem Heimatland zensiert und verboten sind.
Vermutlich werden ab jetzt auch in Russland die CS-Server sowie andere Online-Games zum Nachteil der Spieler durchsucht. So pfiffig die Idee der Finnen scheint, die Tatsache, dass Papa Staat jetzt auf einen Bereich aufmerksam gemacht wurde, den er noch nicht kontrollierte, dürfte russische Gamer wohl nicht zu Fans dieses Counter-Journalismus‘ gemacht haben. Das war wohl eher ein Eigentor.
#Shorts – Und dann war da noch …
- Vice – Einer der Pioniere des actionreichen Online-Journalismus, die Vice Media Group, ist insolvent. Bereits Anfang des Jahres hat ein anderes Urgestein, BuzzFeed, sein Ende verkündet. (mehr)
- Bitkom – Der Digitalverband hat herausgefunden, dass noch gut 82 Prozent der deutschen Unternehmen ihr Fax nutzen. Wirklich häufig nutzen es allerdings nur noch 33 Prozent der Gewerblichen. (mehr)
- Telekom – Die Verbraucherzentrale hat vor dem LG Köln geklagt und das Gericht hat entschieden, die Telekom darf keine personenbezogenen Daten an Google-Server in die USA übermitteln. Sollte vorher klar gewesen sein, oder? (mehr)
- Newsbots – Der KI-Spezialist NewsGuard warnt, dass es immer mehr Nachrichtenportale gibt, die ausschließlich von KI-Programmen betrieben werden. Dabei haben die Inhalte oftmals nicht viel mit faktentreuen Nachrichten zu tun. (mehr)
- Abmahnwelle – Wer sich noch an die Abmahnwelle um genutzte Google-Fonts erinnert: Ausgerechnet das Gericht, welches durch ein fragwürdiges Urteil die Abmahnwelle ermöglichte (Landgericht München I), erklärte nun, dass die Abmahnungen nicht rechtskräftig seien. (mehr)
- DSGVO – Der EuGH höchstselbst hat in einem Grundsatzurteil bekannt gegeben, dass nicht jeder Datenschutzverstoß auch automatisch zu Schadensersatzzahlungen führen muss. Im gleichen Urteil heißt es aber auch, dass es keine Untergrenze gibt, ab der erst gezahlt werden müsste. (mehr)
- Google – Ab Dezember wird Google anfangen, Konten, die länger als zwei Jahre nicht genutzt wurden, zu löschen. Das betrifft allerdings nur private Konten. Firmen, Schulen oder Institutionen sind davon nicht betroffen. (mehr)
#Aprilscherze – Sag zum Abschied leise gar nichts
Und zum Abschluss etwas Melancholisches: Natürlich sind wir mit Aprilscherzen einen Monat zu spät. Aber darum geht es gar nicht. Wenn es um Aprilscherze in der Tech-Welt ging, war Google sozusagen der ungekrönte Schwergewichtsweltmeister. Das lag nicht zuletzt daran, dass sich bei Google verschiedene Abteilungen und Länder-Units untereinander immer wieder zu überbieten versuchten. Und das oftmals mit sehr viel Aufwand.
2020 setzte der Konzern wegen der Covid-Pandemie seine Aprilscherz-Tradition aus und kehrte seit dem auch nicht mehr zurück. Einen eindeutigen Abgesang seitens des Unternehmens gab es nie. Wir können also nur hoffen, dass das Haus Alphabet irgendwann wieder zu dieser Tradition zurückkehrt.
Bis dahin möchten wir niemandem diesen großartigen Zusammenschnitt aller Google-Aprilscherze seit den frühesten Tagen vorenthalten.
Artikelbild: Alexandra Koch / pixabay