Lediglich der Blick ins ausgedünnte Business-Ressort ließ erahnen, dass Sommerferien sind. Der Rest der Netzwelt war aktiv wie eh und je. Und es stellen sich Fragen: Wieso sind die Mädchen auf Instagram so traurig? Warum muss eine britische YouTuberin gerettet werden? Und was hat PokemonGo mit Gehirnschnecken zu tun? Antworten gibt’s in unserem Monatsrückblick. Also Füße hoch, der Juli.

PokemonGO – Angriff der Gehirnschnecken

Kennen Sie die Gehirnschnecken aus Futurama? Gallertartige Weltraumparasiten, die sich an die Köpfe ihrer Opfer haften, um das Gehirn zu kontrollieren. Genau das hat im Juli die PokemonGO App mit unzähligen Smartphonebesitzern gemacht: Die Augmented Reality-Jagd auf Pokemons hat eine Meldung nach der anderen produziert: Spieler liefen vor Laternen, wurden in Fallen gelockt und ausgeraubt, sorgen für Umweltverschmutzung, blockieren öffentliche Plätze und so weiter. Natürlich versuchen inzwischen auch Vermarkter ihren Nutzen aus der Monsterjagt zu ziehen.

Obwohl gerade Börsianer den Erfolg Nintendo zuschrieben, wurde die App von Niantic, die sich bereits für das beliebte Ingress verantwortlich zeichneten, entwickelt und vertrieben. Nintendo veröffentlichten daher eine Erklärung, in der sie informierten, selbst nur zu 32 Prozent von dem Erfolg zu profitieren. Der zuvor noch rasant gestiegene Börsenkurs fiel daraufhin wieder, was dem japanischen Traditionsunternehmen wohl auch ganz recht gewesen sein dürfte. Der Ball liegt jetzt bei Niantic, so schnell wie möglich Spieler wie Werbetreibende zu befriedigen. Und das möglichst schnell, denn kein Trend der Welt hält in der Intensität ewig an.

PokemonGo: Der Hype um das Spiel bleibt

#savemarinajoyce – Hysteriereflex auf Autopilot

Eine Geschichte, wie sie nur von den Sozialen Medien geschrieben werden kann. Als der Hashtag #savemarinajoyce trendete, haben wir uns gefragt, wovor man die britische YouTuberin Marina Joyce denn retten soll. Gerüchte um eine Entführung machten die Runde, denn ihre Videos seien auffällig schlecht geworden und sie würde sich merkwürdig verhalten. Manche wollten sogar versteckte Helft-mir-Signale entdeckt haben. Und dann noch die verdächtigen blauen Flecke auf ihren Armen – da musste doch etwas nicht stimmen. Gerüchte um eine schwere Drogenabhängigkeit reihten sich ebenfalls in diesen Tumult ein. Schließlich machte die Polizei dem Spuk ein Ende und erklärte: Alles in Ordnung – gibt keine Entführung.

Die YouTuberin gab sich ebenfalls überrascht. Sie sei nicht merkwürdig, sondern Christin geworden und fühle jetzt die spirituelle Aufgabe. Die blauen Flecken stammen von einem Sturz im Wald. Und sie habe nie Drogen genommen. Ihre Erklärung: Das war ein PR-Stunt, der von einigen Fans inszeniert wurde. Aber sie freute sich im gleichen Atemzug über die vielen neuen Subscriber. Es lohnt sich also nicht wirklich, hier tiefer zu gehen. Aber zu Demonstrationszwecken empfehlen wir dieses konspirative Video, welches glauben macht, viele Anzeichen erkannt zu haben. Und um das Ausmaß zu verdeutlichen: Viele der YouTube-Videos, die sich mit dem Fall Marina Joyce beschäftigen, verzeichnen Viewerzahlen im Millionenbereich. Wir legen nun wieder unsere Halskrausen an, denn nach dem ganzen Kopfschütteln und vor die Strin klatschen, tut uns jetzt der Nacken weh.

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#Amoklauf – Tweets in Uniform

Im Chaos nach dem schrecklichen Amoklauf eines Schülers in München, behielt eine offizielle Anlaufstelle einen kühlen Kopf und bewies Professionalität: Über Twitter informierte die Münchner Polizei die Bevölkerung, gab Warnungen und Entwarnungen heraus, rief zur Ordnung gegen Fakes und Stimmungsmacher auf und wahrte vor allem einen ruhigen Ton – und das sogar in mehreren Sprachen. Für Oliver Timper, Social Media-Chef der Münchner Behörde, gehört die Arbeit in den Sozialen Netzwerken zur absoluten Verpflichtung, zumal so auch Einfluss auf Informationsverbreitung und gegen Falschmeldungen genommen werden könne. Wir müssen an dieser Stelle aber einfließen lassen, dass es viele Beispiele für Polizeidienststellen gibt, die Soziale Medien sowohl hochprofessionell als auch authentisch bedienen – und das nicht nach Dienstanweisung, sondern aus Eigeninitiative.

#Selbstexperiment – Schwitzen wie ein Hund

Sommerzeit ist leider auch immer Todeszeit für (überwiegend) Hunde, die von ihren hirntoten Herrchen und Frauchen ohne Luftzufuhr und Wasser im Wagen gelassen werden. Obwohl wir Jahr für Jahr immer wieder von Polizei und Tierschutzvereinen darauf hingewiesen werden, ist die Lehrnfähigkeit bei vielen Zweibeinern offenbar sehr limitiert. Dem wollte Daniel Strothe, Besitzer einer Hundeschule in Bottrop, mit einem Selbstversuch etwas entgegensetzen: Er versetzte sich in die selbe Situation wie ein eingeschlossener Vierbeiner und ließ die Kamera dazu laufen. Das Video erreichte etwas über 100.000 Aufrufe, was für eine Seite mit rund 1200 Fans recht ordentlich ist. Der Clip hätte weit mehr Aufmerksamkeit verdient, zumal die Facebook-Gemeinde sich doch sonst so tierlieb und aktivistisch gibt. Leider hat der junge Mann nicht auf die handwerklichen Griffe geachtet, die für eine virale Verbreitung wichtig gewesen wären. Klassischer Fall von „gut gemeint“.

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#Autopilot – Frag die Black-Box

Wir berichten so selten von positiven politischen Lebenszeichen, da muss auch mal ein Lob drin sein. Die Entwicklung selbstfahrender Autos wird seitens der Politik anscheinend wohlwollend begleitet. Nachdem vermehrt Unfälle mit den autonomen Versuchsmodellen auftraten, sowohl bei Google als auch bei Tesla, fordert nun eine Initiative unter Führung von Alexander Dobrindt die Einführung von Black-Boxen für selbstfahrende Autos. Dazu kommt der Vorschlag, gesetzliche Verpflichtungen für die Fahrer festzuschreiben. Die Industrie nimmt solche Vorstöße durchaus positiv auf, denn für eine effiziente Entwicklungsarbeit müssen Rahmenbedingungen geklärt werden. Und das klappt bisher anscheinend ganz gut. Kanzlerin Merkel sandte im April bereits einen Gruß an die Industrie, bitte eine Wunschliste anzufertigen, wie die Politik der Entwicklung entgegenkommen kann. Na, geht doch.

#VoicesOfRefugees – Ihr Telefon ist nun ein Flüchtlingstelefon

Im Juli machte ein viraler Clip der BBC die Runde. Unter dem Titel „Your phone is now a refugee’s phone” zeigt der Clip den Bildschirm des Smartphones eines Flüchtlings, welcher sich gerade auf der Flucht befindet. Das bedrückende Video soll auf eine Studie aufmerksam machen, welche sich mit dem Thema Kommunikation und Flucht auseinandersetzt. Die Untersuchung basiert auf Erfahrungsberichten, welche in Interviews mit 79 Flüchtlingen und 45 humanitären Helfern gesamelt wurden. Erfahrungen, die zeigen, welche essentielle Bedeutung mobile Devices für Flüchtlinge haben – um Fluchtrouten zu planen, vor Gefahren zu warnen, von der Flucht selbst zu berichten und sich einfach Gehör zu verschaffen. Eigentlich ein Armutszeugnis für die Erste Welt, dass diese vitalen Informationen trotzdem in den überfluteten Kommunikationskanälen der digitalen Welt kaum kaum Raum oder Aufmerksamkeit erlangen.

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#SadGirls – Schön traurig

Wer will schon Bilder posten, auf denen man weint, mit glasigen Augen, melancholischem Blick und verschmiertem Mascara? Antwort: Verdammt viele junge Frauen. Nachdem die Emo-Bewegung mittlerweile eher zu einer neo-romantischen Randerscheinung geschrumpft ist, macht nun der #SadGirls-Trend die Runde. Woher diese neuentdeckete Liebe zur Traurigkeit rührt – vielleicht Zeitgeist. Aber wie es so oft mit trendigen Hashtags ist, kaum funktionieren sie, schon hängen sich Leute dran, die sich darüber lustig machen oder ihre ganz eigene Interpretation finden. So lange es nicht in einem Werther-Effekt ausartet, viel Spaß beim Traurigsein.

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#Snapchat – Im Schutz des Filters

Als Yusuf Omar, Online-Redakteur der indischen Hindustan Times, Interviews nach der Schießerei von Orlando sah, kam ihm eine Idee: Indien kämpft immer noch sehr erfolglos gegen die unzähligen und alltäglichen Vergewaltigungen. Noch mehr öffentliche Wahrnehmung der Problematik ist notwendig und Zeugenaussagen können hierbei wichtige Arbeit leisten. Leider müssen die Frauen bangen, von ihren Peinigern auch später noch bedroht oder erneut misshandelt zu werden, weshalb sie meist schweigen. Yusuf Omar kam nun die Idee, Snapchat-Filter zur Anonymisierung in Interviews zu nutzen. Die Frage, wieso er die Gesichter nicht einfach pixelt, zumal ja die Stimme auch nicht verfremdet wird, ist bis dato noch niemandem gekommen. Aber die Snapchat-Methode dürfte zumindest schneller und günstiger sein, als ein technisch modernes Editing. Davon ab kann er so die Interviews direkt in seine Snapchat-Storys spielen und darum geht es. Die Schnappschuss-App ist gerade in Schwellenländern ein beliebtes Tool für Video-Journalisten: Während sich ökonomische und soziale Fortschritte nur langsam entwickeln, gehört eine technische Infrastruktur heute zu den ersten Dingen, die in ärmeren Regionen aufgebaut werden.

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#GettyImages – Dreiste Klauböcke

Als Carol M. Highsmith plötzlich von GettyImages abgemahnt wurde, wusste sie nicht, ob sie lachen oder explodieren soll. Die Fotografin Highsmith habe Bilder auf ihrer Website verwendet, für die sie keine Lizenzgebühren abgetreten habe. Dumm nur, dass diese Bilder von Highsmith selbst stammen. Dazu gehört das Foto noch zu einem Stock von Bildern, die sie zuvor der Library of Congress vermacht hatte, was die Fotos damit übrigens auch zu Public Domain macht. Das ist nicht nur ziemlich peinlich, es wirft auch die Frage auf, ob GettyImages regelmäßig Geld für Public Domain Bilder oder sogar andere Werke verlangt haben, für die sie überhaupt keine Verwertungsrechte besitzen. Und als wäre das alles noch nicht dubios genug: Die Bildagentur hat sich mittlerweile dazu geäußert. Die Betreiber erklärten, dass es sich um Missverständnisse handle und sie gerne eine Einigung mit Frau Highsmith anstreben würden. Das wäre auch nicht schlecht, denn die Fotografin hat mittlerweile eine Klage auf 1 Mrd. US-Dollar gegen Getty eingereicht – und die ist nicht einmal aussichtslos.

#Messenger – Pimp my Kurznachrichten

Nachdem WhatsApp die Vollverschlüsselung, also End-to-End, eingeführt hat, wurde es für die Firmenmutter Facebook nun auch endlich Zeit. Bis zum Ende des Sommers soll das Update für den Facebook-Messenger komplett ausgerollt sein. Die Verschlüsselung ist kein Default-Feature, sondern kann optional für eine Konversation ausgewählt werden. Oben drauf bekommen die Nutzer auch noch einen Timer für Bilder und Videos, welche dann nach Ablauf der Eieruhr automatisch aus dem Chat gelöscht werden – vermutlich jedoch nicht vom Facebook-Server (#räusper). Mal sehen, was das Haus Zuckerberg sonst noch von Snapchat kopiert, um zumindest äußerlich im trendigen Spitzenfeld zu bleiben.

#Grillfilme – Die Grillgute von Panem

Intensiven Twitterern ist vielleicht aufgefallen, dass wir dieses Jahr einen netten Sommer-Hashtag haben: #Grillfilme. Wir erinnern uns an die #Bahnsteikfilme und #Lokführerfilme während des GDL-Streiks. Nach ähnlichem Prinzip twittern Netzlinge nun abseits vom PokemonGo Hype höchstamüsante Filmtitel. Warum? Darum.

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#Yahoo –Urgesteins zum Schnäppchenpreis

Positive Yahoo-Meldungen sind in den letzten Jahren eine Seltenheit geworden. Und jetzt ist mit dem Trauerspiel auch endgültig Schluss: Yahoo wurden vom US-Telekommunikaitonsriesen Verizon übernommen. Im Jahr 2000 hatte das ehemalige Webseitenverzeichnis noch einen Börsenwert von 100 Milliarden US-Dollar – der Preis für das Urgestein lag diesmal nur noch bei 4,8 Milliarden Dollar. Mit im Einkaufskörbchen ist AOL, die mit Yahoo nun zusammengelegt werden sollen. Aber da war noch mehr im Warenkorb, denn wie wir uns erinnern, hatten Yahoo erst Flickr, dann tumblr gekauft – und sehr exzessiv nicht genutzt. Vor dem Hintergrund sind knapp fünf Milliarden Dollar ein echtes Schnäppchen.

#tumblr – Geldregen für alle?

Eine positive Meldung gab es aus dem großen Yahoo-Portfolio aber doch noch: Tumblr führen für alle Blogs ein neues Werbeprogramm ein. Der Schritt wurde nicht groß angekündigt, aber trotzdem von vielen Experten gefeiert, denn: Man muss keine Anzeigen auf seinem Blog zulassen, denn die Werbung ist nur optional. Wählt man jedoch diese Option, so verdient der Blogger an den Werbeanzeigen mit. Wann, wie oder wieviel damit verdient werden kann, ist noch nicht bekannt. Es sieht aber so aus, als müsse sich die Netzgemeinde noch bis Ende des Jahres gedulden.

#YouSuckAtCooking – Vorsicht, Koch hat Humor

Und zum Schluss möchten wir noch einen erheiternden YouTube-Kanal empfehlen: You Suck at Cooking! (Du kochst scheiße!) liefert zwar auch ernst gemeinte Kochrezepte, hat sich aber vor allem durch seine nicht so ernst gemeinten Tutorial-Clips einen kleinen aber feinen Namen gemacht (etwas mehr als 300.000 Subs). Der Kanal ist kein Zufallserfolg, obwohl nicht klar wird, ob hier irgend etwas verkauft werden soll. Dahinter steckt offenbar Randi Siegel, eine Frau, die als Managerin, Producerin und Autorin bereits mit diversen Größen der Entertainment-Branche zusammengearbeitet hat. Und wer jetzt Lust bekommen hat: Ab in die Küche.

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Artikelbild: Rian Castillo (flickr / Nutzungsbedingungen)

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