Schwups, ist der erste Monat des Jahres auch schon wieder rum. Das ging schnell und ist immer so, wenn viel passiert. Das Netz hat viel Leid gesehen, worauf wir aber nicht eingehen wollen. Denn es ist so viel mehr passiert, was verdient hat, gesehen zu werden: In der Corporate-Welt spielen die Börsenwerte verrückt und Stillstand ist in der Produktentwicklung weiterhin ein Fremdwort. Dafür gibt es diesmal wenig Politik und Justiz, aber dafür eine Menge Menschliches in Mems, Virals und Kampagnen. Guter Start ins neue Jahr – der Januar.

börse2Berg- und Talfahrten – Während sich die Welt gerade mit vielen nationalen Egoismen beschäftigt, erleben Aktienmärkte auf dem ganzen Globus eine Kernschmelze nach der anderen. Die großen Vier (Apple, Amazon, Alphabet und Facebook) büßten seit Jahresbeginn kumuliert bereits 200 Mrd. Dollar an Börsenwert ein. Die Verluste bei Internet-Aktien wie Alibaba, Twitter oder Rocket Internet lagen sogar noch um ein Vielfaches höher.

Aber nein, meinten die Unternehmen, da fehlen ja noch die Zahlen des vierten Quartals und des Weihnachtsgeschäfts. Und dann kamen die Zahlen und so richtig überrascht waren wir nicht: Facebook und Alphabet legen Traumzahlen vor – Twitter schießt leider weiter bergab und Apples Kurs ist auch etwas wurmstichig. Aber wir sind keine Börsenexperten und können uns immer nur wundern, denn Aktienkurse und ihre irren Berg- und Talfahrten spiegeln nur sehr marginal die Relevanz, Funktion oder Innovationkraft vieler börsennotierter Spieler wider. #verrückt

Fallende Schranken? – Zuerst mutmaßsten diverse Berichte, Twitter würde demnächst sein 140-Zeichen Limit aufheben und bis zu 10.000 Charakter zulassen. Dann bestätigte Jack Dorsey diese Pläne indirekt mit einem Tweet, in welchem er nichts zugab, jedoch erklärte, wieso eine Aufhebung des Limits kein so großes Ding wäre. Und dann erklärten wieder Armeen von Experten, weshalb Twitter in der Krise steckt und welches Feature gut oder schlecht sei. Fakt ist: In keiner einzigen Unternehmensmitteilung wurde eine Aufhebung des Limits angekündigt. Wenn es stimmt, dann wäre es die Öffnung zu mehr Content auf Twitter – was zugegebenermaßen einige Veränderungen mit sich brächte. Ob das jedoch den Sturzflug des Aktienkurses aufhalten kann? Wir sind uns ziemlich sicher, dass es dieses Jahr noch einen größeren Knall im Vogelhaus geben wird.

Screenshot_2016-02-02-21-02-24Streaming für die Augen – Spotify bietet jetzt auch Videos an. Das Angebot umfasst nicht nur Musik-Clips, sondern, dank Lizenzpartnern wie Comedy Central, ABC oder auch BR und SWR, Nachrichten und Unterhaltung. Die Mutmaßungen, Spotify würden damit auch YouTube Konkurrenz machen wollen, sind etwas am Ziel vorbei: Die Clips sind wirklich eher kurz gehalten und wenn schon Konkurrenten im Kontext genannt werden müssen, dann handelt es sich wohl eher um Apple Music oder Tidal.

creationDie Erschaffung Manchesters – Das Social Media-Jahr begann direkt mit einem viralen Zufallskunstwerk. Mittlerweile dürfte das Bild in jedem Newsfeed einmal aufgetaucht sein (s.unten). Da dieses visuelle Meisterwerk voller kleiner Detailinformationen steckt, sind Vergleiche mit einem Renaissance-Gemälde nicht unberechtigt: Die Geschichte hinter der Szene ist eine alkoholinspirierte Konfrontation in der Neujahrsnacht, und zwar zwischen Mr. Deveney, blaugekleidet in der Bildmitte liegend, und dem Mann, der gerade am Boden von zwei Ordnungshütern „betreut“ wird. Das wissen die Medien übrigens von Hannah Kirby, welche nicht nur Mr. Deveney begleitete, sondern sich auch rechts im Bild in Klage-Pose befindet.

Getauft wurde der Schnappschuss „Die Erschaffung Manchesters“ (Creation of Manchester). Weshalb dieser Titel, wird klar, wenn man sich Mr. Deveney genau anschaut und sich fragt, woran seine Pose erinnert: An Gott in dem berühmten Renaissancewerk „Die Erschaffung Adams“ (Creation of Adam) von Michelangelo. Und das ist auch eines der vielen Mem-Motive, zu welchen die Szene zahlreiche Netzlinge inspiriert hat.

Für die virale Verbreitung ist Roland Hughes verantwortlich, ein Online-Redakteur der BBC, welcher das Foto ursprünglich tweetete. Rund 4.000 relevante Follower und die Tatsache, dass die meisten Menschen am 1.Januar eher zu Hause bleiben, lies den Tweet bis auf über 30.000 Retweets und unzählige Mems durch die Decke schießen. Die Schattenseiten: Hughes vergaß den Fotografen zu nennen, denn das Bild stammt nicht von ihm, sondern von Joel Goodman. Und es war eigentlich nur eine Aufnahme aus einer Bilderstrecke für die Manchester Evening News, welche auch noch mehr Fotos von dem Vorfall birgt (ab Bild 18). Hughes hatte auch Gewissensbisse, versucht aber Goodman, mit dem er in gutem Kontakt steht, nun so oft wie möglich zu würdigen. Weitere Gewissensbisse hatte er hinsichtlich der Personen auf dem Bild, welche ja ohne ihr Einverständnis zu Protagonisten dieses Kunstwerks geworden sind. Aber da muss man sich wohl keine Gedanken machen: Kirby (die Dame) hat der Presse ja bereits umfangreich von der Szene berichtet und Deveney erinnert sich, laut eigener Aussage, an nichts mehr.

Wetter Wetter Wetter – Eine der bekanntesten deutschsprachigen Wetter-Apps dürfte wohl wetter.de, von RTL interactive, sein. Aber es gibt auch noch wetter-de oder auch Wetter DE. Die Leute von Wetter.de dachten sich, das kann ja nicht sein, und klagten gegen die Kleinanbieter auf Unterlassung und Schadensersatz. Das Landgericht Köln und das Oberlandesgericht entschieden gegen die RTL-App. Und der Bundesgerichtshof hat eine Revision nun auch abgeschmettert. Das Argument der Verwechselungsgefahr ist nicht sondernlich valide, wenn es sich um eine so fundamentale Vokabel wie „Wetter“ handelt.

Schnüffelbook – Und noch mal BGH. Haben Sie Freunde, die noch nicht bei Facebook sind? Dann hat(te) die Zuckerberg-Krake eine tolle Funktion: Über das Feature „Freunde finden“ konnte man direkt Mails an die echten Freund schicken, um diese so auf die Plattform einzuladen. Dummerweise öffnet man Facebook damit die Tür zu eigenen Adressbüchern – und das fand die Bundeszentrale der Verbraucherberatungen gar nicht lustig. Der Bundesgerichtshof konnte auch nicht lachen und befand die Masche in seinem Urteil vom 14. Januar für rechtswidrig und als belästigende Werbung ( I ZR 65/14). Interessant, wie lange sich so eine Grundsatzentscheidung hinziehen kann: Die Klage wurde bereits 2012 eingereicht und wie im Wetter-Fall war der BGH die letzte Instanz. Worum es bei der Sammellaune des Hauses Zuckerberg geht, erklärte der allgegenwärtige Herr Somecke bereits 2014.

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Uschi will War Games – Im September letzten Jahres kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen an, die Bundeswehr einer Neuorganisation der Cyberaktivitäten zu unterziehen. Das ist wohl auch nötig, haben die Erfahrungen mit der großen Cyber-Attacke auf den Bundestag doch gezeigt, dass wir auf dem digitalen Schlachtfeld eher bedingt abwehrbereit sind. Die sogenannten „Responsive Cyber Defence„-Operationen sollen nicht nur passiv ausgerichtet sein, was im Klartext heißt: Die Bundeswehr will auch angreifen können. Das Vorhaben ist noch nicht in trockenen Tüchern, aber sobald der rechtliche Rahmen abgesteckt ist, dürfen Uschis Mannen auch mit Bits und Bytes in den Krieg ziehen.

Das fliegende Auge – Zum Durchatmen etwas Action für die Pupillen: Bewegtbilder aus der Drohnenperspektive sind nicht neu, aber sehen oftmals wie Überwachungsaufnahmen aus. Aber wie sähe es aus, wenn man selbst in der Drohne sitzt? Die Frage kann von Videos beantwortet werden, die im Januar beim Rennen der Xtreme Drone Circuit Racing League (XDC) in Las Vegas entstanden sind. Hut ab für die Piloten, welche beim Rennen, via VR-Brille, genau diese Perspektive einnehmen – und sich nicht übergeben müssen.

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deadpoolSchädel Kacke L – An einer kleinen Meldung kamen wir nicht vorbei: Die anstehende Comic-Verfilmung Deadpool warb im Januar mit einem großen Billboard – und das war einfach genial. Zerlegt in drei Emojis wurde der Name des Helden als Dead (Schädel), Poop (Kacke) und L gezeigt. Es ist allein schon deshalb eine brilliante Marketing-Idee, weil Filmwerbung sich für gewöhnlich nicht traut, lustig zu sein. Aber bei dem Comic-Charakter hat man auch nicht das Problem, unfreiwillig Tabus brechen zu können. Also, wir warten auf Nachahmer.

Weibsbilder – Wie schön, wenn man veruteilend auf andere zeigen kann, aber wir müssen mal ein paar Takte über das Frauenbild der westlichen Hemisphäre reden: Ausgerechnet eine Werbeagentur klagt nun in einem Clip, und unter dem Hashtag #WomenNotObjects, den Sexismus in der Werbung an. Dabei geht es natürlich nicht nur um die Werbung selbst – die Tatsache, dass die meisten „Sex-Sells“-Maschen funktionieren, sagt einiges über eine Gesellschaft aus. Das Video ist entlarvend, das Topic beschränkt sich jedoch nicht auf den US-amerikanischen Markt. Auch in Deutschland sammelt sich, unter dem Hashtag #IchKaufDasNicht, die berechtigte Wut vieler Frauen. Und wie Buzzfeed kürzlich sehr eindrücklich dokumentierte (hier), beschränkt es sich nicht nur auf die Werbung. Dass diese Kampagnen zu einer echten Einsicht führen könnten, darf stark bezweifelt werden: Zu den unmittelbaren Reaktionen zählen Videos, die sich über die Kampagne lustig machen und bei YouTube ist der Clip aufgrund bedenklicher Inhalte nur für angemeldete Volljährige zu sehen. Wie heißt es so schön: Doppelmoral hält besser.

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Tratsch zum Nulltarif – Erst kostenlos, dann mit Jahresgebühr, dann wieder kostenlos: WhatsApp-Mitgründer Jan Koum hat verkündet, dass die Jahresgebühr von 89 Cents wieder abgeschafft wird. Dahinter scheint eine Veränderung des Geschäftskonzepts zu stecken: Der Kauf durch Facebook ermögliche es dem Unternehmen, nicht auf schnelle finanzielle Erfolge setzen zu müssen und sich erstmal im Angebotsportfolio weiter zu entwickeln. Koum kündigt an, dass WhatsApp zukünftig auch in der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden mitspielen will. Das kann Einiges heißen. Dass damit auch die Werbung auf WhatsApp einzieht, heißt es aber angeblich nicht: Keine Werbung, keine Spiele, keine Fußfesseln soll, laut Koum, auch weiter gelten. Ist klar – wir sprechen uns später nochmal.

24 Stunden POTUS – Obama und das Weiße Haus sind in der Netzwelt omnipräsent. Kaum ein Netzwerk, auf dem der oberste Amerikaner und seine Entourage nicht anzutreffen sind. Es war somit nur eine Frage der Zeit, wann Snapchat auch bespielt würde. Kurz vor seiner State of the Union-Rede war es so weit. Der Zeitpunkt wurde vermutlich gewählt, um den neuen Kanal direkt in einer Event-Situation zu testen – und das hat auch geklappt: Jeder mediale Event hat heutzutage eine Vorberichterstattung, vermeintliche Blicke hinter die Kulissen und viel Menschelndes. Das ist auch hier, wie so oft bei diesem Präsidenten, vorbildlich gelungen.

Exodus der Chefetage – Twitter und Apple mussten im Januar signifikante personelle Abgänge verkraften: Steve Zadesky leitete die „Titan“-Unit, welche das gar nicht mehr so geheime Elektroauto-Projekt von Apple entwickeln soll. Sein Weggang wird mit persönlichen Gründen erklärt, was zurecht bezweifelt werden darf. Zadesky ist seit 17 Jahren Mitglied des Apfelhauses – Gerüchte mutmaßen, dass die Apple-Führung Unrealistisches von der Projekt-Unit fordere. In der Folge soll es heftig geknallt haben. Das passt schon eher ins Bild: Die Entwicklungskrise ist spätestens seit der Apple-Watch für jeden sichtbar und der Druck auf die Entwicklungsabteilungen wächst. Der Abgang von vier Top-Managern im Hause Twitter, passt ebenso ins Krisenbild, welches seit Jack Dorsey von der Zwitscherschmiede gezeichnet wird. Umso härter, dass der oberste Twitter-Produktmanager bereits einen Tag nach seinem Exodus bei Instagram anheuerte. Wenn’s erstmal schlecht läuft…

Hoffnung! – Und weil wir unsere Rückblicke gerne mit etwas Erfreulichem und Positivem abschließen: Hier ein perfektes Beispiel dafür, dass es dem SocialWeb viel bedeutet, positive Momente zu erleben: Ein weißer Polizist wird in eine schwarze Nachbarschaft gerufen, weil ein paar Kinder zu laut Basketball spielen. Oftmals fangen so Meldungen an, in denen die amerikanischen Ordnungshüter zu überzogen reagieren und hinterher Leichen gezählt werden müssen. Diesmal nicht: Der Officer sprach die Jungs an, spielte mit ihnen etwas Basketball, empfahl etwas Rücksicht zu nehmen, ging dann wieder und ließ die Kinder Kinder sein. Wie wichtig dem Netz diese positive Botschaft war? Über 16 Mio. Views auf Facebook und damit wohl der Top Viral-Clip im Januar. Nebenbei bemerkt: Früher hätten sich solche Clips bei YouTube wie Lauffeuer verbreitet – der Google Kanal spielte in diesem Fall keine signifikante Rolle mehr und wird in puncto Viral-Videos so langsam die Fakel an Facebook-Videos abgeben müssen.

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Artikelbild: othree (flickr / Lizenzbestimmungen)

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