Unser diesmaliger Monatsrückblick hat keine Kampagnen oder knallige Aktionen im Angebot. Was wir haben, ist aber nicht minder wichtig. Da sind Netzkünstlerinnen, die uns den Spiegel vorhalten; eine Video-Serie, die zeigt, was wir aus Spielen lernen können; ein großer Publisher, der sich von Facebook nicht mehr erpressen lässt; und wir haben einen wichtigen Fall, der alle Businesses betrifft, die Service Plattformen nutzen. Also nochmal schnell die Kaffeetasse voll machen und zurücklehnen. Bitte schön, der Februar.

#HateSpeech – Die laute Minderheit

Ist Facebook ein Pool des Hasses, wo fast nur aggressive Hater kommentieren? Laut dem Londoner Institute for Strategic Dialogue trifft das nur auf 5 Prozent der Nutzer zu. Denn einer aktuellen Untersuchung von Beiträgen großer deutscher Publisher folgend, ist das genau die Menge derer, die im Januar für Hate-Speech und Likes extremer Inhalte verantwortlich waren. Die meisten User sind friedlich oder zumindest nicht so aggressiv. Das Manko sei lediglich, dass diese hassende Minderheit ihr „Handwerk“ sehr gut versteht. So wird der Anschein erweckt, es sei das ganze Internet, wenn nicht sogar alle Menschen. Also: Großteil friedlich, laute Minderheit böse. Damit können wir leben. Wäre da nicht das Detail, dass der falsche Eindruck dieser Minderheiten bereits echte Mehrheiten generieren konnte.

#VirtualNormality – Vom Netz in die Galerie

Eigentlich brauchen sie keine Galerie oder Ausstellung, denn sie erreichen ihr Publikum überall dort, wo es Internetempfang gibt: Netzkünstlerinnen. Unter dem Titel Virtual Normality widmet das Museum der bildenden Künste in Leipzig ihnen nun eine Ausstellung. Die Arbeiten von Künstlerinnen wie Juno Calypso, Signe Pierce oder Arvida Byström schaffen dabei etwas sehr wichtiges, denn sie nutzen soziale Medien nicht nur als Schaufenster für ihre Kunst. Sie reflektieren den Umgang mit Frauen, die Reduktion auf visuelle Maßstäbe und den pervertierten Katalog an Richtlinien für ihr Auftreten. Und es passt irgendwie ins Bild, dass gerade die kritische Rezeption Debatten über die Ernsthaftigkeit, angesichts Social Media, führt. Wir denken: Wer darin keine künstlerische Qualität sieht, sollte sich vielleicht besser mit röhrenden Hirschen über der alten Wohnzimmer-Couch beschäftigen.

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#Bitcoin – Nukleares Schürfen

In Russland wurden kürzlich mehrere Ingenieure verhaftet. Der Vorwurf: Bitcoin-Mining. Nun ist das Schürfen der Kryptowährung in Russland eigentlich nicht verboten. Nur hätten sie das besser nicht am Arbeitsplatz machen sollen – einem Kernforschungszentrum, wo nukleare Waffen entwickelt werden. 2011 wurde in der Forschungseinrichtung ein extrem leistungsstarker Rechner installiert. Da dachten sich die Ingenieure wohl, die paar Rechenaufgaben, um im aktuellen Boom auch ein bisschen an Bitcoins zu verdienen, machen den Kohl auch nicht fett. Weniger amüsant ist, dass jetzt natürlich ein Strafverfahren eingeleitet wird. Wir wünschen den Ingenieuren alles Gute.

#Facebook3D – Alles dreht sich

Wer es nicht mitbekommen hat: Bei Facebook gibt es ein neues Posting-Format. Seit Februar sind nun auch 3D-Modelle genauso wie Bilder oder Videos publizierbar. Das Post muss als GLB-Datei unter 3MB vorliegen. Welche Möglichkeiten das dann bietet, werden wir noch sehen. Produktpräsentationen oder tiefe Einblicke für architektonische Werke sind naheliegend. Allerdings müssen solche Dateien auch erstmal produziert werden. Also, viel Spaß beim Workflow.

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#FacebookBoykott – „Schnauze voll“ auf Brasilianisch

Die Folha de Sao Paulo ist eine von Brasiliens größten Tageszeitungen. Mit knapp 6 Mio. Fans ist so gut wie jeder Post bei Facebook ein Erfolg. Nach Zuckerbergs Algorithmusankündigungen im Januar, platzte Chef-Redakteur Sergio Davila der Kragen: „Durch das Verbannen des professionellen Journalismus und das Bevorzugen von persönlichen Inhalten und dem damit entstehenden Raum für Fake News, wird Facebook zu einer unfreundlichen Umgebung für all jene, die hochwertige Inhalte wie unsere liefern“. Konsequenz: Das brasilianische Blatt boykottiert ab jetzt Facebook. Im Klartext heißt das, der Account wird nicht gelöscht, aber man poste auch nichts Neues mehr. Jetzt kann man natürlich sagen, gerade die Großen hätten es nötig, sich zu beschweren. Aber da übersieht man etwas, das die Brasilianer durchaus richtig verstanden haben: Die Einbrüche sind so eklatant, dass Facebook mittlerweile irrelevant für das eigene Portal ist. Und so viel Aufwand, um auf einem Netzwerk zu brillieren, auf dem man letztlich kein Geld verdient, ist ein Verlustspiel. Hoffentlich machen das viele Publisher den Brasilianern nach. Dann bleibt Facebook mit seinen Fake-Newsern alleine und vielleicht fängt man dann auf dem Zuckerberg mal an, über Ansätze mit Hirn und Verstand nachzudenken. Denn lügen wir uns nicht selber in die Tasche: Wir können natürlich Facebooks Politik der freien Reichweite als Geschenk dogmatisch nachplappern. Aber Facebook wäre nicht dieser kraftvolle Spieler, hätten unzählige Publisher davon nicht Gebrauch gemacht. Das ist so, als würde man das Blut dafür zahlen lassen, dass es durch die Adern fließt.

#Dolce&Gabbana – Models mit Propeller

Na, wer sieht schicker mit Tasche aus? Model oder Drohne? Das Fashion Brand Dolce & Gabbana wartete für eine Show in Mailand mit einem Gimmick auf und ließ zur Eröffnung zunächst Handtaschen von Drohnen ausfliegen. Wir finden, schick und zeitgemäß. Technisch schien das aber etwas wackelig gewesen zu sein. Die Gäste des Events wurden nämlich gebeten, WiFi und Hotspots bitte während der Show auszustellen, damit nichts mit den Flugfrequenzen durcheinander kommt. Ist gelungen. Und vielleicht sucht ja Heidi Klum bald Germany’s Next Top Drone.

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Drones carried handbags at the Dolce & Gabbana fashion show from CNBC.

#Jameda –Ein unspektakulärer Fall mit tiefgreifender Bedeutung

jameda screenshot
Umfangreiche Features, TÜV Zertifizierung, Kundentestimonials und ein Qualitätsversprechen: Trauen Sie dem perfekten Schein nicht, so lange Sie die AGB nicht genauestens geprüft haben.

Wir widmen den Mittelteil dieses Mal einem Fall, welcher jeden Gewerbetreibenden betrifft, der im Social Web mitspielen will. Es geht um Jameda, ein Bewertungsportal für Ärzte. Diese können sich dort kostenfrei registrieren und werden somit für potentielle Patienten mit allen möglichen Informationen sichtbar. Patienten können wiederum diese Ärzte bewerten. Um Missbrauch zu vermeiden, arbeite laut dem Portal ein Algorithmus, welcher Anomalitäten aufspüre. Zudem können die bewerteten Ärzte bei auffälligen Bewertungen Beschwerde einlegen, worauf Jameda von den bewertenden Patienten anonym einen Nachweis für den Arztbesuch verlangt. So weit, so gut.

Um jedoch einen professionellen Eindruck zu vermitteln, beispielsweise für eine Präsentation mit Bildern, müssten die Ärzte ein Bezahlpaket buchen, was monatlich bis zu 150 Euro kosten kann. Und an der Stelle verlässt das zur Burda-Gruppe gehörende Portal die Funktion des neutralen Informanten. Denn wer nicht zahlt muss damit leben, dass naheliegende Konkurrenz mit auf dem eigenen Profil eingeblendet wird. Und zwar so, dass das eigene Profil etwas untergeht.

Dermatologin klagt

Eine Kölner Dermatologin wollte, nach mehreren Auseinandersetzungen mit dem Portal, die Löschung ihres Profils erwirken. Jameda ließ dies nicht zu. Nachdem sie in erster Instanz verlor, gab ihr nun der BGH Recht, und zwar mit einer wichtigen Begründung: Durch das Bezahlsystem kann Jameda seine Rechtsposition der Medienfreiheit eines unabhängigen Informationsdienstes nicht mehr behaupten. Und da dem Nutzer gegenüber dieses System nicht transparent vermittelt wird, obliegt hier das Recht der Ärztin auf informationelle Selbstbestimmung.

Der Fall sieht auf den ersten Blick nicht so spektakulär aus, ist er aber. Denn gewerbliche Kunden lassen sich zu oft auf Kanäle ein, die eben nicht owned media sind, und gehen dabei unbewusst einen Kuhhandel für ihre Präsenz auf solchen Portalen ein. So Quick and Easy das Registrieren aussieht und so vielversprechend das Auftreten auf in diesen Informationskanälen erscheint: Bitte lassen Sie sich vorher von Fachleuten, Social Media Spezialisten oder auch Ihrem Anwalt, beraten. AGB lesen und verstehen sind keine Geringfügigkeiten.

#Vero – Das nächste Irgendwas

Man ist ja versucht „schon wieder“ zu sagen. Aber die Zeiten, in denen alle Nase lang eine neue Social App heraus kam, sind vorbei. Die letzten ambitionierten Versuche waren Ello und der Relaunch von MySpace. Beide mit überschaubarem Erfolg. Jetzt gibt es wieder etwas Neues. Vero heißt das Prachtstück, schreibt sich „true social“ auf die Fahnen und genießt den prognostizierten Ruf, das nächste Instagram werden zu können. Werbung gibt es keine, auch keinen Algorithmus. Datensammelei soll es auch nicht geben. Shoppen kann man bei Vero allerdings schon, woran das Netzwerk auch mitverdient. Die erste Millionen an Mitgliedern darf noch dauerhaft kostenfrei rein. Danach soll es kostenpflichtig werden. Klingt alles super, aber zunächst hat die Plattform noch mit technischen Problemen zu kämpfen. Wir haben uns natürlich registriert und das war, gemilde gesagt, eine schwere Geburt. Was man dann bekommt ist ein Bisschen von allem. Gar nicht so schlecht. Bleibt nur die Frage: So nervig Facebook auch ist, egal wie einseitig Instagram sein mag, so speziell Twitter ist – brauchen wir noch ein Netzwerk? Nun, wie gut Vero ist oder sein kann, wird sich erst mit seinem Wachstum zeigen. Der junge Mann in diesem Clip hat jedoch ein paar sehr gute Argumente, die man sich durchaus mal durch den Kopf gehen lassen sollte.

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#OnlineDating – Ein Herz für Trumper

Wir wissen, dass das politische Phänomen Trump die Sprengkraft hat, ganze Familien zu zerreißen. Eine neue Partnerin oder einen neuen Partner zu finden, kann in diesem Klima eine echte Herausforderung darstellen. Vor diesem Hintergrund macht es durchaus Sinn, ein Dating Portal nur für Trump-Anhänger zu eröffnen. Trump.Dating heißt das Portal und anmelden kann man sich nur als hetero Frau oder hetero Mann – von echten Patrioten, für echte Patrioten. Wir glauben, wenn man so viel verblendeten Nationalismus in die Partnersuche schleppt, sollte man vielleicht eher nach einem Therapeuten suchen. Aber was wissen wir schon. Dass Mitglieder die Nationalhymne singen müssen, bevor sie intim werden, konnte bisher nicht bestätigt werden.

#HistorysCreed – Spielerischer Lerneffekt

Und zum Abschluss: Unser diesmaliger Medientipp beleuchtet das Potential, welches in Videospielen steckt. Die zehnteilige Mini-Serie History’s Creed von Arte untersucht, wie viel wir von Games lernen können, welche Gedankenexperimente uns Spiele ermöglichen und was wir dadurch über uns selber erfahren können. Die kurzen Episoden setzen ihren Fokus dabei auf historische Fakten, der Funktion von Stereotypen, die Rolle von Religionen oder auch die politische Instrumentalisierung von Videospielen. Klingt interessant? Ist es auch. Die Serie kann frei in der Mediathek geschaut werden (hier).

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Artikelbild: tommy-online (CC0)

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