Willkommen zu einem lehrreichen Monatsrückblick: Wir erfahren, wo die Reise für Twitter wohl letztlich hingehen wird. Wir lernen auch, dass Verbote gegen Apps keine Lösung sein können. Und wir bekommen wunderbar vorgeführt, wie schlecht die Arbeit von KIs sein kann. Garniert wird das Ganze von weiteren News und Storys des letzten Monats. Also noch einmal Kaffee holen, Füße hochlegen und viel Vergnügen: der April.

#Jubiläum – 50 Jahre Handy: Von Knochen und Ziegelsteinen

Am 3. April war es genau 50 Jahre her, dass der Motorola-Ingenieur Martin Cooper erstmals ein Mobiltelefon vorführte. Die sperrige, gräuliche Kiste wog 1973 noch rund ein Kilo und die Stromversorgung hielt gerade einmal für 25 Minuten. Eine breite Markteinführung lahmte nicht an der Produktreife – immerhin dauerte die Entwicklung für den Knochen nur drei Monate. Es mangelte an Netzen und es vergingen noch gut zehn Jahre, bis der Markt so weit war.

Für Martin Cooper muss das alles ein ungemein zufriedenstellendes Lebenswerk sein. Denn der ehemalige Motorola-Ingenieur lebt noch, ist 94 Jahre alt und hat die komplette Entwicklung mitbekommen. Von seinem grauen Ziegelstein bis zu Smartphones, die heute mehr Rechenleistungen als frühere NASA-Server haben. Glückwunsch, Mr. Cooper.

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#Falschparken – Selbsternannte Ordnungshelden in der Grauzone

Wenn Ordnungsämter ihren Bürgern die Möglichkeit geben, Parksünder auch auf digitalem Wege den Behörden zu melden, dann wird in manchen lieben Mitmenschen der urdeutsche Spießbürger getriggert. Behörden, die solche Dienste anbieten, beklagen immer häufiger, von Lawinen an Foto-Meldungen überschwemmt zu werden. Das Problem ist dabei der Datenschutz. Denn während die selbst ernannten Hilfssheriffs glauben, etwas Gutes zu tun, brechen sie auf ihrem Kreuzzug fast durchgängig die Regeln.

c’t-Redakteur Harald Büring hat diesen Monat einen schönen Artikel dazu geschrieben, den wir gerne empfehlen. Unser Longread-Tipp >hier<.

#DeepGreen – Server macht das Wasser warm

Es hätte eine schwäbische Idee sein können, kommt aber aus England: Das britische Start-up „Deep Green“ bietet öffentlichen Schwimmbädern an, ihr Wasser zu erwärmen. Das Unternehmen hat einen Kessel entwickelt, welcher die Abwärme von Servern nutzt, um Wasser zu temperieren. Der Rechner nimmt dabei gerade einmal die Größe einer Waschmaschine ein. Deep Greens Angebot: Sie zahlen den Kessel, stellen ihn auf und warten ihn. Das Start-Up zahlt auch den Strom für den Betrieb des Servers. Alles, was sie vom Kunden brauchen: einen Netzanschluss und einen Stellplatz für alles.

In Exmouth, Grafschaft Devon, läuft bereits so eine Heizanlage mit Erfolg. Und es sind noch sieben weitere Anlagen im Königreich in Vorbereitung. Die Betreiber erhoffen sich dadurch vor allem eine bemerkbare Kostenersparnis. Denn zahlreiche englische Schwimmbäder mussten aus Kostengründen bereits schließen. Wir hoffen nicht nur, dass Deep Green mit dem Projekt Erfolg hat, sondern auch, dass die Idee auch Schule macht.

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#FotoAward – Schon wieder von der KI ausgetrickst

Die Sony World Photography Awards zählen zu den renommiertesten Preisen für Fotografie. Der Berliner Fotokünstler Boris Eldagsen wollte eigentlich nur mal testen, wie gut Jurys auf Bilder vorbereitet sind, die von Algorithmen produziert wurden. Sein eingereichtes KI-Test-Bild von zwei Frauen, welche in Wirklichkeit gar nicht existieren, gewann prompt einen Preis.

Eldagsen lehnte den Preis ab. Vielleicht aber auch nicht nur, weil es selber als Mogelei empfand: Er erklärte nach der Preisbekanntgabe der Jury von der World Photography Organisation, wie es zu dem Bild kam und dass es eigentlich aus einer KI kommt. Die Jury blieb ausdrücklich bei ihrer Entscheidung.

 

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#ChatGPT – Horch, wer klopft vom Jenseits an …

Und noch einmal KI. Mit einer Leseempfehlung. Unser Autor Manuel Amor hat eine neue, tendenziell morbide Entwicklung der KI-Anwendungen beleuchtet: Séancen mit frisch Dahingegangenen. Bestatter  im Reich der Mitte bieten den Service an, Tote dank KI-generierter Methoden in Bewegtbild, Text und Ton zum Wiedergänger zu machen. Also von den Toten auferstehen zu lassen. Und nicht nur das. Kunden konnten mit den Verblichenen auch noch kommunizieren. Aus unserem Blog: Bestatter lassen Tote „wiederauferstehen“.

#XCorp – Größenwahn wirft seine Schatten voraus

Wer es nicht mitbekommen hat, Twitter ist jetzt faktisch nur noch eine Marke und kein Unternehmen mehr. Der irre Südafrikaner hat Twitter in „X Corp.“ umbenannt. Für den Dienst an sich hat das keine weitere Bewandtnis, aber die Umbenennung könnte ein Zeichen für mehr sein. Was Musk eigentlich will, wissen wir längst: Eine App, die alles vereint. Von Messaging über soziales Netzwerk, Streaming, Finanzdienstleistungen, Online-Shopping bis zu Essensbestellungen, also eine Super-App nach dem chinesischen Vorbild von WeChat & Co.

Cathie Wood (siehe Video) ist weiß Gott kein vertrauenswürdiger Mensch – dubiose Spekulantin, Trump-Supporterin und ein sehr eigenwilliges Verständnis von Demokratie. Damit passt sie nicht nur perfekt zu Elon Musk, sie ist Intimus und kann uns sachlich erklären, was den verhaltensoriginellen Mogul antreibt. Wenn er wirklich so stark an „vertikale Integration“ glaubt, wie sie behauptet, dann sollten wir den Blick nicht auf Twitter richten, sondern seine Konzentrationsbestrebungen beobachten. Welche anderen Apps und Start-ups hat er sich vielleicht schon einverleibt, um solch eine Multi-App umzusetzen?

Und vergessen wir nicht, dass diese ganze kapitalstarke Tech-Truppe aus einem bestimmten Grund Donald Trump unterstützt: Viele ihrer Ideen benötigen eine massive Deregulierung des Marktes. Denn unter den aktuellen Wettbewerbsregeln wäre so eine Super-App nicht machbar. Das würde für den Konsumenten am Ende der Kette letztlich weniger Verbraucherrechte und weniger Datenkontrolle bedeuten – zugunsten eines bequemeren, kommerziell-integrativeren Produkts. Da fallen uns gleich zwei Links zum alten Goethe ein: der Zauberlehrling und Faust – beide Teile.

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#OfficerDenny – Kommissar Naiv muss Kanal schließen

Ein Berliner Ordnungshüter führte auf TikTok ein Interview mit einem bekannten und gefährlichen Clan-Mitglied. Dabei nennt er sich auf seinem Kanal „Officer Denny“. Wenn man dazusagt, dass der gute Mann keinen offiziellen Auftrag seiner Behörde hat, sondern einfach nur „etwas TikTok macht“, dürfte jedem aufgehen, wo das Problem steckt. Sein Dienstherr hat dem Polizisten nach dem Interview erklärt: Jetzt ist Schluss – mit dem Kanal und mit „Officer Denny“.

Nachdem sich der Polizeihauptkommissar gerichtlich dagegen wehren wollte, machte das OVG des Landes Berlin klar, dass wirklich Ende ist. Wenn man sich im Expertise-Video von WBS anschaut, wie naiv und tollpatschig sich der verbeamtete Ordnungshüter gegenüber dem dubiosen Clan-Mitglied gibt, kann man dem Gericht nur beipflichten. Darüber hinaus wird wirklich fraglich, wie dienstkompetent dieser Polizist überhaupt ist.

Wichtiger ist aber, dass es ein schönes Lehrbeispiel für so viele andere Social-Media-affine Menschen sein sollte. Man darf nie vergessen, dass man in manchen Fällen eben nicht nur Privatperson ist, sondern immer auch in irgendeiner Funktion oder Rolle auftritt.

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#TikTok – Montana goes DDR

Und noch mal TikTok: Der US-Bundesstaat Montana hat im April ein komplettes TikTok-Verbot gesetzlich beschlossen. Wie das überhaupt umgesetzt werden soll, ist nicht bekannt. Werden dann Smartphones von Passanten kontrolliert? Beobachtet man, wer aus dem Staat ein Video absetzt? Und schon mal darüber nachgedacht, dass diese Überwachung verfassungswidrig sein könnte?

Der Fall aus Montana veranschaulicht, dass Verbote im Diskurs um Herausforderungen durch Social Media keine Lösung sind. Sie schaffen eher weitere Probleme und schwächen die Demokratie. Diese Verbotsmentalität riecht schon auffällig nach Überwachungsstaat. Jetzt liegt dieser Beschluss zur Prüfung beim republikanischen Gouverneur des Staates. Und wir sind nicht zuversichtlich.

Kieran Oudshoorn arbeitet in diesem Video-Editorial für CBS News sehr schön heraus, dass die Praktiken, die TikTok vorgeworfen werden, auch von allen anderen Unternehmen gepflegt werden. Und er beleuchtet, dass Apps wie TikTok vielen amerikanischen Businesses geholfen haben, zu wachsen.

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#Homophobie – Kommissar Grindr

Die schwule Dating-App hat mal wieder Probleme mit der Sicherheit ihrer Kunden. Das Unternehmen selbst warnt aktuell in Ägypten, wachsam zu sein. Angebrachter wäre es, die App mal eine Zeit lang nicht zu nutzen. Mithilfe der App spürt nämlich die ägyptische Polizei schwule und bisexuelle Männer auf und verhaftet sie – oder macht noch Schlimmeres. Auf diesem Wege sollen schon gut 150 Männer in die Gefängnisse und Foltereinrichtungen der ägyptischen Behörden geraten sein.

Etwas subtiler, aber nicht weniger homophob gehen zurzeit fundamentalistische Katholiken in den USA vor. Die Gruppierungen kaufen App-Daten und identifizieren so katholische Geistliche, welche auf der App unterwegs sind. Vermutlich sollen diese dann ihren Dienstherren gemeldet werden. Das eigentliche Problem dabei ist jedoch die Einbindung der Drittanbieter, von welchen die Fundamentalisten personalisierte Daten kaufen.

Gegen solche kriminellen Machenschaften haben wir in Europa die DSGVO. Und auf ähnlicher Basis wurde Grindr in Norwegen, was nicht einmal EU-Mitglied ist, zu umgerechnet 10 Mio. Euro Strafe verurteilt. Auch hier ging es um die Weitergabe personalisierter Daten.

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#Meta – Bewegte Steigerung

In der letzten Aprilwoche meldete sich Zuckerberg bei seiner Gemeinde und erzählte vom „Earnings Call“ – quasi die große Stammessitzung aller Häuptlinge unterm Meta-Himmel. Laut seinem Report sorgten Reels auf Instagram zu einer 24-prozentig höheren Verweildauer in der App. Auch betonte er knapp 30-mal die Relevanz von KI für Meta. Nach dem Call stieg der Börsenkurs dann auch noch um satte 12 Prozent. Wir können also sagen: Dem Laden geht’s anscheinend sehr gut – allen Unkenrufen zum Trotz.

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#KIFail – Wenn Mutanten Pizza essen

Und zum Abschluss etwas Versöhnliches in Sachen KI. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass wir mit der modernen KI-Technologie automatisch den Kontakt zur echten Welt verlören. Tatsache ist, dass gute KI-Arbeit immer noch sehr hochwertige Software und sehr qualifizierte Leute benötigt – und das wird so schnell kein Massenphänomen.

Ein gutes Beispiel dafür ist Pepperoni Hug Spot: Diese Pizza-Werbung wurde von hinten bis vorne von diversen KI-Programmen kreiert. Zu sehen sind „Menschen“ und Dinge, die vielleicht für Kurzsichtige ohne Brille als „Farbmuster Pizza“ erkannt werden könnte. Zuschauer mit klarem Blick erkennen gruselige Menschendarstellungen, die mit sehr viel Fantasie nach einem Fiebertraum von Hieronymus Bosch nach einer Überdosis Stechapfel aussehen. Also Entwarnung an alle Technik-Phobiker: So schnell schießen die KI-Preußen dann doch nicht.

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Artikelbild: Clem Onojeghuo / unsplash.com

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