Holla die Waldfee – im Mai war viel Strom unter der Tapete und es geht meistens um Virales: Der DFB zeigt dabei, dass er Internet verstanden hat. Spotify zeigt, dass es unfreiwillig zum Handlanger von braunem Gedankengut wird. Und das Netz zeigt, dass deutscher Humor doch ein guter Exportschlager ist. Also noch mal Kaffee holen und dann rein ins Geschehen: Bitte sehr, der Monatsrückblick Mai.
#Temu – Unterlassungsversprechen bei Wish bestellt
Im März hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) die chinesische Handelsplattform Temu unter anderem wegen irreführender Rabatthöhen und manipulativem Design abgemahnt. Um eine Klage zu verhindern, hat der Händler aus Fernost nun eine Unterlassungserklärung abgegeben und verspricht, nachzubessern. Wir würden an dieser Stelle gerne eine Wette abschließen, dass diese Unterlassungserklärung nicht die Tinte auf dem Papier wert ist, wäre diese Erklärung ausgedruckt worden. Liebes Temu, wir hören uns bald wieder.
#EMKader – Der DFB ist gerade in seiner Prime
Bald startet die Fußball-EM und für die Verkündung des auflaufenden Kaders beweist der DFB echte Campaigning-Kompetenz: Statt einer Pressekonferenz veranstaltete der Verband eine Schnitzeljagd, bei der verschiedene Dritte die Nominierten crossmedial im Netz, Radio und im TV leakten. Ein paar dieser Leaks sind auf der Instagram-Seite des DFB (hier) noch zu sehen.
Mit dieser Salami-Taktik konnte der Verband die Aufmerksamkeit über mehrere Tage aufrecht erhalten und gab so jeder Nominierung die Möglichkeit, wahrgenommen zu werden. Davon ab ist ein Leak im heutigen News-Geschäft formal ein Aufmerksamkeitsbooster. Damit dürfte auch die in puncto Aufmerksamkeit limitierte GenZ erreicht worden sein. Alle Achtung, jetzt haben wir Bock aufs Turnier.
#Cyberkriminalität – Die große Familienschau beim Endgame
Den weltweit „bisher größten Schlag“ gegen Cyberkriminelle vermeldeten Ende Mai Europol und BKA – weitere Details in dem Video. Mit dem Ermittlungserfolg, bedeutungsschwanger „Operation Endgame“ genannt, setzen Ermittlungsbehörden den Kampf gegen Verbrechen im digitalen Raum fort, welcher gefühlt in diesem Jahr ziemlich an Fahrt aufgenommen hat.
Wie jedes Mal bei solchen Meldungen, lernen wir auch indirekt etwas: Die Rede ist von Schadsoftware-Familien, aber was heißt das? Faktisch ist das ziemlich interessant, denn eine Malware ist nicht nur ein singuläres Programm, sondern oftmals ein Zusammenschluss verschiedener Applikationen. Wer nähere Infos möchte, sollte sich in den Familienbeschreibungen auf „malpedia“ oder „CheckPoint“ umschauen. Wenn es nicht so traurig wäre: Malware-Familien sind ziemlich ausgefuchst.
#DFB – Trollen richtig gemacht
Und hoch einmal DFB: Dass der angestaubte Verband scheinbar gute Leute in der digitalen Abteilung hat, zeigte auch ein Spitze Richtung FC Bayern, die irgendwie keinen Trainer finden konnten: Richtung Säbener Straße verkündete der DFB, dass der von den Bayern geschasste Bundestrainer Nagelsmann Bundestrainer bleibt.
Beeindruckend: Das machte der DFB im Format des „Pedro Waschbären“-Memes und löschte den eigenen Post nach kurzer Zeit wieder – was ein Garant dafür ist, dass er dann auf jeden Fall wieder auftaucht. Lieber DFB, ganz großes Tennis – Respekt!
DFB Social Media Team hat einen ruhigen Freitag morgen und geht ganz entspannt ins Wochenende pic.twitter.com/9j1Vs0Gs68
— elmaestro (@Dallotelli) April 19, 2024
#Heiligsprechung – Der angebetete Influencer
So, jetzt wird es etwas strange: Carlo Acutis ist 15-jährig im Jahr 2006 an Leukämie gestorben. Dem verstorbenen Computer-Nerd galt nach Auskunft seiner Eltern als begnadeter Programmierer und Webdesigner. In den letzten zwei Jahren seines Lebens nutzte er Facebook bereits, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen, was ihm Beinamen wie „Influencer Gottes“, „Cyber-Apostel“ oder „Patron des Internets“ einbrachte.
Und jetzt kommts: Ihm werden zwei Wunder zugeschrieben, die er nach seinem Tod durch Fürbitten an ihn bewirkt haben soll. Bereits 2020 wurde er deshalb seliggesprochen. Jetzt will ihn Papst Franziskus auch noch heiligsprechen. Da fällt uns jetzt ganz viel zu ein, was wir jedoch aus Neutralitätsgründen für uns behalten.
#ViralerHit – Rhabarberbarbara International
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Kabarettist Bodo Wartke und das Musikgenie Marti Fischer mit „Barbaras Rhabarberbar“ einen viralen Welthit gelandet haben. Was als musikalischer Nischen-Sketch startete, heimste in den letzten fünf Monaten 7,5 Millionen Views ein.
Seitdem die beiden Australierinnen Stephanie Graham und Christina Anastasiadis auch noch eine Mini-Choreographie auf den viralen Hit tanzten, verbreitet sich der Zungenbrecher von Wartke und Fischer auf der ganzen Welt und alle tanzen den Rhabarberbar-Dance. Über 60 Millionen Views auf TikTok, YouTube und andere Plattformen gar nicht mitgerechnet. Eine Fortsetzung gibt es auch schon und so manche Feder schreibt, das könne Deutschland in den schweren Zeiten ganz gut gebrauchen.
@steph_who___ (Please tag us if you try out our dance we would love to see :)) When ron and ned get together in the bathroom 🫶🏻 #babara #BarbarasRhabarberbar #dance #theatrekids #theatre #theatretok #batboy #musicaltheatre #stephwho #dannce #stephgraham #babaradance ♬ Barbaras Rhabarberbar – Bodo Wartke & Marti Fischer
#CDUCSU – Polling wie die Anfänger
Mittlerweile ist dieser Stunt zum Treppenwitz geworden: Die Union wollte per Internet-Votum nach der Stimmungslage für ein Verbrenner-Aus fragen. Als die Abstimmung zunehmend Stimmen gegen Verbrennungsmotoren verzeichnete, wurde das Polling abgebrochen. In einer Erklärung des Software-Anbieters hieß es hinterher, die Abstimmung sei manipuliert worden.
Vielleicht lag es auch einfach daran, dass man ohne Registrierung oder Verifizierung einfach per einmaligem Klick abstimmen konnte. Wir fragen uns gerade, in welchem Jahr das Technologiebewusstsein der Union feststeckt.
#ICQ – RIP „Ah Oh“
Nach fast 30 Jahren ist endgültig Schluss mit “Ah Oh”: ICQ war ab 1996 einer der ersten Pioniere im modernen Messenger-Chatting. AOL, Yahoo und MSN, die selbst mittlerweile auf dem Friedhof der Legenden liegen, haben dafür gesorgt, dass ICQ nie so richtig Mainstream wurde. Kritiker sagen, ICQ war auch immer zu bunt, um ernst genommen zu werden. Aber: Der Urzeit-Messenger war immer ein stehender Begriff, als schöne Erinnerung oder als Treppenwitz in Memes. RIP!
#Spotify – Braun gefärbter Algorithmus
Die mediale Aufmerksamkeit um das Skandal-Video von Sylt hat ein anderes Problem mal wieder hochgespült: Algorithmen sind doof. Aber Sylt ist leider wirklich kein Einzelfall, denn Gigi D’Agostinos „L’amour toujours“ wird von hirnschwachen Mitmenschen immer wieder für genau diesen Chant missbraucht. Die bundesweiten Fälle gehen mindestens in die Hunderte.
Eine Beobachtung offenbart mal wieder, wie dabei die Technik unfreiwillig zum Handlanger solcher Hetz-Trends wird: Die Siri-Abfrage nach einem Lied „Ausländer raus“ führt unweigerlich zu D’Agostinos Hit auf Spotify. Das beweist, dass Algorithmen nicht nur Präferenzen erkennen, sondern auch plattformübergreifend Begriffe und Datensätze verknüpfen. DAS ist ein Problem, denn so übernehmen Algorithmen automatisiert die massenweise Hetze braunen Gedankenguts.
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#NazisRaus – Marti Fischer did it again
Enden wir mit einer erfreulichen Gegenoffensive – und noch mal mit Marti Fischer. Der hat nämlich verstanden, dass man Algorithmen nur mit Algorithmen bekämpfen kann. Und hat prompt eine musikalische Antwort auf das Skandalvideo aus Sylt gebaut.
Natürlich gibt es das mittlerweile auch auf Spotify und da können wir nur empfehlen: Klicken, hören, teilen – <<hier>>
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Artikelbild: AI-Bild mit playground.com erstellt